/ Die Sprache der Leere
Was bleibt, wenn man den Ort, das Haus, verlässt, wo man sein ganzes Leben verbracht hat? Was bleibt, wenn ein Mensch die Tür hinter sich verschließt? Für immer. Nie mehr zurückkehrt, nie wieder in seinem Bett schläft und nie wieder in seinem Lieblingssessel sitzt. Verliert das Haus mit dem Menschen auch seine Seele, wird zu einer leeren, gespenstischen Hülle? Oder lässt der ehemalige Hausbewohner einen Teil von sich zurück, den man sehen und spüren kann?
ARMAND QUETSCH |
Bilder einer anderen Zeit
Der Kühlschrank ist leer, die Tapete vergilbt. Zum zweiten Mal in seinem Leben hat der 89-jährige Nickla sein Haus, den Bauernhof in Belgien, verlassen. Diesmal endgültig. „Nach dem Auszug meines Großonkels beschloss ich, sein ehemaliges Lebensumfeld in Bildern festzuhalten. Es sind Bilder einer anderen Zeit, einer Zeit, deren Spuren langsam, aber sicher verschwinden“, erzählt der Fotograf. Drei Tage verbrachte er in dem leeren Haus, an einem Ort, wo die Dinge, so sagt er, nur künstlich am Leben erhalten würden. „Mir gefiel die leicht melancholische Atmosphäre, die Leere. Die Ruhe.“ Diese Ruhe spürt man. Genau wie die unterschwellige Spannung, die ungewisse Zukunft des Hauses. Fast ist es, als würde das Haus warten. Darauf warten, dass sein Besitzer zurückkommt oder er es für immer verlässt.
Wie durch ein Schlüsselloch blicken wir in Nicklas Leben. Kein Raum, kein Zimmer wird ganz gezeigt – zu sehen sind immer nur einzelne Objekte und Raumausschnitte. Kitschig rosa geblümte Tapeten, triste Stoffblumen, ein kleiner alter Koffer auf dem Kleiderschrank. Einige Gegenstände wirken einsam, als seien sie vergessen worden. Die Nägel stecken noch in der Wand, nichts als helle Flecken sind geblieben. Warum hat er das Foto in der Mitte nicht mitgenommen, fragt sich der Betrachter.
Viel Raum für Fantasie
„Ich möchte nicht nur einen Einblick in Nicklas Leben geben, sondern vielleicht eigene Erinnerungen im Betrachter wecken. Meine Bilder lassen viel Raum für die eigene Fantasie“, sagt Armand Quetsch. So erlebt dann auch jeder die indirekte Begegnung mit Nickla anders. Nur eine Gewissheit empfindet jeder. Obwohl die Präsenz des alten Mannes deutlich spürbar ist, obwohl so vieles an ihn erinnert und das Bett eigentlich aussieht, als sei es morgens noch frisch aufgezogen worden, besteht kein Zweifel: Nickla wird nicht mehr zurückkehren.
Was bleibt sind Spuren eines langen Lebens. Bilder, Geschichten und eine unbeschreibliche, menschenlose Leere. Was bleibt ist die Erinnerung.
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