Ein Film voller „ruhiger Nervosität“

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Die luxemburgische Produktionsfirma Minotaurus lädt ein. Nach Ettelbrück, zur Besichtigung des Drehortes ihres neuen Films „Mappamundi“, der 2011 erscheinen und von „kosmonautischen Kartographen“, 950 Millionen Jahren Kontinentalverschiebung, der menschlichen Migrationsgeschichte, kurz dem Wandel der Welt handeln soll ... Erster Eindruck: Da hat jemand viel vor.

Dan Kolber

Dieser jemand ist die in Luxemburg geborene, international anerkannte Regisseurin Bady Minck , die 2003 ihren Film „Am Anfang war der Blick“ bereits auf dem internationalen Filmfestival in Cannes vorstellen durfte.

Bady Minck, eine Regisseurin, die gerne provoziert, experimentiert und keine herkömmlichen Filme produzieren will, möchte nun mit diesem Projekt „Mappamundi“ in einen völlig neuen Bereich eindringen und „etwas vorher nicht Dagewesenes“ filmisch verarbeiten. Denn, so meint die Regisseurin: „Warum noch zwei Liebesfilme drehen? Warum nicht etwas Neues wagen?“

Und das tut sie. Mit großen Schritten wendet sich Frau Minck von der Thematik altbackener Liebesgeschichten ab, hin zum Versuch einer von der Wissenschaft getragenen, neuen Darstellung der Entwicklung des Menschen auf der Erde, und der Entwicklung dieser Erde selbst.

Eine Erde, die, unabhängig vom Menschen, selbst ständig im Wandel, im Sich-Verschieben sei, so Frau Minck.
Damit nähern wir uns auch schon der tragenden, initialen Idee dieses Filmprojekts, der Kritik eines fundamentalen Konservatismus in der Weltauffassung unsere Gesellschaft; der unbewussten, aber grundlegend präsenten Idee, dass „ alles immer so gewesen ist“, und der ewigen Angst vor Wandel und Neuerung, die uns innerlich fortwährend aufwühlt und zu unendlichen Konflikten führt.

Frau Minck geht es in ihrem neuen Film darum, auf möglichst unvoreingenommene Weise, von 20 Wissenschaftlern beraten, zu zeigen „wie sehr die Welt vom ständigen Wandel lebt“, und seit jeher lebte. Damit meint sie unter anderem permanente Kontinentalverschiebungen und kontinuierliche Migrationsbewegungen, welche, meint Frau Minck, so weit gehen und so tiefgreifend Teil des Lebens auf dieser Erde sind, dass man territoriale Grenzziehungen schon fast in Frage stellen müsste. Eine Aussage, die besonders in heutigen, angespannten Zeiten eine erfrischend offene Sicht auf die Immigrationsdebatte werfen könnte.

Dass ihr diese Idee beim Betrachten mehrerer Weltkarten kam, erklärt nicht nur den Titel des Films, sondern auch die Struktur der Erzählung. Der Film wird nämlich aus der Sicht von so gennanten „kosmonautischen Kartographen“ erzählt, welche die Entwicklung der Erde und ihrer Bevölkerung aus neutraler Beobachterperspektive, von ihrem Raumschiff aus, analysieren, um eine präzise, allumfassende Karte dieses Planeten zu entwickeln.

Reise durch Geschichte unseres Planeten

Man folgt diesen außerirdischen Wesen also auf einer „vielfältigen und kritisch durchleuchteten“ Reise durch die Geschichte unseres Planeten. Wobei größtenteils mit Bildern gesprochen wird, denn Frau Minck ist weder ein Freund von Untertiteln, noch möchte sie, dass ihr Film das Publikum sprachlich einschränken könnte.

Der Film behandelt ein universales Thema, das über jedweder sprachlichen oder nationalen Differenzierung steht, und soll deshalb auch eine jedem zugängliche Sprache sprechen, der Sprache der Gestiken und Bilder, so Frau Minck.

Fast schon ihr Markenzeichen ist dabei dass nicht wie üblich mit einer Videokamera gedreht wird, sondern man benutzt eine sehr hoch auflösbare Fotokamera, sodass eine Sekunde Film aus vier schnell hintereinander laufenden Fotos besteht, was eigentlich äußerst wenig ist.
Diese interessante Art und Weise der Aufnahme hat zur Folge, dass die Schauspieler sich acht mal langsamer bewegen müssen, als in der Realität, was die Sache schauspielerisch etwas einfacher macht, da der Regisseur absolut präzise Angaben machen kann, körperlich sei es jedoch, so einer der Schauspieler, dementsprechend schwieriger, die Ruhe und die Langsamkeit zu bewahren.

Die Filmaufnahmen sind danach auf jeden Fall von einer äußerst interessanten Nervosität geprägt, die mit der Ruhe im Antlitz der Schauspieler kollidiert, sodass ein zwiespältiger Anblick der „ruhigen Nervosität“ entsteht, der sicherlich für manche faszinierend, für andere eher Geschmackssache ist. Auf jeden Fall ist es für Frau Minck die ideale Plattform, ihren Versuch zu starten: Den Versuch, die Geschichte der Welt zu verstehen.