„Ich überlasse nichts dem Zufall“

„Ich überlasse nichts dem Zufall“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das Büro Hermann und Valentiny baut den luxemburgischen Pavillon in Schanghai. Wie frei sind Architekten heutzutage noch? Wo zwingen wirtschaftliche Zwänge die ästhetischen Vorstellungen in die Schranken? Darüber und über vieles mehr hat sich das Tageblatt mit dem gebürtigen Remerschener unterhalten.

Wiebke Trapp

„Tageblatt“: Ist Architektur Kunst?
François Valentiny:
„Wenn der Anspruch besteht, dass Bauen ein kultureller Akt ist und wir darüber Architektur definieren, ist Architektur Kunst. Mir scheint es, dass man heute weder in der Politik noch in der Baubranche von Ethik etwas wissen will. Stattdessen investieren wir in Luxemburg lieber in viel zu teure Grundstücke und Gebäude, die dann nach 20 bis 30 Jahren wieder abgerissen werden.“

„T“: Die Degradierung zum ästhetischen Dienstleister?
F.V.:
„Wenn es ja noch so wäre. Die Tendenz, die ich momentan in der Gesellschaft beobachte, ist die, dass es sehr wohl ein Bewusstsein für gute Architektur gibt – auch bei unseren Politikern. Nur wird dieser Weg halbherzig beschritten. Viele Entscheidungsträger wollen diesen Anspruch nicht einlösen, was übrigens keine Frage des Geldes ist. Das Geld dient nur als Vorwand.“

„T“: Wie erklären Sie das?
F.V.:
„Trägheit und Sattheit führen dazu, dass unser System versagt. Die Politik gestaltet leider kaum noch. Sie folgt Zwängen und verwaltet.“

„T“: Gehen Sie noch wählen?
F.V.:
„Ja natürlich. Aber eigentlich müsste man in Europa die Verwaltungen wählen können, sie sind entscheidender als die Politik geworden. Der Mensch ist nicht mehr Bürger, sondern er ist zum Objekt geworden, das es zu verwalten gilt. In Luxemburg stehen 30 Prozent produzierende Bevölkerung 70 Prozent Verwaltenden gegenüber. Im Weltmaßstab ist es noch krasser. China produziert, Indien produziert, und vom Westen kommt das Know-how. Wie lange noch?“

„T“: Jetzt werden Sie aber philosophisch…
F.V.:
„Keinesfalls! Wenn ich ein Gymnasium oder ein Konzerthaus baue, wird nur über Funktionalität, Rationalität geredet und nicht mehr über den geistigen Mehrwert, der ja sowieso von einem guten Architekten mitgeliefert wird.“

„T“: Haben Sie schon mal ein Projekt zurückgezogen?
F.V.:
„Seit ich Architekt bin, also seit 30 Jahren, nein. Aber ich merke, dass in unserer Gesellschaft ein rabiater Geist Einzug hält, der die Leute schachern lässt wie auf dem Basar.“

„T“: Schachern Sie auch?
F.V.:
„Bei den Budgets ist das unser tägliches Brot. Das meine ich aber nicht. Das Thema ist, dass die aktuelle Gesellschaft, vor allem in Luxemburg, alles in Geld bewertet. Das heißt, alles, was nicht in Geld gemessen werden kann, hat per se keine Existenzberechtigung.“

„T“: Wo bauen Sie denn am liebsten?
F.V.:
„In der Welt und vor allem im ländlichen Raum. Ich überlasse nichts dem Zufall. Da überlege ich genau, welche Elemente dem ruralen Kontext angemessen sind und welche nicht. Das ist in Städten weitaus schwieriger, da baue ich aber auch.“

„T“: Warum?
F.V.:
„Unsere Städte sind gleichgeschaltet, ästhetisch globalisiert. Wenn Sie nicht wissen, in welcher Stadt Sie sich befinden und Sie sollen das anhand zeitgenössischer Architektur erraten, so werden Sie das nicht können.“

„T“: Ihre größte Enttäuschung bis jetzt?
F.V.:
„Dass ich beim Projekt für die Universität Luxemburg auf Belval nicht berücksichtigt wurde. Ich empfinde die jetzige Konzeption als mittelmäßig, die sicher keine große Zugkraft für das Produkt Luxemburger Universität haben wird.“

Das gesamte Interview finden Sie in der Donnerstagsausgabe des Tageblatt