„Ich bin ein bisschen ein Spätzünder“

„Ich bin ein bisschen ein Spätzünder“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Nach fünf Jahren in Paris hat Georges Santer nun seit fünf Monaten seinen neuen Arbeitsplatz in der Klingelhöfer Strasse in Berlin bezogen. Eine seiner ersten Bewährungsproben hatte er am Montag, beim offiziellen Empfang anlässlich der Berlinale.

Ein Gespräch. In charmant österreichischem Akkzent. Denn vor Berlin und Paris war Santer in Wien. Als Student und als Botschafter.

Der Botschafter Luxemburgs in Berlin: Georges Santer. (Foto: Herve Montaigu)

Tageblatt: Bevor Sie im Herbst Botschafter in Berlin wurden, waren Sie Botschafter in Paris. Zwei wichtige Städte Europas, die sehr unterschiedlich sind. Was bedeuten Ihnen diese Städte?

Georges Santer: „Fünf Jahre fuhr ich über die Ostautobahn nach Paris hinein, an der Seine entlang, an Notre-Dame und dem Louvre vorbei: Natürlich ist Paris eine der schönsten Städte der Welt. Berlin ist anders. Berlin hat eine schwierige Geschichte, war lange Zeit eine geteilte Stadt, das spürt man. Doch Berlin hat auch die Dynamik einer jungen Stadt, ist aufgeflippt, nicht in Schemata zu pressen. Hier wird sehr viel Energie frei gesetzt. Ich möchte jetzt nicht eine Stadt gegen die andere ausspielen, aber der Bürgermeister von Paris, Bertrand Delanoë, sagt es selbst: Schöne Fassaden reichen nicht, und auch wenn ich nicht alles gut heisse, was hier in Berlin auf den kulturellen Bühnen pasiert, kann ich nicht abstreiten, dass Berliner Kultur permant auf der Suche ist, sie erfindet sich ständig neu. Das ist sehr erfrischend.“

„T“: Und Ihre Arbeit? Wie sind Ihre ersten Gespräche verlaufen?

G.S.: „Nach fünf Monaten habe ich in dieser Stadt schon sehr positive Erlebnisse gehabt. Der Zugang zu den Behörden, selbst in die höchsten Etagen, verlief unkompliziert und professionell. Die Qualität der Gespräche war sofort auf höchstem Niveau. Und Luxemburg wird in dieser Stadt sehr ernst genommen. Das macht Freude.“

„T“: Am Sonntag hatte die Luxemburgische Koproduktion Naked Opera Premiere. Wie fanden Sie den Film?

G.S.: „Ich habe den Film sehr geschätzt. Wenn ich mir Luxemburger Kunst anschaue, dann kribbelt es immer ein wenig mehr. Ich habe weniger Abstand. Doch gestern konnte ich mich entspannt zurücklegen. Die Selbstironie des Protagonisten, das Naturell aller Schauspieler, das Spiel mit Klischees und vor allem die subtile Werbung für unser kleines Land dank der vielen schönen Aufnahmen machen aus dem Film einen guten Film, der sich sicherlich auch weiterverkaufen lässt.“

„T“: Hatten Sie sonst noch das Vergnügen, sich in das Getummel der Berlinale zu mischen und gute Filme zu sehen?

G.S.: „Ich bin ein bisschen ein Spätzünder, wenn man gerne etwas länger schläft, dann sind schon alle Eintrittskarten verkauft…

„T“: Auch für einen Botschafter?

G.S.: „Die Welt ist gleicher, als Sie glauben!“

„T“: Ihre Vorgängerin Martine Schommer hat viel unternommen, um den Ruf Luxemburgs in Deutschland zu verändern. Neben einem Land mit einem starken Finanzplatz, wollte Sie Luxemburg auch als Kulturmetropole darstellen. Sie hat zum Beispiel die Initiative „Luxemburg ist…“ ins Leben gerufen. Was haben Sie vor?

G.S.: „Man ist immer schlecht bestellt, wenn man bestehende Sachen über Bord wirft, vor allem, wenn sie Erfolg hatten. Deshalb werde ich diese Initiave selbstverständlich weiterführen. Ausserdem werde ich versuchen, neben der Promotion der aktuellen Luxemburger Kultur, auch die historische Dimension zu beachten. Es gab schon immer eine kreative Dynamik in Luxemburg, daran möchte ich auch erinnern. Nächstes Jahr, 2014, stehen Gedenkveranstaltungen zum Beginn des Ersten Weltkrieges an. Ich werde hierfür versuchen mit dem deutsch-historischen Museum zusammenzuarbeiten. Ich bin Germanist, aber auch Historiker.“