„Du wirst immer gezwungen, dich zu entscheiden“ /VIDEO/

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Eins ist übrig geblieben von seiner letzten Ausstellung und es sieht aus wie das Negativ von all den neuen. Es hängt unauffällig an der rechten Seite gleich beim Eingang und ist sehr viel höher als die übrigen angebracht. Bis auf ein paar weiße Stiefel dominiert auf ihm ein glänzendes Schwarz./Heike Bucher

Die neuen sind weiß, durchzogen von diversen Grautönen, mit denen gewöhnliche Dinge gezeichnet sind wie Skibrillen, Feuerwehrhelme, Eierbecher, Gummilatschen und diese Silikonschläuche, die in jedem Krankenhaus benutzt werden.
„Pacemaker“ heißt die neue Ausstellung von The’d Johanns, „Herzschrittmacher“ also. Und weil er meint, sie seien beliebig austauschbar, gibt er ihnen keine Titel, sondern nummeriert seine Exponate einfach durch, aber nicht der Reihe nach, das wäre einfach, sie tragen vier- bis sechsstellige Phantasienummern, denen immer das Kürzel „pm“ voransteht.

Abbilder seiner Skulpturen

Neun kurze Monate hat er an seinen letzten gearbeitet, mehr als 20 sind es bestimmt. Es fällt schwer, sie Bilder zu nennen, weil sie viel mehr sind als das. Es sind Abbilder seiner Skulpturen und Stillleben – gebaut mit irgendwelchen gefundenen Dingen, die ihm gefallen.
Wenn er gefragt wird, nimmt er sich Zeit, seine Technik zu erklären, die wohl in keinem Lehrbuch zu finden sein wird, weil sie unglaublich kompliziert klingt. Zuerst baut er gefundene Dinge zusammen, spiegelt sie, fotografiert sie. Die digitalen Fotos fotografiert er erneut von einem Bildschirm ab, verändert sie dann am Computer, um sie schließlich auf Kunststoff drucken zu lassen.
„Malen am Computer“ nennt er es. Die gedruckten Fotos klebt er auf Holz, anschließend trägt er eingefärbte Silikonfarbe in schnurgeraden Linien auf. Das riecht stark nach Konzept, ist es wohl auch, aber trotzdem muss man auf so eine Prozedur erst einmal kommen. „Es sind ehrliche Arbeiten“, sagt er, ohne zu zögern.

Zwilling im Sternzeichen


The’d Johanns ist einer von den Guten, kein selbstverliebter Möchtegern-Künstler mit künstlerischem Auftrag. Seit 38 Jahren arbeitet er beim Tageblatt, ernährt seine Familie und hat doch seine Passion nie aus den Augen verloren.
Zu seiner Vernissage am vergangenen Samstag kommen viele Menschen in die Filiale der Galerie Schlassgoart, den „Pavillon du Centenaire“: Freunde, Kollegen, Kulturschaffende. Klar kommen die, Johanns ist lange im Geschäft, besaß jahrelang eine Galerie, hatte woanders eigene und Gruppenausstellungen: Paris, Athen, New York, etc. – so steht es in seinem Katalog.
Seine neuen Arbeiten ähneln sich stark, sie alle wirken technisch perfekt durchgestylt, irgendwie kühl und abstrakt, und doch könnte man meinen, tief in ihren Schöpfer hineinblicken zu können.
„Was sich ähnelt, ist das Zwillingsmotiv“, erklärt Johanns. Jeder Gegenstand ist doppelt, wenn nicht gar vierfach vorhanden. „Mein Sternzeichen ist Zwilling“, fügt er lächelnd hinzu. Das Zwillingsmotiv symbolisiere für ihn die Notwendigkeit, im Leben Entscheidungen zu treffen. „Du wirst immer wieder gezwungen, dich zu entscheiden“, sagt er.
Aber Johanns Wege scheinen sich stets zu kreuzen, denn seine Gegenstände sind alle miteinander verbunden: an Kabeln und Schläuchen hängen sie wie lebenserhaltende Maschinen aneinander und ohne das „Eine“ wäre das „Andere“ wahrscheinlich „Nichts“. So als sei es im Grunde egal, welchen Weg man geht, er führt ja doch immer zum gleichen Punkt. In den beiden Installationen, die er mitgebracht hat, findet sich dieselbe Symbolik wie in seinen anderen Arbeiten.
So morbide oder philosophisch muss man sich freilich nicht Johanns Werken nähern, sie lassen sich leicht als das nehmen, was sie sind: ästhetisch perfekte Abbilder seiner Phantasie.
Bis zum 17. Oktober in der
Galerie Schlassgoart,
Pavillon du Centenaire
bd. Grande-Duchesse
Charlotte
L-4070 Esch/Alzette
Tel.: 26 17 52 74
Di.-So. 15 bis 19 Uhr