„Jud Süß“-Produzenten weisen Vorwurf der Geschichtsfälschung zurück

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Die Produzenten des Films "Jud Süß - Film ohne Gewissen" haben Vorwürfe der Geschichtsfälschung zurückgewiesen.

 Der Film „basiert auf historischen Fakten und Personen, ist aber keine Dokumentation, sondern ein Kinospielfilm und nimmt sich daher die Freiheit der künstlerischen Bearbeitung, worauf ausdrücklich im Abspann des Filmes hingewiesen wird“, erklärten die Produzenten am Mittwoch. Zuvor hatte der Experte Friedrich Knilli Regisseur Oskar Roehler Legendenbildung vorgeworfen.

Die mit Spannung erwartete Produktion über die Entstehung des NS-Propagandafilms startet am  Donnerstag als Weltpremiere im Berlinale-Wettbewerb. Es spielen Stars wie Moritz Bleibtreu, Tobias Moretti, Martina Gedeck und Justus von Dohnanyi mit. Den historischen Film „Jud Süß“ gaben die Nazis 1939 in Auftrag.

Veit Harlan drehte einen Film über die historische Figur des Joseph Süß Oppenheimer, einen jüdischen Finanzbeamten, der 1738 hingerichtet wurde. Der Film mit Ferdinand Marian in der Hauptrolle gilt als Synonym für NS-Propaganda und ist noch heute in Deutschland indiziert.

Die Produzenten Markus Zimmer und Franz Novotny erklärten, der Medienwissenschaftler und Autor Knilli habe „eine sehr eigene Sichtweise auf die Person des Schauspielers Ferdinand Marian und auf die Entstehung des Filmes“, die man sich nicht zu eigen gemacht habe. Knilli wolle nicht erkennen, weshalb der Originalfilm „Jud Süß“ in Deutschland zu Recht indiziert sei. Daher werde auf die einschlägigen Internetseiten ungarischer Neonazis verwiesen, die die Existenz von Gaskammern mit spitzfindigen Argumenten leugneten und die perfide Wirkung des Propagandafilms immer noch nutzten. Außerdem habe den Film noch kein Außenstehender gesehen – außer einem Kreis von engen Mitarbeitern der Filmproduktion, der Berlinale und des Vertriebs habe. Knilli zähle nicht zu dem Kreis.

Zwei Fälschungen

Knilli, der den Stoff seit Jahrzehnten erforscht und den Film nach eigener Aussage bereits auf DVD gesehen hat, hatte kritisiert: „Die Neuverfilmung trägt zur Legendenbildung bei, weil Roehler ohne Grund zwei wichtige Dinge fälscht.“ Zum einen sei Marian anders als im Film nicht mit einer Jüdin verheiratet gewesen, sondern mit einer Katholikin.

Zum anderen stimme es auch nicht, dass Marian einen Juden gerettet hätte. Roehler habe diese Dinge vermutlich geändert, um seine Chancen auf eine Oscar-Nominierung zu erhöhen, spekulierte Knilli. Der Regisseur habe in einem „Spiegel“-Interview im vergangenen Jahr Kate Winslet zitiert, die gesagt habe, wenn man für den Oscar auf Nummer sicher gehen wolle, müsse man einen Film über das Dritte Reich und Juden machen. „Das könnte sein Aufhänger sein.“

Roehlers Film unterwerfe sich den „Betroffenheitsklischees“ zum Holocaust, sagte Knilli. „Da wird so getan, als ob sich jemand wieder zum Helden macht, um einen Juden zu retten.“ Das sei aber bei Marian, der vielmehr depressiv und relativ unpolitisch gewesen sei, nicht so gewesen. „Er wird in dem Film unnötig heroisiert.“

Knilli, der 1930 in der Steiermark geboren wurde und als emeritierter Professor an der Technischen Universität Berlin Vorlesungen hält, kann auch nicht verstehen, warum der historische Film in Deutschland indiziert ist. Er sei ein Melodram und wie ein guter Hollywoodfilm „nach zwei Richtungen gestrickt“ – „und so wurde er auch rezipiert“. Viele Juden hätten ihm gesagt, der Film müsse nicht indiziert werden, sagte Knilli. „Es gibt Leute, die meinen, der Film würde verführen – was völliger Quatsch ist. Ich meine, man kann ihn ohne weiteres zeigen.“
Knilli veröffentlichte bereits vor zehn Jahren das Buch „Ich war Jud Süß. Die Geschichte des Filmstars Ferdinand Marian“. Demnächst soll eine zweite Auflage erscheinen. apn
http://www.berlinale.de/