Jean Muller spielt Franz Liszt

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Es war für Jean Muller gewissermaßen eine Rückkehr in den Kreis der Camerata-Konzerte, die er als erster Teilnehmer einweihte. Die Solistes Européens lassen bei dieser Konzertserie den Musikern freie Wahl in der Programmierung.

Für den Pianisten war es eine gute Gelegenheit, seine neue CD „Transcendences“ mit seiner ganz persönlichen Interpretation von Liszts Klavierwerken vorzustellen.

Solistes Européens

Das nächste Konzert ist am 24. März in der Philharmonie. Mit der Geigerin Nicola Benetti spielen sie das „Concert-surprise – Die Freude am Unbekannten“.

Infos über www.sel.lu

Man muss so jung sein wie Jean Muller – er ist 34 –, um sein Publikum mehr als zwei Stunden lang allein und mit einer derartigen Ausdruckskraft in Atem zu halten. Einmal abgesehen von dem leider scheinbar obligaten Räuspern und Husten, sobald der Pianist die Hände von den Tasten hob, war der ganze Saal gebannt von der kraft- und temperamentvollen Interpretierung von Franz Liszts Musik.

Treffen der Talente

Von Klavier„spiel“ kann hier nicht die Rede sein. Das Konzert war eine regelrechte Auseinandersetzung mit den Pilgerjahren und den „Etudes d’exécution transcendantes“, jenen 12 Klavier-Etüden, die der Komponist bereits mit 15 Jahren zu schreiben angefangen hatte und die in Sachen Virtuosität, Technik und Geschmeidigkeit eine echte Herausforderung für jeden Pianisten sind. Den Abschluss machte die diabolische Atmosphäre des Mephisto-Walzers Nr. 1, der als erste Darstellung eines Orgasmus in klassischer Musik gilt.

Die Begegnung zwischen Muller und Liszt ist das Aufeinandertreffen zweier junger Genies. Wie Liszt hat auch Jean Muller sehr früh mit der Musik angefangen. Die anspruchsvollen Stücke, die er am Montagabend spielte, sind ein Repertoire für junge Pianisten, gewissermaßen eine Messlatte für Talent und Arbeit.

Mit der Arbeit hat Jean Muller schon früh angefangen. Bereits mit sechs Jahren nahm der Sohn des Musikers und Lehrers Gary Muller Klavierunterricht, ein Jahr später stand er schon auf der Bühne. Von der New Yorker Carnegie Hall über die Londoner Kings Place bis zum Konzerthaus Berlin oder der NCPA in Peking ist er heute auf den größten Bühnen der Welt zuhause.

Mehr als zwei Stunden lang hat er am Montagabend in der Philharmonie seinen Flügel regelrecht singen lassen, hat ihm helle Glockentöne und dunkles Donnergrollen entlockt, hat Wassertropfen zu rauschenden Bächen gemacht und Kirchenglocken schwingen lassen. In einem regelrechten Kraftakt hat er mit seinem Klavier dialogiert. Dem Zuhörer erschien dieser Austausch, der sich immer wieder auf eine andere Ebene verlagerte, wie die Nummer eines Dompteurs. Dabei hat sich der Pianist nie von der Musik tragen lassen, sondern stets den Rhythmus diktiert, die Kadenz vorgegeben. Das Spiel der Finger auf den Klaviertasten war beeindruckend, mitunter musste man nachsehen, ob es tatsächlich nur zwei Hände und zehn Finger waren, die den Konzertsaal mit Musik füllten. Jede Hand schien zudem ihre eigene Geschichte zu erzählen. Notenblätter gab es nicht. Alles war auswendig gespielt.

Auf hohem Niveau

In der Regel sind die Camerata-Konzerte im Kammermusiksaal programmiert, wegen der großen Nachfrage wurde das Konzert aber kurzfristig in den großen Konzertsaal verlegt. Dort spielte der Virtuose, seinem Alter entsprechend im grauen Straßenanzug, schwarzen Hemd und ohne Krawatte, vor den dicht besetzten Stühlen. Sein Publikum, das sich spontan mit einer Standing Ovation für die atemberaubende Darbietung bedankte, war im Durchschnitt ein Stück älter als der Pianist, allein ein Abkommen der Solistes Européens mit der Uni Lëtzebuerg verschaffte dem jungen Virtuosen einige gleichaltrige Interessenten.