Es war einmal …

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Märchen und andere Geschichten bedienen bestimmte Stereotypen, z.B. das der schönen Prinzessin und des starken Prinzen. Die erste KUSS-Konferenz dieses Jahres zum Thema „Diversität“ beschäftigt sich mit Rollenklischees bezüglich Jungen und Mädchen in Märchen.

Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Aschenputtel, das von der Stiefmutter ausgenutzt wird und am Ende, dank eines verlorenen Schuhs, doch seinen Prinzen findet und damit aus der Armut herauskommt. Hinter den jahrhundertalten Geschichten verstecken sich oft genderspezifische Rollenklischees, die über Jahrhunderte hinweg den Menschen sagten, wie sie sich in der Gesellschaft zu benehmen haben. In einem Rundtischgespräch morgen Abend geht es um solche Rollenklischees, aber auch um die Frage, wie heute Märchen pädagogisch sinnvoll vermittelt werden können.

Laure Schreiner, Literaturwissenschaftlerin und Englischlehrerin, hat sich in ihrer Stage-Abschlussarbeit mit genau diesem Thema befasst. Sie analysierte drei traditionelle Märchen und wie diese auch neu geschrieben wurden. Obwohl im Text der Organisatoren zum Rundtischgespräch die Frage gestellt wird „Was ist eine Prinzessin?“, weist Schreiner erst mal darauf hin, dass die Frauen in den Märchen nicht unbedingt alle Prinzessinnen sind. Die Märchen, mit denen sie sich befasste – Rotkäppchen, Aschenputtel und Blaubart –, hätten aber eines gemeinsam: Sie handeln von Mädchen, die einen klaren Sozialisierungsprozess mitmachen. Es gibt einen Weg für die Mädchen, sie müssen das und das lernen, sich so und so benehmen, und am Ende erhalten sie eine Belohnung wie z.B. eine Heirat. Dieser Sozialisierungsprozess werde aber in den traditionellen Märchen, vor allem in denen von Charles Perrault, nicht hinterfragt.

In ihrer Arbeit habe sie sich zwar auf drei Märchen konzentriert, die seien aber nicht in dem Sinne „typisch“, dass sie alle Typen repräsentieren würden. „Das Feld ist viel zu weit, um komplett abgedeckt werden zu können.“ Sie habe sich auf drei Erzähltypen konzentriert, aber auch von denen gebe es mehrere Varianten. „Es gibt nicht nur ein Rotkäppchen, in anderen Kulturen gibt es andere Varianten des gleichen Themas.“

Rotkäppchen ist ein Mädchen, das mit dem Bösen konfrontiert wird. Da es aber nicht das getan hat, was es sollte, nämlich direkt zur Oma zu gehen, hat es den Tod der Großmutter provoziert. Anstatt sofort zu ihr zu gehen, pflückte es Blumen und erzählte dem Wolf, wo die Großmutter wohnt. Es war der Ungehorsam des Mädchens, der die Katastrophe provozierte.

Bei Blaubart setzt sich seine Frau über ein Verbot ihres Mannes hinweg: Sie durfte ein Zimmer im Schloss nicht betreten, was sie aus Neugierde aber trotzdem tut. Da sie diese Regel bricht, sollte sie mit dem Tod bestraft werden. Die Moral der Geschichte: Du sollst nicht nachforschen, sondern an deinem zugewiesenen Platz bleiben und gehorchen. Hinter den traditionellen Märchen stecke oft eine solche Moral, verbunden mit einem traditionellen Sozialisierungsprozess, erklärt Schreiner.

Übergangsriten

Trotz der verschiedenen Erzähltypen gebe es ein zentrales Element, das allen Märchen zugrunde liege. Es seien die sogenannten „rites of passage“, Riten im Leben, die den Übergang von einem Lebensabschnitt zum anderen markieren, wenn ein Kind zum Erwachsenen wird. In den Märchen durchlaufen die Heldinnen ebensolche Etappen. Sie kommen in einem sicheren Haus an, sie heiraten, sie fügen sich der Gesellschaft, sie lernten das, was sie lernen sollten.

Feministische Autorinnen wie Angela Carter und Margaret Atwood allerdings haben die Themen umgeschrieben und gezeigt, dass dieser Lehrprozess auch anders ablaufen kann. Diese „rewritings“ stellen die traditionellen Schlussfolgerungen infrage.

Am Ende ihrer Geschichten wartet z.B. kein sicheres Zuhause. Es gibt ein offenes Ende und mehrere Interpretationsmöglichkeiten. Die Protagonisten finden einen Weg, der von der gesellschaftlichen Norm abweichen kann. Die umgeschriebenen Märchen von den beiden genannten Autorinnen seien aber nicht für Kinder gedacht, da sie in puncto Sexualität manchmal sehr explizit seien, sagt Schreiner. Bei ihrer Arbeit als Lehrerin benutze sie manchmal traditionelle Märchen und fordere ihr Schüler auf, alternative Geschichten zu erzählen. Es gehe ihr darum, bei den Schülern ein Bewusstsein für Erzählformen zu schaffen, die von traditionellen Stereotypen abweichen.

Für eine andere Teilnehmerin der Diskussionsrunde, Dr. Christel Baltes-Löhr, eine Professorin der Universität Luxemburg, die sich mit Genderfragen befasst, stellt die Figur der Prinzessin auch heute noch durchaus eine Rolle dar, mit der sich Mädchen identifizieren können. Das zeige z.B. die Tatsache, dass sich viele Mädchen im Karneval für ein Prinzessinnenkostüm entscheiden würden.

Es gebe sehr wohl eine Stereotypisierung, die an die Figur der Prinzessin oder des Prinzen gebunden ist. Diese Wahrnehmung könne aber auch erweitert werden. Das habe ein Projekt aus dem Jahr 2001 gezeigt: das Marionettentheaterstück „D’Lüsterprinzessin an de Ritter Schuddereg“. Bei diesem wurde die Stereotypisierung aufgehoben, war die Prinzessin z.B. stark und mutig. Die Geschlechterrollen seien gleich verteilt gewesen. Das wäre gut bei den Kindern angekommen. Eine Studie aus den frühen 1990er-Jahren habe hingegen ergeben, dass Kinder mit einer bloßen Umkehrung der Rollen weniger anfangen können.


Märchen in Disney-Filmen

„Es war einmal eine schöne Prinzessin, die herzlich wenig zu sagen hatte und ihr Glück nur durch die Heirat mit einem starken Prinzen finden konnte.“ Dass solche altbackenen Werte und verqueren Ideale in vielen älteren Disneyfilmen vermittelt werden, ist problematisch, da Disney für viele Kinder weltweit den ersten Kontakt zu Märchen darstellt. Wie wie viel bringt es einem Kind aber heutzutage, wenn man ihm ein putzwütiges Schneewittchen präsentiert, das den lieben langen Tag nichts anderes zu tun hat, als eine Bude, die zuvor sieben schrullige Männer verwüstet haben, vom Chaos zu befreien? Was transportiert eine ebenso neurotische Reinlichkeitsfanatikerin wie Cinderella, die sich, wenn sie nicht gerade den Boden schrubbt, damit beschäftigt, einen unbequemen Schuh wiederzufinden? Belle, Jasmin und Pocahontas kommen schon etwas rebellischer daher, retten können sie sich jedoch niemals selbst. Da muss schon ein Mann her.

Mittlerweile wird sich auf wissenschaftlicher Ebene mit derartigen Inhalten auseinandergesetzt und deren pädagogischer Mehrwert hinterfragt. Véronique Vonier und Lioba Krause von der Uni Bochum beschäftigten sich beispielsweise mit dem Gendermodell in Disney-Filmen und arbeiteten heraus, dass Äußerlichkeit eine essenzielle Rolle spielen, Weiblichkeit sich unter anderem durch Romantik definiert, die gezeigten Frauen häufig unterwürfig sind und sogar Heldinnen recht passiv agieren.

Die Hauptaufgabe der Damen scheint stets darin zu bestehen, die große Liebe zu finden; denn erst durch den passenden Mann werden sie vollkommen. Letztere haben es aber auch nicht leicht, denn sie müssen unaufhörlich den Karren aus dem Dreck ziehen, dabei gut aussehen sowie Stärke und Mut beweisen, obwohl ihnen an manchen Tagen sicherlich nicht danach ist.

Außerdem müssen sie wohl zu alles eine Meinung haben, ohne wirklich Bescheid zu wissen, denn die Linguistinnen Carmen Fought und Karen Eisenhauer haben herausgefunden, dass in älteren Disney-Filmen der Redeanteil von Männern weitaus größer ist als jener der weiblichen Figuren.

Erst seit der Fusion von Pixar und Disney im Jahr 2006 verändern sich die Rollenbilder in den beliebten Kinderfilmen.

Jean Bodry
24. Januar 2018 - 13.13

Mënschen déi Mäerecher schreiwen! Erziele keng Mäerecher!

Scholnier
24. Januar 2018 - 8.25

Unsere heutige Gesellschaft scheint ohne Schind, in jeder Suppe ein anderes Haar.Lassen wir die Märchen Märchen sein, erschaffen in einer anderen Zeit, anderen Vorstellungen. Wie können wir uns anmaßen das erschaffene Kulturgut anderer Epochen so zu schmählern. Karl May einst von jedem Jugendlichen gelesen, hebt in allen Bänden die christliche Wertschätzung hoch, seine Einstellung entspricht nicht unbedingt heutigen Werten, obschon liest man ihn heute, wird einem bewusst welche Kompexität Religionen, Menschen damals wie heute hatten,haben. May hat zig Jugendliche begeistert, trotz Diversitäten seiner religiösen Ansichten, der Mensch, das Gute stand immer im Mittelpunkt seines Schreibens. Der Bogen von May zu den Märchen, liegt darin ,es geht immer um das Gute, das Böse , wenn auch oft in eigensinniger Art aus heutiger Sicht verfasst.Lassen wir das Kulturschaffen vergangener Epochen so wie es ist, unsere heutigen Schriftsteller können es besser machen.