/ Grimme-Preise spiegeln Politisierung wider

(Caroline Seidel)
Als eine Art Gütesiegel für vorbildliches Fernsehen versteht sich der Grimme-Preis. Ein Blick auf die am Mittwoch vorgestellte Liste der Preisträger 2017 und die Themen, die sie für das Fernsehen aufbereiten, offenbart auch: Die Grimme-Jurys wollen auszeichnen, was Brisanz hat, was aufwühlt, was alles andere als beliebiges Berieselungs-TV ist.
„Eher Schwarzbrot als Croissants“ sei dabei herausgekommen, räumt Heike Huppertz, Leiterin der Jury im Wettbewerb Fiktion, ein. So ist davon auszugehen, dass die feierliche Verleihung der begehrten Trophäen am 31. März in der Ruhrgebietsstadt Marl eine durchaus politische Veranstaltung werden dürfte.
Terror von rechts, Krieg, Flucht und Abschiebung, Risiken der Kommunikation im Internet – die Themenwahl der ausgezeichneten Produktionen reflektiere ganz offensichtlich die gesellschaftspolitisch aufgeladene Stimmung im Land, ist Frauke Gerlach, Direktorin des Grimme-Instituts, überzeugt. Die Politisierung spiegele sich so auch bei den Preisentscheidungen wider.
Vier Kategorien
In vier verschiedenen Kategorien gibt es insgesamt 15 Grimme-Preise für Produktionen oder Einzelleistungen. Besonders freuen darf sich die ARD über Triumphe im Wettbewerb Fiktion: Die Jury zeichnet den Banken-Thriller „Dead Man Working“ (auch HR) über die kühl-brutale Hochfinanzwelt aus sowie zweifach das ambitionierte Filmprojekt „Mitten in Deutschland“ (auch SWR/WDR/BR/MDR), das sich in drei Teilen dem rechtsterroristischen NSU widmet.
Im Wettbewerb „Information und Kultur“ gibt es Preise für klassische Reportertugenden: So hat sich Ashwin Raman in das gefährliche Grenzgebiet zwischen Irak und Syrien gewagt und einmal für den SWR, einmal für die ARD bewegende Kriegsreportagen mitgebracht, die die Jurys als „besondere journalistische Leistung“ ehren.
Für „Ebola – Das Virus überleben“ hat sich der Journalist Carl Gierstorfer nach Liberia gewagt, als wegen der Ansteckungsgefahr bereits alle Korrespondenten abgezogen waren. „Viel Journalismus passiert heute vom Bildschirm aus“, begründet Jury-Leiter Fritz Wolf die Entscheidung. „Umso wichtiger wird es in solchen Zeiten, dass es immer wieder auch Journalisten gibt, die direkt vor Ort sind, die mittenhinein gehen.“
Die grundsätzliche Ausrichtung auf Relevanz und Brisanz zeigt sich sogar dort, wo man es nicht zwangsläufig erwarten würde: In der Kategorie Unterhaltung gewinnen zwei, die anecken. Der eine ist der TV-Satiriker Jan Böhmermann – nach Preisen für seine bissig-ironische Satire-Show „Neo Magazin Royale“ in den Jahren 2014 und 2016 inzwischen so etwas wie ein Grimme-Preis-Liebling. Der andere ist Oliver Polak für seine Moderation der Talk-Show „Applaus und Raus!“. Die ProSieben-Show fährt damit den einzigen Grimme-Preis 2017 für einen Privatsender ein.
„Applaus und Raus!“
Der Entscheidung für „Applaus und Raus!“ sind laut der Jury-Leiterin Klaudia Wick lange Diskussionen vorausgegangen. Jury-Mitglied Jürn Kruse von der „taz“ hat am Mittwoch einen Brief an Oliver Polak geschrieben, der auf „taz.de“ veröffentlicht wurde und sich darin von der Entscheidung distanziert: Er könne nicht verstehen, warum die Sendung unter das Motto „Gast oder Spast?“ gestellt und warum dafür zunächst mit dem Hashtag „#GastoderSpast“ geworben wurde.
„Ich will nicht den Bundesbeauftragten für Political Correctness spielen“, schreibt Kruse. „Nur: Wo war bei ‚Gast oder Spast?‘ die Pointe? Wo war überhaupt der Witz?“ Sein Vorwurf: „Das Einzige, woran Sie mit diesem Reim mitgewirkt haben, ist die Etablierung eines Jahrzehnte alten Schimpfworts gegen Menschen mit Behinderungen.“
Beiden Preisträgern sei ihre Liebe und kritische Haltung zum Medium Fernsehen gemein, so Jury-Leiterin Wick. Polak lebt dies nach Einschätzung der Jury aus, indem er die üblichen Talk-Show-Konventionen von Gastfreundlichkeit aushebelt und langweilige Gesprächspartner einfach vor die Tür setzt. Böhmermanns kritische Auseinandersetzung mit dem Fernsehen werde etwa sichtbar in seinem Coup „#verafake“, mit dem er die Hintergründe des angeblichen Reality-TVs offenlegt.
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