„Eine Plattform für unser Können“

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Ab Donnerstagabend läuft die achte Ausgabe des Luxemburger Filmfestivals. Trotz seiner gewollt politischen, direkten Anbindung an die Aktualität bietet das Festival unter der Rubrik „Made in Luxembourg“ traditionell auch der Luxemburger Filmindustrie immer wieder eine Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Talente unter Beweis zu stellen. Das bestätigte auch Nicolas Steil, Chef der Produktionsgesellschaft „Iris Production“, vor seinem Abflug nach Berlin.

Zur Person

Der am 2. Januar 1961 geborene Nicolas Steil hat erste berufliche Erfahrungen in der geschriebenen Presse gemacht, bevor er 1983 ins Fernsehgeschäft wechselte. Hier war er zuerst Moderator, später Regisseur und Produzent von Dokumentarfilmen. 1986 gründete er „Iris Productions“, 1988 rief er die Vereinigung der Luxemburger Filmproduzenten ins Leben. 1991 ging er zum Medienportal der Europäischen Union, Euro AIM, das die unabhängigen Produzenten unterstützt. 1997 kehrte er nach Luxemburg zurück, brachte seine Firma wieder auf Trab und produziert seither Spiel- und Dokumentarfilme, bis heute etwa 20. Gleichzeitig wurde er Generalsekretär der Union der Luxemburger Produzenten. Nicolas Steil war zeitweilig auch als Theaterregisseur und Drehbuchautor aktiv.

Tageblatt: Mit großen Filmfestspielen wie Berlin oder Cannes kann sich das „Luxembourg City Film Festival“ kaum vergleichen. Wie schätzen Sie als Produzent seinen heutigen Stellenwert ein?

Nicolas Steil: Das Festival hat sich in den letzten Jahren extrem gut entwickelt und zieht mittlerweile viele sehr interessante Leute nach Luxemburg. Dadurch lernen wir wiederum interessante Projekte kennen und können uns mit deren Urhebern austauschen beziehungsweise auch mit ihnen arbeiten.

Darüber hinaus ist das Festival eine ideale Plattform für unsere Produktionen, die entweder im offiziellen Wettbewerb oder unter der Rubrik „Made in/with Luxembourg“ gezeigt werden. Umgekehrt bietet sich auf so einem Festival immer die Möglichkeit, internationale Werke zu sehen und sie mit den eigenen zu vergleichen. Dadurch können wir nur dazulernen und uns verbessern.

Auch die mediale Aufmerksamkeit ist uns wichtig, durch die breite, internationale Berichterstattung über das Festival kommt unsere Arbeit zur Geltung. Genau das ist die Rolle eines Festivals.

Es gibt allein in Europa eine beeindruckende Anzahl von kleinen und großen, politischen oder thematischen Filmfestspielen. Wo reiht sich das Luxembourg City Film Festival ein?

Es ist ein wenig wie beim Sport. In der A-Liga spielen die Großen, also Berlin, Cannes oder Venedig. Luxemburg hat es mittlerweile bis in die B-Liga geschafft. Diese Klassierung bestimmt der internationale Verband der Filmproduzenten. Das ist eine beachtliche Position, die das Festival seiner hervorragenden Organisation und Besetzung, aber auch den steigenden Zuschauerzahlen verdankt. Das Interesse eines so ausgesuchten Publikums wie das des Festivals ist wichtig für unsere Filme. Auch das ist wiederum eine Frage der Sichtbarkeit.

Zum Stichwort Publikum: Sie haben bei unserem Gespräch auf den Filmfestspielen in Cannes gesagt, der Kinobesucher stehe in erster Linie auf Blockbusters und sehe sich anspruchsvolle Autorenfilme lieber auf einem alternativen, zweiten Schirm zuhause an. Steht eine solche Behauptung nicht im Widerspruch zu einem Event wie dem Filmfestival?

Sie ist leider immer noch richtig. Die vielen Bildschirme, die uns zur Verfügung stehen, haben unseren Filmkonsum grundlegend verändert. Die Qualität eines Mobiltelefons ist mittlerweile so gut, dass man sich problemlos darauf einen Film ansehen kann. Das gilt auch für den Computer oder den Fernseher. Im Kino schaut sich der Liebhaber deshalb vorwiegend „Event-Movies“ oder hochwertige Filme wie „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ an. Alle anderen Werke bleiben nicht lange im Kinoprogramm. Mit dieser technologischen und gesellschaftlichen Revolution müssen wir Produzenten leben.

Und doch glauben Sie noch immer an den Film. Wie sonst erklären Sie Ihre „Bad Banks“-Serie, die in Berlin gezeigt wurde, die auch beim Filmfestival läuft, bevor sie bei Arte und im ZDF programmiert ist?

Das ist in meinen Augen die Alternative, die Antwort auf die vorhin angesprochenen Änderungen. Die Serie wurde gedreht wie ein Kinofilm, auf einem sehr hohen Niveau. Es ist natürlich ein Genuss, sie auf einer Großleinwand erleben zu können, selbst wenn die meisten Leute sie wohl – hoffentlich – im Fernsehen sehen werden. Auch kostenmäßig kommt sie mit 1,4 Millionen Euro pro Serie (50 Minuten; Anm.d.Red.) auf den Preis eines Kinofilms. Sie ist aber auch so konzipiert, dass sie in mehreren Sprachen gezeigt werden kann. Zurzeit verhandeln wir mit einer russischen Republik, um sie dorthin zu verkaufen. So gesehen zeigt das Festival auch die Entwicklung des Filmgeschäfts auf. Das neue Format der Serien ist ein Teil dieses Fortschritts. Um weiter zu bestehen, muss das Luxemburger Filmgeschäft sein fachliches Know-how auf dieses neue Format übertragen. Da müssen alle mitarbeiten.

Sie haben auch noch die dokumentarische Serie „18 – Krieg der Träume“ in Arbeit. Wie weit ist diese vorangeschritten?

Es ist ein Projekt, in dem wir das Schicksal von 14 Leuten aus der Zeit von 1918 bis 1939 erzählen und dabei ganz besonders die gesellschaftliche Entwicklung beobachten (lacht). Angesichts des Datums wäre es ja gut, wenn sie rechtzeitig herauskommen würde. Das ist im Herbst der Fall. Die Serie ist eine Vermischung von Fiktion und historischen Zeitdokumenten, ein Konzept, an das ich sehr stark glaube und das dadurch bestätigt wird, dass nicht weniger als 18 Fernsehsender und Sendeanstalten Interesse angemeldet haben. Wir haben deshalb verschiedene Fassungen vorgesehen.

Stichwort neue Formate und Weiterentwicklung: Das Festival setzt neben den Filmen sehr stark auf die virtuelle Realität und deren Entwicklung. Der Filmfonds hat hier auch schon Partnerschaften geschlossen und unterstützt entsprechende Projekte. Wie stehen Sie zu dieser Etappe Ihres Geschäftes?

Diese Technologie wird sich noch weiterentwickeln. Schauen Sie sich nur den Hype mit den Selfies an. Das moderne Publikum will nicht länger nur zuschauen, sondern mitmachen und mitreden. Dafür wurden Konzepte entwickelt, mit denen der Zuschauer direkt ins Filmgeschehen eingreifen kann, indem er Türen öffnen oder sonst wie aktiv werden kann.
Es gibt auch die vermischte virtuelle Realität, wo man durch die Brille nicht nur den Film verfolgt, sondern gleichzeitig auch noch seine Umwelt im Blick hat. Die modernen Formate sind eine hoch entwickelte Vermischung von Videospielen, Animation und 3D. Das ist nicht nur für den meist jungen Verbraucher interessant, sondern öffnet dem Filmland Luxemburg auch noch eine ganze Reihe berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Wir waren stets ein Vorreiter in Sachen Zeichentrickfilm, wir sollten auch den nächsten Zug nicht verpassen und uns in die Ausarbeitung der Spezialeffekte genauso reinhängen. Darin liegt die Zukunft.