/ Die nächste schwedische Ikone
Schauspieler Sverrir Gudnasson ist durch die Wallander-Krimis berühmt geworden. Nun spielt er in „Borg/McEnroe“ das schwedische Tennisidol Björn Borg. Die Vorbereitung auf die Rolle war für den Schauspieler ungewöhnlich.
Von André Anwar, Stockholm
André Anwar: Wenn man in Schweden aufwächst wie Sie, muss es ein besonders großer Druck sein, die vergötterte Tennislegende Björn Borg zu spielen. Was bedeutet der fünffache Wimbledon-Sieger für Schweden?
Sverrir Gudnasson: Björn Borg war einer der ersten richtigen schwedischen Superstars im Sport. Er war Schwedens Michael Jackson. Tennis wurde plötzlich unglaublich wichtig. Erstmals kam viel Geld in die Branche. Wenn Björn Borg spielte, stand ganz Schweden buchstäblich still. Alle guckten zu. Zunächst zweifelte ich ein wenig daran, ob ich der Rolle gerecht werde. Ich fühlte mich persönlich weit entfernt von Borg, hatte nicht den Körper, den er mit Anfang 20 hatte. Ich bin eigentlich auch kein Sportmensch, hatte noch nie im Leben Tennis gespielt. Deshalb bat ich die Filmgesellschaft um viel Unterstützung. Ich bekam einen Tennislehrer, mit dem ich ein halbes Jahr lang jeden Tag zwei Stunden trainierte. Gleichzeitig habe ich meine gesamte Ernährung umgestellt, ich brauchte mehr stramme Muskelmasse, aß sieben Mahlzeiten am Tag und war oft mit einem weiteren Trainer im Fitnessstudio.
Wie haben Sie sich Borg als Person genähert? Haben Sie ihn regelmäßig getroffen?
Treffen wollte ich Borg erstmal nicht, das hätte mich durcheinandergebracht. Ich habe mir massenweise alte Interviews und Spiele mit ihm angeguckt und dabei das Gefühl bekommen, dass ich die schwierige Rolle schaffen kann. Vor allem in den intensiven, über vier Stunden andauernden Matches konnte ich wirklich in den jungen Borg gucken. Er hatte manchmal einen entrückten Blick, der mir sehr nahe ging. Er wirkte da so, als ob er eigentlich lieber ganz woanders sein wollte. Damit konnte ich etwas anfangen. Ich ließ mich völlig von Borgs Welt verschlucken. Plötzlich sah ich ständig Leute in Stockholm, die irgendein Detail an sich hatten, etwa Augen, die mich an Borg erinnerten. Ich war so drin, dass ich mir nach der Verfilmung die langen Haare abschneiden musste, um die Rolle für neue Projekte hinter mir zu lassen.
Wo glauben Sie wollte Borg eigentlich sein? Er hat ja schon mit 26 aufgehört, betreibt heute eine Unterwäsche-Modemarke.
Ich glaube er wollte weit weg vom Trubel um seine Person. Damals um 1980 herum war der Druck unglaublich groß. Es gab keinen Personalstab um ihn herum, so wie heute üblich. Wenn er auftauchte, war er oft allein mit seinem Säckchen, in dem der hölzerne Tennisschläger war. Sein Trainer begleitete ihn bestenfalls. An Flugplätzen warteten Hunderte von Fans, es gab da nicht mal Securityleute. Dann hat er ja gewonnen, gewonnen, ständig gewonnen. Es hatte wohl das Gefühl, dass er am Höhepunkt angelangt war und nun auch verlieren würde, wenn er weitermacht. Er hatte schon alles erreicht.
Sie und der auch privat als recht explosiv bekannte McEnroe-Darsteller Shia LaBeouf haben auch die Choreographie des Wimbledon Finalspieles 1980 ins Detail nachgespielt?
Ja, wenn Sie einen Spielwechsel im Film sehen, werden Sie genau den gleichen im Match von 1980 finden. Das war ein schwieriger Teil. Nachdem ich Tennisspielen gelernt hatte, und auch Shia, der das ebenso wenig konnte wie ich, traf ich ihn regelmäßig auf einem Grasplatz, der Wimbledon sehr ähnelt. Wir gaben allen Punkten Namen und übten sie ein. Jeder auf seiner Seite des Netzes, wie einen Tanz, aber ohne Ball. Aber die Bewegungen mussten so aussehen, als ob ein Ball zwischen uns hin und her ging. Die Bälle wurden animiert, es ist auch schwer, richtige Ballwechsel gut zu filmen. Bei sehr schwierigen Frequenzen hatten wir Doubles, das meiste haben wir aber selbst gemacht.
Sie haben dann Björn Borg bei der Premiere getroffen. Wie hat er auf seinen Nachahmer reagiert?
Ich war etwas nervös, aber er gratulierte mir und sagte, dass er sich wirklich wiedererkannt habe. Er fand, dass wir uns sehr ähneln.
Spielen Sie noch immer Tennis?
Ich habe so wenig Zeit, aber manchmal spiele ich noch mit meinem Ex-Trainer in Stockholm. Allerdings haben wir inzwischen leider immer so viele Zuschauer, das nervt etwas, ich bin ja nicht Björn Borg. Vielleicht suche ich mir einen anderen Tennisplatz.
Ihre Eltern sind Isländer, Sie verbrachten Ihre Kindheit neben Schweden teilweise auf der Insel. Wie war das?
Ich hatte insgesamt eine schöne Kindheit in Reykjavik. In Island war das Leben für Kinder sehr frei und sicher. Im Sommer wird es dort nie dunkel, man muss also nie nach Hause. Wir durften draußen spielen, bis wir irgendwo einschliefen und die Eltern uns nach Hause trugen.
Was machen Ihre Eltern beruflich? Oft sind die Eltern von Schauspielern heutzutage ja Schauspieler. Oder wie sind Sie auf diesen Beruf gekommen?
Nein, die machen ganz andere Sachen. Mein Vater war Professor an der Technischen Universität in Stockholm für Bautechnik und ist heute Energiechef für Island, meine Mutter arbeitet mit Ausstellungen und Büchern, früher mit Museen. Ich spielte schon gern in der Schule. Als ich elf war, bekam ich eine Rolle im Staatstheater Reykjavik, für ein Stück von Islands Literatur-Nobelpreis-Träger Halldor Laxness. Ich hatte einfach dort vorgesprochen. Meine Eltern haben mich trotz ihres anderen beruflichen Hintergrunds immer sehr unterstützt. Aber etwas unsicher waren sie vielleicht doch, denn sie betonten immer, dass ich mir auf jeden Fall noch andere berufliche Wege offenhalten sollte, falls das mit der Schauspielerei nicht klappt (lacht).
Wann sehen wir Sie wieder in den Kinos?
Derzeit drehe ich mit dem italienischen Regisseur Carlo Hintermann in Belgien an dem medizinischen Drama „The Book of Vision“ zusammen mit „Game of Thrones“-Darsteller Charles Dance.
Zum Autor
André Anwar schreibt von Stockholm aus über Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Vermischtes, Wissenschaft, Kultur und Mode aus Nordeuropa und dem Baltikum. Er beherrscht die gängigen skandinavischen Sprachen und kennt sich mit den Verhältnissen in Schweden, Dänemark, Norwegen, Island, Finnland, Lettland, Estland und Litauen durch zahlreiche Aufenthalte aus. Neben dem Café Europe schreibt er auch für die Presse in Wien und andere Zeitungen. Ursprünglich kommt er aus Berlin. Sein akademischer Hintergrund liegt in den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie und der Journalistik.
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