Ein Theater im Umbruch

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Raymond Weber, neuer Präsident des Kasemattentheaters, plagt die Ungewissheit. Wie sieht sie aus, die Zukunft der in Luxemburg ansässigen Theater? / Emile Hengen

Werden angesichts der Finanzkrise staatliche Fördergelder gesenkt? Wird die Öffentlichkeit auf den von den Programmgestaltern des Kasemattentheaters aufgestellten Spielplan der anstehenden Saison 2009/2010 anspringen?

Doch Germain Wagner, künstlerischer Leiter des Schauspielhauses, gab im Rahmen der gestrigen Pressekonferenz, auf der der ausführliche Spielplan der neuen Saison vorgestellt wurde, Entwarnung. „Unsere Ambitionen, aus unserem Haus ein literarisches Theater zu gestalten, haben wir durchgesetzt. Große Produktionen waren gut besucht und unser primäres Ziel, luxemburgische Schauspieler und Regisseure mit bedeutenden Akteuren aus dem deutschsprachigen Sprachraum zusammenzuführen, ist uns geglückt.“

Theater „Eigenreich“

Und in der Tat tragen Germain Wagners Bemühungen, kulturellen Austausch zu fördern, erste Früchte. Die Zusammenarbeit mit dem hoch geschätzten Berliner Theater „Eigenreich“ wird auch in dieser Saison fortgesetzt. Um welches Stück es sich bei dieser Koproduktion handelt, stand am Tag der Pressekonferenz allerdings noch nicht fest.
Für die am kommenden Montag angesetzte erste Inszenierung der Saison, „Dantons Tod“ von Georg Büchner, holte der künstlerische Leiter des Hauses den aufstrebenden Regisseur Dominique Schnitzer aus Österreich nach Luxemburg.
Seit mehreren Wochen arbeitet der 29-Jährige nun in Luxemburg und zeigt sich über die schauspielerischen Qualitäten seiner Schauspieler sichtlich überrascht. „Eugénie Anselin ist hochbegabt und ich bin davon überzeugt, dass wir von ihr noch viel zu sehen bekommen“, gesteht der Regisseur ein. Büchners Drama in vier Akten, das eigentlich für etwa 20 Schauspieler konzipiert ist, wird im Kasemattentheater in einer abgeänderten Fassung von Claudia Romeder und Dominique Schnitzer mit fünf Personen aufgeführt.
„Fünf reichen vollkommen aus, um die Geschichte von Dantons Tod zu erzählen“, verdeutlicht Dominique Schnitzer. Der Inhalt des Stücks, das für die Uraufführung am Montagabend längst ausverkauft ist, ist schnell erzählt: „Das einzige, was wir von der Geschichte lernen können, ist, dass niemand jemals etwas aus der Geschichte lernt.“ Büchners „Dantons Tod“ handelt von Umwälzungen, vom „Umsturz der Verhältnisse, der von dem tiefen Sehnen nach mehr Freiheit und Gerechtigkeit geprägt ist“. Doch auch die Revolution mag ihre Schattenseite haben, vor allem dann, wenn sie als Vorwand zur Aufrechterhaltung der erlangten Macht dient, geprägt von Unterdrückung, Hinterlistigkeit und Bosheit.

Leseabende

„Das Thema ’Revolution’“, so Germain Wagner, „zieht sich wie ein roter Leitfaden durch den Spielplan der neuen Saison.“ Mit ihren Auswirkungen befassen sich auch die beiden Nachwuchsautoren Luc Spada und Carmen Wegge sowie die Regisseurin Anne Simon, die im Frühling des kommenden Jahrs Falk Richters „Kult.“ inszeniert.
Wahrhafte Publikumsmagneten der vergangenen Saison waren zweifelsohne die Lesungen, die vom Kasemattentheater veranstaltet wurden. Grund genug, die Reihe fortzusetzen und bereits Gelesenes wieder ins Programmheft aufzunehmen. Gerade rechtzeitig zum frostigen Wintereinbruch lesen Marc Limpach und Germain Wagner erneut aus Tucholskys und Kafkas verzagtem Briefwechsel und André Jung diktiert im Monat Januar aus Roths „Legende vom Heiligen Trinker“. Vollends in Szene gesetzt wird Fernando Pessoas, Portugals bedeutendster Lyriker der „Saudade“, rhetorisches Meisterwerk „Ein anarchistischer Bankier“, ein pointiertes, sarkastisches Spiel mit der deduktiven Logik. Mittels spitzfindigen Argumenten und verblüffenden Schlussfolgerungen begründet ein wohlhabender Bankier, wieso er sich für einen konsequenten Anarchisten hält. Neben seinen eigenen Produktionen bietet das Kasemattentheater aber auch Gastspiele. Zwar waren diese in der vergangenen Saison eher mager besucht, doch wie das „Théâtre du Centaure“, das bei Produktionen, die ausschließlich von ausländischen Schauspielern besetzt sind, ebenfalls über leere Zuschauerränge klagte, halten die Verantwortlichen des Bonneweger Theaters an diesem Konzept fest. „Sie sind für die Qualität und Bereicherung unserer Hauses unumgänglich“, erklärt Germain Wagner, der seinen persönlichen Höhepunkt der Saison in Volker Gerlings betörendem und poetischem „Daumenkino“ sieht.
Mit großen Namen aus der internationalen Theaterszene mag das Kasemattentheater zwar nicht auftrumpfen, doch es besticht mit beachtenswerten Produktionen und legt eine ungemein faszinierende Sensibilität für die literarischen Werke der wohl bedeutendsten Schriftsteller der Weltliteratur an den Tag. Man denke nur an Kafka, Büchner oder aber an den portugiesischen Futuristen Pessoa.

Kasemattentheater
Saison 2009/2010
14, rue du Puits
L-2355 Luxembourg
Reservierung:
Tel.: (+352) 291281
info@kasemattentheater.lu
www.kasemattentheater.lu

Georg Büchner
Dantons Tod
Am 30. Sept. um 20 Uhr
Am 3., 7., 9., 10., 11., 14. und
17. Okt. um 20 Uhr
Die Premiere am Montag
ist ausverkauft