Hinter den Kulissen von Bad Banks: Homo homini lupus

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Arschlöcher sind heiß begehrt – deswegen war es nur eine Frage der Zeit, bis eine Serie sich intensiv mit dem Banker-Milieu auseinandersetzen würde. In „Bad Banks“ wird die Figur des Bankers aber weder pauschal dämonisiert, noch erliegt sie einer ideologischen Hagiografie – das Finanzwesen wird lediglich als (gefährliches) Symptom unserer Zeit seziert.

Dass gerade diese Serie Luxemburg zum nächsten Schritt in seiner kulturellen Professionalisierung verhelfen könnte, zeugt einerseits wohl von dramatischer Ironie, andererseits ist diese Gegebenheit absolut zweitrangig. Denn die ersten zwei Folgen, die am Mittwoch auf der Berlinale Premiere feierten, dürften die Mehrheit des Publikums bereits in ihren Bann gezogen haben. Wir haben den Luxemburger Marc Limpach, der einen skrupellosen Investment- Banker spielt, getroffen.

Berlin, Zoopalast

 

 

Schauspieler Marc Limpach (Foto: Michalina Kowol)

Am Donnerstag, kurz vor 17.00 Uhr, dringt eine dichte Menschenmenge in den Kinosaal. In der Mitte sind die meisten Plätze noch leer, drum herum scharen sich die Zuschauer. Ein kurzer Blick erklärt, wieso: Auf den leeren Sesseln liegen weiße Reservierungsschilder mit den Namen der prominenten Gäste, die noch auf sich warten lassen.

Schauspieler Marc Limpach sitzt neben Iris-Productions-Leiter Nicolas Steil, Schauspielerin Désirée Nosbusch direkt neben dem „Bad Banks“Regisseur Christian Schwochow. Es ist nicht alle Tage, dass die VIP-Abteilung einer sehnsüchtig erwarteten TV-Serie eine solch hohe Anzahl an luxemburgischen Namen beinhaltet (damit wäre der People-Teil dieses Artikels auch abgeschlossen).

Noch viel weniger ist man gewohnt, auf großem Schirm in einem Berliner Kino „Zu Arel op der Knippchen“ um die Ohren gelallt zu bekommen. Parallel dazu wird Marc Limpach von Germain Wagner energisch-wütend aus einer Kneipe gezogen, um anschließend „Schëmmel a Bless“ auf luxemburgisch beschimpft zu werden.

Während der Landschaftsaufnahmen, die, wie in Serien und Filmen mittlerweile üblich, kurz den Location-Wechsel ankündigen, sieht man immer wieder Kameraaufnahmen unserer Altstadt.

Als dann auch noch Nora Koenig kurz nach Serienbeginn in einer kleinen Rolle erscheint, um die Hauptfigur Jana Liekam (Paula Beer) zu feuern, ertappt man sich plötzlich dabei, überall nach bekannten Gesichtern zu suchen. Banken und Luxemburg halt, das passt ja, ist wohl der erste (natürliche) Reflex.

So klischeehaft geht es aber in „Bad Banks“ nicht zu – und im Gegensatz zu der amerikanischen Serie „The Patriot“, die zwar in Luxemburg spielen soll, in Wahrheit aber in Prag gedreht wurde, wird man im Laufe von „Bad Banks“ bekannten Gesichtern und Orten begegnen.

Frankfurt am Main

 

 

Die Deutsche Global Invest ist pleite. Meutereien brechen auf der Straße aus, eine durch eine Kapuze getarnte Gestalt wandert an einer Menschenmasse vorbei, die mit Molotow-Cocktails herumwirft und von Polizisten bekämpft wird, eine aufgeregte Nachrichtensprecherin erläutert den Kontext des Gewaltausbruchs. In einem Seiteneingang wird Jana Liekam von Luc Jacoby (Marc Limpach) in das Gebäude hereingelassen, kurz darauf fragt ihr Chef Gabriel Fenger (Barry Atsma) nur: Wieso?

Nach diesem Incipit wird „Bad Banks“ seine darauffolgenden Episoden (die Serie umfasst sechs davon) nutzen, um via Flashback zu erklären, wie und wieso es zum Untergang dieser Bank kam – und welche zwiespältige Rolle Jana Liekam darin spielte.

Berlin, Potsdamer Platz

 

 

Ich steige aus der Buslinie M200, um mich mit Marc Limpach zu treffen. Normalerweise begegne ich ihm im Kasemattentheater und der charismatische Schauspieler nimmt sich alle Zeit der Welt, um meist politisch-ästhetischen Diskussionen nachzugehen. Am Dienstag hat die Agentur Schmidt Schumacher allerdings ein präzises Zeitfenster organisiert, mir stehen 15 Minuten zur Verfügung, vor mir stand Marc einer ganzen Reihe deutscher Medien Frage und Antwort.

Beim Interview mit Vicky Krieps nach der Pressevorführung im Kinepolis war es genauso – eine solch akribische Betreuung ist ein sicherer Indikator für die Professionalisierung der luxemburgischen Film- und Schauspielszene. Und für den zunehmenden Erfolg dieser Schauspieler.

Auf dem Potsdamer Platz, unweit des Marriott-Hotels, in dem ich Marc Limpach interviewe, sehe ich auf einer Werbetafel für „Bad Banks“. Das Marketing für die Serie scheint effizient, den Erfolg hätte sie sich (sofern man dies nach zwei gesehenen Episoden behaupten kann) absolut verdient.

In seiner Rolle des Luc Jacoby, eines Finanzstrukturierers, spielt der Luxemburger einen unbarmherzigen Typen, der manchmal ein bisschen an eine kompetentere, bösartigere Version von Stromberg erinnert – sogar sein „Das läuft“ scheint Limpach in die Figur von Jacoby importiert zu haben.

„Wenn du Anerkennung willst, dann werde doch Krankenschwester. Dann verdienst du halt nur weniger“, ärgert sich Luc Jacoby, als er Janas Übereifer bemerkt. „Dies ist einer der Sätze, den ich in das Drehbuch hineingemogelt habe“, erklärt Limpach. „Das war es unter anderem auch, was mir an dieser Zusammenarbeit so gefallen hat. Das Drehbuch von Oliver Kienle war sehr gut strukturiert – und trotzdem verfügte ich über einen riesigen Improvisationsraum. Ich hätte mir nie erwartet, dass man mir auf einem Filmdreh eine solche Freiheit lassen würde. Dafür muss ich auch dem Kameramann Frank Lamm danken – unsere Zusammenarbeit basierte von Anfang an auf einer Vertrauensbasis, die mir diese Improvisationen erlaubten. Damals wollte Christian Schwochow – der durch Désirée Nosbusch wusste, dass ich Schauspieler wäre –, dass ich zu seinem Casting komme. Ich hatte viel zu tun, habe sogar einen Moment daran gezweifelt, ob dieses Engagement zeitlich überhaupt machbar wäre – und bin mehr als erfreut, es nun trotzdem getan zu haben.“

Luxemburg-Stadt

 

 

Schauspielerin Désirée Nosbusch (Foto: ZDF)

Acht Wochen vor dem Sturz der (fiktionalen) Deutschen Global Invest. Jana Liekam wacht neben ihrem Freund auf. Jana ist die Assistentin von Luc Jacoby, dem Sohn eines Vorstandsvorsitzenden, der sich auf Janas Intelligenz verlässt, um seine Deals durchzuringen. Als Jana aber dann eines Tages zu wagemutig wird, sorgt Luc dafür, dass sie entlassen wird.

Die Abteilungsleiterin Christelle Leblanc (Désirée Nosbusch) sieht in der cleveren Jana eine Schachfigur – und positioniert sie einen Tag nach ihrer Entlassung als Investmentbankerin bei der Deutschen Global Invest. Dass dieser Gefallen natürlich seinen Preis haben wird, können sich Jana und die Zuschauer sofort denken.

Nach „Breaking Bad“ ist „Bad Banks“ nun bereits die zweite Serie, die das anaphorische Akronym BB trägt – und eine weitere Serie, die den Scheusalen den Vortritt lässt. Riskieren wir nicht, nach Dexter, Walter White („Breaking Bad“) und Frank Underwood („House of Cards“) einen Überfluss an Schurken zu produzieren? Gibt es nicht vielleicht eine platonische Ansteckungsgefahr – die Fiktion lebt vor, die Welt ahmt eifrig nach? In seinem „Le Dossier M“ problematisiert Grégoire Bouillier eben diese Befürchtung, indem er (auf eine etwas hyperbolische, selbstironische Art und Weise) angibt, die Serie Dallas wäre schuld an der wilden kapitalistischen Kehrtwende, die die Welt in den 80ern genommen hat.

„Das ist eine interessante Aussage. Aber ich glaube, das Argument ist etwas fehlerhaft“, meint Marc Limpach. „Meiner Auffassung nach kann man unterscheiden zwischen Fiktionen, die dich bloß einlullen und Fiktionen, die dich zum Überlegen anregen wollen. Wenn du ein Kulturprodukt anbietest, das bloß einlullen möchte, ist es eigentlich gleich, welche ethische Rolle die Hauptfigur spielt – es geht um reine Unterhaltung.“


Erster Eindruck  

Kann „Bad Banks“ mit den großen Serien mithalten? Eindeutig ja. Kann man von einem wegweisenden Jahr für die luxemburgische Filmindustrie reden? Klar. Man darf und soll sich natürlich immer wieder fragen, wieso der Filmsektor Geldmengen verschlingt und über ein Budget verfügt, von dem andere Kulturbereiche nur träumen können. Man sollte sich aber vorerst zurücklehnen, um sich die erste Episode von „Bad Banks“ ansehen.

Bad Banks, Episoden eins und zwei

Kategorie: Berlinale Special

Bewertung: 4/5