/ „Ein Tattoostudio ist keine Crackbude!“
„Tageblatt“: Als Tätowiererin üben Sie einen ungewöhnlichen, oftmals auch verpönten Beruf aus. Wie reagierte Ihr Umfeld auf Ihre Entscheidung, Tattoos stechen zu wollen?
Sandra Biewers: „Lediglich meine Lehrer am Gymnasium waren über meinen Entschluss empört und versuchten mich zu einem ’ordentlichen’ Studium zu drängen. Doch für mich war immer klar, dass ich im Kreativen arbeiten und mich niemals in ein Büro einsperren lassen möchte.
Meine engsten Freunde und Familie unterstützen mich, wo sie nur können. Ich glaube, das liegt daran, weil sie für sich selbst herausgefunden haben, dass dieser Job schon längst nicht mehr mit ’Crackbuden’ zu assoziieren ist.“
„T“: Sind demzufolge Tätowierungen salonfähig geworden?
S.B.: „Fast jeder trägt eins. Selbst diejenigen, die es nie zugeben würden. (schmunzelt) Tattoos sind wieder in Mode. Dies ist deutlich an allen Promis zu erkennen, die ihre Tattoos öffentlich zur Schau tragen. Alle kommen zu uns: von dem Mädchen, das gerade 18 geworden ist bis hin zum 70-jährigen Opa, der sich einen Anker stechen lassen möchte.“
„T“: Wann genau entfachte Ihre Leidenschaft für Tattoos?
S.B.: „Schwer zu sagen. Seit jeher fasziniere ich mich für Piercings und Tätowierungen und zeichne für mein Leben gern! Eines Tages fing ich an, in dem Studio, wo ich heute arbeite, zu jobben.
Die Inhaber des Studios waren von meinen Zeichnungen, die ich ihnen vorlegte, so angetan, dass sie eines Tages auf mich zukamen und mich fragten, ob ich bei ihnen eine Lehre mit Ausblick auf eine feste Stelle beginnen möchte. Es war aber ’nie’ wirklich mein Wunsch, als Tätowiererin zu arbeiten. Im Laufe der Jahre bin ich nach und nach in diesen Beruf hineingeschlittert, was kaum verwunderlich ist, gerade weil ich bereits neben der Schule dort arbeitete und meine ersten Tattoos an Freunden stach.“
„T:“ Erinnern Sie sich an Ihre erste Tätowierung, die sie gestochen haben?
S.B.: (lächelt) „So was vergisst man nicht! Es handelte sich um eine Ausbesserung sprich Verschönerung, eines bereits vorhandenen Tattoos.“
„T“: Was fasziniert Sie so am Tätowieren?
S.B.: „Die enge Verbindung zwischen mir und meinen Klienten. Immerhin wählt dich jemand persönlich aus, um einen sehr einschneidenden Eingriff vorzunehmen. Denn das Tattoo tragen sie ja ihr Leben lang!“
„T“: Wie würden Sie das optimale Verhältnis zwischen Tätowierer und Kunden beschreiben?
S.B.: „Es muss intim sein! Das Verhältnis zwischen mir und meinen Kunden ist ein Verhältnis des Vertrauens und des Aufbaus einer Sympathie. So passe ich mich stets meinen Kunden an, höre auf deren Körper, auf deren Atemrhythmus … So werden die Schmerzen erträglicher.
Wenn ich gefragt werde, wo man sich tätowieren lassen kann, dann kann ich dieser Person immer nur raten, dass sie sich verschiedene Tätowierer ansieht und sich erst dann entscheidet. Jeder sollte zu dem Tätowierer gehen, der einem am sympathischsten erscheint. Denn dort, wo Sympathie und Vertrauen im Spiel sind, gelingt auch die Tätowierung.“
„T“: Was sind die Gefahren beim Tätowieren?
S.B.: „Gefahren gibt es nicht wirklich welche. Es ist von großer Notwendigkeit, dass der Kunde sein Tattoo ordnungsgemäß pflegt, damit die Wunde nicht entzündet. Ferner sollte sich jeder ein Studio aussuchen, das sämtliche hygienischen Vorsichtsmaßnahmen einhält. Nur so können Infektionen vermieden werden.
Ein Risiko besteht lediglich für die Tätowierer. Es kann immer passieren, dass er mit der Nadel ausrutscht, sich selbst sticht und tödliche Krankheiten wie HIV erwischt. Mit jedem Tattoo, das wir stechen, riskieren wir unser eigenes Leben.“
„T“: Wie können Sie sich schützen?
S.B.: „Indem wir von Kunden, die nicht gesund oder vertrauenswürdig aussehen, ein HIV- und Hepatitis-Test verlangen. Falls der Test positiv ist oder immer noch Zweifel bestehen, lehnen wir das Tätowieren ab.“
„T“: Was macht für Sie ein gelungenes Tattoo aus?
S.B.: „Präzise Linien, klare Schattierungen und eine harmonische Anordnung der Motive.“
„T“: Haben Sie ein bevorzugtes Motiv?
S.B.: „Mich persönlich reizen abstrakte Tätowierungen, bei denen nicht wirklich Motive zu erkennen sind.“
„T:“ Tätowierungen als abstrakteKunst?
S.B.: „Nicht alle Tätowierungen sind Kunst, so wie auch nicht jedes Gemälde ein Kunstobjekt sein kann. Doch man benötigt schon eine gewisse künstlerische Begabung, um sie überhaupt stechen und mit der Nadel kunstvoll arbeiten zu können.
Hat man aber ein künstlerisches Motiv vorliegen, so handelt es sich auch bei Tattoos um eine wahrhafte Form der Kunst. Habe ich zum Beispiel einen ganzen Arm oder Rücken zur Verfügung, an dem ich arbeiten kann, so kann schon etwas Einzigartiges entstehen.
Und genau das bezeichne ich als Kunst.“
„T“: Geben Sie Ihren Kunden Ratschläge?
S.B.: „Bei jedem Tattoo sollte es sich um eine eigene Entscheidung handeln. Wenn man sich tätowieren lassen will, sollte man sich sein Motiv wohl überlegt heraussuchen. Ferner raten wir Kunden davon ab, sich den Namen ihres Liebsten tätowieren zu lassen. Denn oft kommen sie nach wenigen Wochen wieder, um sich das Tattoo entfernen zu lassen. Und das kann eine sehr schmerzhafte und teuere Angelegenheit werden. Ein Tattoo sollte immer eine persönliche Bedeutung haben.
Es soll ein Zeuge der Zeit sein, an die man sich auf ’diese’ ganz besondere Art und Weise für alle Ewigkeit erinnern mag. Alles andere ist meines Erachtens schwachsinnig. Wenn ein Freund eine Tattoo hat, sollte man es nicht gleich nachmachen, nur weil er eins hat oder es gerade wieder im Trend liegt.“
„T“: Wie gestalten Sie Ihre Freizeit?
S.B.: „Mit Kunst! Neben dem Tätowieren arbeite ich an meiner eigenen Modekollektion ’Fragnolia’, die aus allen möglichen Accessoires besteht.
In naher Zukunft mag ich in Richtung Innendesign gehen, Möbel verzieren und ganze Wohnungen verschönern.“
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