Eine Reise an die Grenzen des Bildes

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Vergangenes Wochenende begann im Casino die Ausstellung „Décrire le reste“, eine monografische Retrospektive des französischen Künstlerpaares Anne Marie Jugnet und Alain Clairet. Zu sehen sind Werke, die erst durch das Kennen ihrer Entstehungs geschichte ihre volle Wirkung beim Betrachter entfalten. Janina Strötgen

Im Grunde genommen folgen Jugnet und Clairet exakt dem klassischen Kunstideal, die Natur wirklichkeitsgetreu nachzuahmen. Doch das Besondere ihrer Mimesis besteht darin, dass es ihnen nicht darum geht, die äußere Gestalt der Dinge abzubilden, sondern ihre Struktur zu rekonstruieren.
Sie befinden sich also mit ihrer Kunst im platonischen Reich der Ideen an der Essenz des Physischen. Dabei legen sie sich nicht auf ein Ausdrucksmittel fest, ihr Werk umfasst Gemälde, Aquarelle, Videos und Skulpturen.

Ins Unermessliche vergrößert

Ausgangspunkt ihrer Bildserie „Aliens“, die im Untergeschoss des Casinos ausgestellt ist, ist eine Fernsehsendung über außerirdisches Leben.
Jugnet und Clairet waren fasziniert von dem grauschwarzen Bild, in dem manche eine fliegende Untertasse zu sehen glaubten. Die Künstler amüsierten sich damit, das Bild auf dem Fernseher abzufotografieren und mit Hilfe eines Computerprogramms ins Unermessliche zu vergrößern. Dadurch entwickelten sich die grauschwarzen Pixel in Farben und Formen. Neben das ursprünglich erahnbare UFO sind nun Figuren hinzugekommen, die an die Bewohner des Weltalls, an außerirdische Wesen erinnern.
In den schwarzen Pixeln verstecken sich mehr Informationen, als beim Betrachten des Bildschirms in Originalgröße anzunehmen war. Diese Informationen sind es, die die Künstler nun in ein eigenständiges Kunstwerk verwandeln. Sie malen Farbe für Farbe die verschiedenen Formen und Schichten aus und bilden so das durch die Vergrößerung und Bearbeitung Hervorgebrachte realitätstreu nach. Ihr künstlerischer Freiraum besteht allein in der Auswahl des Bildausschnittes und in der Festlegung der Hintergrundfarbe.
Die Künstler vergleichen sich mit Fischern, die versuchen Informationen zu fangen, die sonst verschwänden. Dadurch, dass sie jedoch nicht nur abbilden, sondern sie mit unterschiedlichen Techniken bearbeiten und vergrößern, sehen sie sich als Hochseefischer, die in den tiefsten Schichten eines Ozeans fischen. Je tiefer sie gehen, desto größer werden die Zeichen.

Himmlische Variationen

Das Besondere an ihren Werken ist, dass ihre Kunst oft dort beginnt, wo es eigentlich nichts mehr zu sehen gibt, wie beispielsweise dem weißen, in der Mitte des Bildschirms für Bruchteile einer Sekunde auftretenden Punkt, der mit dem Ausschalten des Apparates auftritt und für gewöhnliche Fernsehkonsumenten die Betrachtung des Monitors abschließt.
Bei Jugnet und Clairet ist es jedoch der Beginn ihres Werkes, der durch den Einsatz von Software und unterschiedlichen Techniken vollendet wird. Ergebnis sind entweder schwarze oder weiße, metergroße Leinwände, mit einem durch die Vergrößerung blaufarbigen und schichtenreichen Ball in der Mitte.
Auch bei anderen vom Bildschirm abfotografierten Motiven richtet sich ihr Augenmerk nicht auf das Zentrum des Monitors, sondern auf die Peripherie, deren medialer Informationsgehalt gering ist, und so bleibt der Fokus nicht der Mittelpunkt des Bildes, sondern transferiert den Rand zum Mittelpunkt des Besonderen.
Mittlerweile siedelten Jugnet und Clairet nach Santa Fe, New Mexico um und mit ihrem Umzug von Europa nach Amerika hat sich auch ihr Motivbild geändert. Anstelle von technikbasierten Bildschirmdarstellungen wurde dort der Himmel ihr neuer Bildschirm, dessen Abbildungen mit Sonnenuntergängen und Wolken in der oberen Etage des Casinos zu betrachten sind. Den Reiz ihrer neuen Arbeiten begründet das Künstlerpaar mit der Faszination der himmlischen Variationen und der daraus resultierenden Möglichkeiten, Farben mit Hilfe von Sonnenuntergängen und Formen mit Hilfe von Wolken neue Ausdruckskraft zu verleihen. 

Bis zum 7. Dezember
im Casino – Forum d’art contemporain
(41, rue Notre-Dame)
zu sehen.
Öffnungszeiten:
Mo, Mi, Fr: 11 bis 19 Uhr,
Do: 11 bis 20 Uhr,
Sa, So: 11 bis 18 Uhr
Internet:
www.casino-luxembourg.lu