Erziehung durch Kultur

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Die Schule wieder verstärkt mit der Kultur verknüpfen – und den Künstlern eine Plattform bieten, um sich auf eine transparente Art und Weise ins Schulwesen einzubringen: Die Plattform Kulturama soll dies ermöglichen. Und damit auch einen Großteil der pädagogischen Problematiken, die im Rahmen eines Kulturentwicklungsplanes für Luxemburg in den letzten zwei Jahren aufgekommen sind, lösen. Wir haben uns mit Luc Belling, dem kreativen Kopf hinter dem Projekt, unterhalten.

Eines der Hauptanliegen der ersten „Assises culturelles“ im Jahre 2016 bestand im Problem, dass Kultur und Schule nicht ausreichend zusammenarbeiten. Viele Luxemburger Schüler – vielleicht sogar Lehrer – wissen erst gar nicht, welche und wie viele Schriftsteller, Schauspieler oder bildende Künstler es hierzulande gibt. Weil ihnen im Schulprogramm oftmals gar kein Platz eingeräumt wird. Weil wir in einem Land leben, in dem selbst der Kulturminister die Vornamen der Helminger-Brüder verwechselt. Mit der Plattform kulturama.lu soll nun vieles anders werden – und dem Lehrpersonal zumindest die Möglichkeit geboten werden, die Symbiose mit der hiesigen Kulturszene zu suchen.

„Es wäre falsch, zu behaupten, es hätte bisher keine Kultur in den Schulen gegeben. Seit jeher werden Künstler in Schulen eingeladen – seit jeher besichtigen Schulklassen Kultur- und Theaterhäuser oder Museen. Die Aufgabe des Ministeriums war es nun, diesen Prozess transparenter, zugänglicher zu gestalten und ihn größer aufzustellen – damit die Wechselbeziehung von Kultur und Schule mit mehr Methode funktionieren kann. Es geht uns um Kulturvermittlung, darum, die zwei Welten – Kultur und Erziehung – zusammenzubringen. Ziel ist es auch, dass in den Schulen verstärkt luxemburgische Künstler eingeladen sind. Mit dem Schwerpunkt auf ‚luxemburgisch‘ – weil wir sehr viele talentierte Kunstschaffende in allen möglichen Bereichen haben. Und diese Talente fördern möchten.“

Luc Belling arbeitet in der „Division de la coordination d’initiatives et de programmes pédagogiques“ des Script („Service de coordination de la recherche et de l’innovation pédagogiques et technologiques“). Zwar benötigt man, wie Sie gerade erfahren haben, ein paar Zeilen, um die genaue Funktion dieses Mannes korrekt auszuschreiben, Luc Belling formuliert die Ideen hinter seinem Projekt dafür aber schnörkellos und ohne unnötigen administrativen Jargon.

„Das Projekt hat eigentlich zwei Hauptanliegen: Einerseits geht es darum, die Schule verstärkt ins Kulturmilieu zu bringen, andererseits soll die Kultur auch verstärkt und transparenter in Schulprojekte mit eingebunden werden. Wir haben sämtliche Kulturhäuser, Museen, Theaterhäuser angeschrieben, ihnen das Projekt vorgestellt und gefragt, wer mitwirken möchte. Prinzipiell stellt sich das Kulturhaus auf der Internetseite vor, gibt eine Kontaktperson für das Lehrpersonal an, führt in sein Programm ein und erklärt, welche Aktivitäten das Haus für Kinder und Jugendliche anbietet. Konkret sieht das so aus: Auf einer digitalen Karte von Luxemburg kann man mithilfe einer Suchmaschine ganz präzise herausfiltern, welche kulturelle Aktivität man für welche Klasse sucht. Die Internetseite ist keineswegs dem Lehrpersonal vorbehalten – jeder kann sie aufrufen.“

Die Idee kam Luc Belling, weil es im Bildungswesen immer wieder hieß, man würde ja gerne verstärkt Museenbesichtigungen oder Lesungen mit der Klasse machen, man wisse aber oftmals gar nicht, was es im Angebot gäbe und wen man eigentlich ansprechen müsse. „Um dies zu bewerkstelligen und zu vereinfachen, arbeiten wir mit plurio.net zusammen. Dort findet man das gesamte Kulturangebot der Großregion. Wir filtern dann heraus, was für Kinder und Jugendliche geeignet ist.“ Ein weiterer Vorteil ist, dass jedes eingeschriebene Kulturhaus ein Log-in bekommt – es liegt dann an der jeweiligen Institution, die Updates durchzuführen.

„In einer zweiten Instanz“, so Belling, „können Künstler in den kommenden Wochen zwei Formulare ausfüllen, auf dem sie vorerst ein künstlerisches Profil erstellen, welches das Lehrpersonal dann abrufen kann, um sich zu entscheiden, welches Profil für welches Projekt am geeignetsten ist. Eine Bedingung ist, dass der Lehrer zu jedem Zeitpunkt im Klassenraum dabei ist – weil das Know-how der beiden benötigt wird. Das Projekt wird anschließend zusammen ausgearbeitet.

Nach dem gemeinsamen Projekt soll auch ein Feedbackzettel ausgefüllt werden, um etwaige Probleme hervorzuheben oder aber die gelungene Zusammenarbeit zu loben – und zu zeigen, welche Art von Projekten überhaupt machbar sind. Diese Feedbacks werden auch in das Profil der Künstler aufgenommen, so dass diese sich im Laufe der Zeit so etwas wie ein Portfolio erstellen können. Dies erlaubt uns zudem, irgendwann festzustellen, wenn eine Zusammenarbeit nicht geklappt hat und herauszufinden, wieso dies der Fall war.“

Talente fördern

Ein bisschen so, wie man seinen Über-Chauffeur nachher bewertet? Oder sich auf einer Dating-App Profile anschaut? Luc Belling schmunzelt, bejaht kurz und fügt hinzu, dass man aber auf keinen Fall auf Sternchen oder numerische Ratings zurückgreifen wollte. Die Auswahlkriterien sind folgende: Es wird überprüft, ob die angemeldete Person hauptberuflich als Künstler tätig ist, ob der Künstler über eine Ausbildung in seinem Tätigkeitsbereich verfügt und ob die Person schon in Schulprojekte involviert war.

„Natürlich hat jede Sparte ihre eigenen Spezifitäten – ein Schauspieler hat meist eine Ausbildung, ein Theaterpädagoge hat seinen Job akademisch erlernt, ein Schriftsteller hat hierzulande meistens weder das eine noch das andere, hat aber vielleicht mehr Erfahrung mit schulischen Besuchen. Weswegen wir die Auswahlkriterien ziemlich breit aufgestellt haben. Es geht hauptsächlich darum, in seinem Bereich genug erreicht zu haben, um für ein schulisches Projekt interessant zu sein.“

Für die verschiedenen Projekte sieht Luc Belling eine überaus große Palette an Möglichkeiten: „Das geht von Schreibprojekten, in denen ein Schriftsteller für zwei Stunden in die Klassen kommt, bis hin zu einem Theaterprojekt, in welches z.B. Schriftsteller, Schauspieler oder Theaterpädagogen involviert sind. Sogar ein Projekt, in das die gesamte Schule impliziert ist – z.B. ein Musical –, ist durchaus vorstellbar. Man muss natürlich nur abwiegen, ob es besser ist, ein großes, teures Projekt oder mehrere kleinere Projekte zu finanzieren.

Bei dem zweiten auszufüllenden Formular handelt es sich um eine Bereitschaftserklärung: „Hier gilt es, sich mit dem universalen Tarif von 90 Euro (ohne Mehrwertsteuer) pro Schulstunde einverstanden zu erklären. Und bei einer Ausbildung von vier Stunden mitzuwirken. Uns geht es nicht darum, aus dem Künstler einen Pädagogen zu machen. Wir möchten ihn nur auf die Arbeit mit Schulklassen vorbereiten.“

Zur Zusammenarbeit des Erziehungs- und Kulturministeriums hinsichtlich des Kulturentwicklungsplans hat uns Luc Belling verraten, dass das Projekt zwar eine Initiative des Script, der immer schon Kulturförderung in den Schulen vereinzelt unterstützt hat, wäre. „Als ich aber in der interministeriellen Arbeitsgruppe für Kultur und Erziehung, in der ich der Erziehungsvertreter bin, preisgab, dass wir dieses Projekt entwickeln möchten, hat das Kulturministerium sofort Interesse gezeigt – eben gerade, weil es im Rahmen der ‚Assises culturelles‘ Vorwürfe gab, die Zusammenarbeit zwischen Schule und Kultur würde sich oft auf Eigeninitiativen beschränken. Als wir dann nach einem gemeinsamen Zeitplan geschaut haben, wurden wir uns schnell einig: Wir wollten das Projekt für die Rentrée anbieten. Dem Kulturministerium passte dies auch, weil am Ende dieses Schuljahres der Kulturentwicklungsplan vorgestellt werden soll. Mit dem Kulturministerium waren wir schnell einverstanden, dass das Projekt am geringen Budget vieler Schulen scheitern könnte – weshalb jedes der beiden implizierten Ministerien 50 Prozent finanziert. Es handelt sich dabei um eine Summe von 50.000 Euro für das erste Jahr. Dies ist wohlgemerkt eine Testphase: Ist das Budget im nächsten Januar schon ausgeschöpft, wäre dies natürlich ein perfektes Mittel, um auf politischer Ebene für das folgende Schuljahr mehr Geld zu beantragen. Wir hoffen natürlich, dass die verschiedenen Schulen eventuell dann zusätzlich auf das eigene Budget zurückgreifen, damit für die Künstler eventuell mehr rausspringt oder noch mehr Projekte ins Leben gerufen werden. Auf den ‚Assises culturelles‘ wird das Projekt nochmal vom Kulturministerium vorgestellt – und wir bieten unsererseits am Vortag eine ‚Journée de l’éducation culturelle‘, auf der es Workshops geben wird. Dort kann das Lehrpersonal schon einige Ideen für mögliche Projekte sammeln. Definitiv online gestellt werden soll Kulturama in der Woche vor den ‚Assises culturelles‘, die am 30. Juni stattfinden – wir wollten mit unserer Pressekonferenz am Mittwoch eine Art ‚Call for Artists‘ machen, damit sich die Künstler in den nächsten sechs Wochen einschreiben können. Was ab nun auf kulturama.lu möglich ist.