Donnersmarck Reloaded

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20 Jahre Mauerfall. So lange ist das schon her und im Moment vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendeine Veranstaltung, ein Fernsehfilm oder eine Veröffentlichung auf dieses Jubiläum aufmerksam machen möchte. Heike Bucher

Und jetzt also „Das Leben der Anderen“.
Nicht im Kino, sondern auf der Bühne des Kapuzinertheaters. Ein Theaterstück von Albert Ostermeier nach dem Kinofilm von Florian Henckel von Donnersmarck, der mit seinem ersten Spielfilm zugleich Oscar und César für den besten fremdsprachigen Film einheimste.

Strudel der Gefühle

„Es gibt drei Filme über das Leben in der DDR,“ sagte die ehemalige DDR-Friedensaktivistin Freya Klier vergangenen Samstag bei einem Vortag in der Abtei Neumünster – gemeint sind „Sonnenallee“, „Goodbye Lenin“ und „Das Leben der Anderen“ – „und ’Das Leben der Anderen‘ ist der einzige, der wirklich von der DDR erzählt, weil er ein Gefühl davon vermitteln kann, wie es war, andauernd unter Beobachtung zu stehen.“
Der Film erzählt von dem Stasi-Agenten Gerd Wiesler, der das Künstlerpaar Christa-Maria Sieland und Georg Dreyman in dessen Wohnung abhört. Anfangs überzeugt von seiner Aufgabe, gerät Wiesler in einen Strudel der eigenen Gefühle, als er sich zunehmend in „Das Leben der Anderen“ verstrickt. So wird er vom Beobachter zum Beschützer zweier Menschen, die ihm näher stehen als jeder Auftrag. Zwangsläufig kommt es irgendwann zur Katastrophe, in deren Verlauf Christa-Maria Sieland stirbt und Wiesler von seinem Vorgesetzten degradiert wird. Da ist aber zumindest eins passiert: Wiesler ist ein besserer Mensch geworden.
Ostermeiers Stück setzt am Ende ein, kurz vor der Katastrophe. Kulturminister Bruno Hempf (Germain Wagner) wartet im Hotelzimmer auf Christa-Maria Sieland, die sich zur Absicherung ihrer Karriere als Bühnenschauspielerin auf eine Affäre mit ihm eingelassen hat. Aber Sieland lässt ihn warten. Zeit genug also für Hempf, in Selbstgesprächen zu beweisen, was für ein unsympathischer und karrieregeiler Typ er ist, der sich mehr für die Maße seiner Geliebten als für die Ausmaße politischen Handelns interessiert. Ein selbstgerechter Machtmensch ist dieser Hempf – Germain Wagner gibt ihn als schmierigen, aber verzweifelt abhängigen Typen.

Vergebliche Suche

Vier Menschen, vier Monologe, so will es Ostermeiers Theaterstück: erst Hempf, dann Sieland, anschließend Wiesler, zuletzt Dreyman. Und jeder erzählt seine eigene Version der Geschichte: Christa-Maria Sieland (Petra Zwingmann) spricht von ihrer Sucht, auf der Bühne stehen zu müssen, Gerd Wiesler (Luc Feit) von seiner allmählichen Menschwerdung und Georg Dreyman (Carsten Klemm) klagt das Leben mitsamt seinem Leid an.
Aus jedem Mund klingt das natürlich anders und beweist doch eigentlich nur, dass sich jeder selbst der nächste ist, ob im real existierenden Sozialismus oder im kapitalistischen Bruderland. Denn 20 Jahre nach dem Mauerfall ist es Hempf, der ein gut funktionierendes Unternehmen führt, während Dreyman schreibblockiert vor sich hin jammert und aus dem sensiblen Agenten Wiesler ein netter Briefträger von nebenan geworden ist. Ostermeiers Figuren spielen vor allem eins: das Klischee ihrer eigenen Persönlichkeit. Das macht ihre Texte sonderbar lahm und desorientiert, vor allem sich selbst wiederholend.
Bis auf eine Ausnahme: der Agent Gerd Wiesler, eine Paraderolle für Luc Feit. Seine Figur ist vielschichtiger als die anderen, denn was den anderen vorenthalten bleibt, darf Wiesler tun: sich entwickeln und selbst reflektieren. Und mit Luc Feit bekommt Wiesler ein neues und trotzdem bekanntes Gesicht. Luc Feit ist zwar nicht Ulrich Mühe, der im Film die Rolle des Agenten spielte, aber er ist ein charismatischer Gerd Wiesler. Einer, der sich nicht scheut, in Ermangelung eines Gesprächspartners direkten Kontakt zum Publikum zu suchen und den Menschen im Saal seine Geschichte zu erzählen. So lebhaft und natürlich, so vergnüglich, wie es Feit schon oft in anderen Stücken getan hat. Und während man noch betrübt darüber ist, dass Petra Zwingmann und Carsten Klemm so gar nichts von einer Martina Gedeck und einem Sebastian Koch haben, hat es Luc Feit schon längst rausgerissen.
Natürlich ist es schwierig, ein Theaterstück mit einem Kinofilm zu vergleichen, aber ein Theaterstück, das nach einem Kinofilm geschrieben wurde, fordert diesen Vergleich nahezu heraus, oder? Das Beklemmende jedenfalls, das Authentische, das nicht nur Freya Klier in dem Film gefunden hatte, sucht man in Ostermeiers Stück vergeblich.

Das Leben der Anderen
Kapuzinertheater
Am 28., 29. und
30. September und
am 1. Oktober
jeweils um 20 Uhr
www.theatres.lu