Die Kunst, der Künstler und der Kontext

Die Kunst, der Künstler und der Kontext
(Tageblatt/Fabrizio Pizzolante)

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Selten hat eine Kunstausstellung schon vor ihrer Eröffnung für so viele Diskussionen gesorgt wie der Rückblick über den Luxemburger Künstler Théo Kerg.

„Nach der erfolgreichen Joseph Probst-Ausstellung (im Jahr 2011) wollten wir erneut zusammenarbeiten. Die Théo-Kerg-Retrospektive schien uns eine gute Gelegenheit.“ Der Ausgangspunkt der Verantwortlichen des Nationalmuseums und des „Cercle Cité“ – zu denen sich auch das „Luxembourg City Tourist Office“ hinzugesellt hat – war ganz einfach.

Marie-Amélie zu Salm-Salm hat intensiv über Théo Kergs Arbeiten recherchiert. (Bild: Tageblatt/Fabrizzio Pizzolante)

Der 20. Jahrestag des Todes des Luxemburger Künstlers schien eine gute Gelegenheit für eine umfangreiche Retrospektive des langen künstlerischen Schaffens des Malers und Skulpteurs zu sein, dessen Werke bis dahin noch nie in Luxemburg gezeigt wurden.

Schwieriges Gleichgewicht

Dass sie mit diesem Vorhaben Diskussionen heraufbeschwören würden, war dem Direktor des Nationalmuseums, Michel Polfer, und dem Geschäftsleiter der „Agence luxembourgeoise d’action culturelle“, Jean Reitz, klar. Wie sehr der geschichtliche Hintergrund dem künstlerischen Werk Théo Kergs den Vorrang ablaufen würde, haben sie wahrscheinlich nicht abschätzen können.

Die Kuratorin, Marie-Amélie zu Salm-Salm, hat sich bei der Zusammenstellung der rund 40 Werke, die vor allem die Arbeit aus den fünfziger Jahren beleuchten sollen, viel Mühe gegeben, um dem Künstler gerecht zu werden. Zahlreiche Exponate wurden aus dem Museum in Schriesheim, das Théo Kerg gewidmet ist, aus privaten Sammlungen, aus dem Fundus des Künstlers und aus Museen wie dem Pariser „Centre Pompidou“, dem Ludwig-Museum in Köln und dem Von-der-Heydt-Museum in Wuppertal zusammengetragen. Mit den Zeitungsartikeln, den Briefen,
Kunstkatalogen und von Kerg gestalteten Büchern beweisen sie, dass der hier zur Persona non grata gewordene Théo Kerg seinerzeit international zumindest in der künstlerischen „champions league“ mitgespielt hat.

Ein interessanter Aspekt von Kergs Arbeit ist auch die Kirche auf Cents, deren Fenster und Inneneinrichtung 1975 bis 1979 vom Künstler gestaltet wurden. Die Kirche ist während der Ausstellungsdauer täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr geöffnet, die monumentalen Glasfenster sind typisch für den von Kerg kreierten „Taktilismus“. Sie sollten besonders jetzt in den wenigen, hellen Tagesstunden angeschaut werden.

Als der Künstler am 21. September 1946 Luxemburg als freier Mann verlassen durfte (nachdem er fast 15 Monate in Haft verbracht hatte und acht Monate lang im Dienst des Wiederaufbaus arbeitete), ging er nach Paris, wo er den Kontakt mit der französischen Kunstszene wieder anknüpfte und schon 1947 eine erste persönliche Ausstellung hatte. Nach anfänglichen Hungerjahren kam er wieder auf die Beine, reiste viel, war in ganz Frankreich, in Italien, Kopenhagen, Amsterdam, Milano zu sehen. Ab 1952 wurden seine Bilder zusammen mit den Werken von Braque, Chagall, Leger und Matisse ausgestellt.

Internationale Ausstrahlung

Der Künstler arbeitete in Paris, Brüssel, Milano und New York, stand mit Persönlichkeiten aus allen Sparten der Kunstszene in Verbindung, tauschte sich mit den Intellektuellen seiner Zeit wie Léopold Senghor und Jean Cocteau aus. Allein zu Kergs Lebzeiten wurden ihm mehr als 500 Einzelausstellungen gewidmet, seine Werke waren in mehr als 200 Gruppenausstellungen und Salons zu sehen.

Bereits in jungen Jahren hatte Théo Kerg sich der abstrakten Malerei verschrieben, in den 50er-Jahren entsprachen seine halbfigurativen Bilder und seine Auseinandersetzung mit Farb- und Lichträumen der Philosophie der „Ecole de Paris“. Beim Rundgang durch die Räume kann der Besucher nachvollziehen, wie sich der Künstler entwickelte, wie er von seiner beliebten blauen Farbe abwich und immer stärker mit Rot und Braun arbeitete, seinen Bildern immer mehr Relief gab. Das Nationalmuseum hat diese Schaffensperiode in den Mittelpunkt gestellt, weil seine eigenen Kollektionen sich mit dieser künstlerischen Ausrichtung befassen.
Doch auch der von Kerg entwickelte „Taktilismus“, die Tastobjekte, die er selbst als „Beseelung der Materie“ beschreibt und in denen der Besucher Kunst anschauen und fühlen soll, stehen im Blickpunkt. Charakteristisch ist dabei der Rückgriff auf Material, das den Bildern, unter dem Einfluss des Lichtes, eine ganz besondere Kraft verleiht.

Ab 1956 geben Glasgestaltungen, Skulpturen und Kunst am Bau dem Werk eine neue Dimension. Sie finden im Ratskeller des „Cercle Cité“ ihren Platz.

Das Werk von Théo Kerg ist jedoch kein Selbstzweck, sondern stets eine kritische Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen und mit den menschlichen Lebenssituationen.

Kritische Auseinandersetzung

Das wird ab dem kommenden Samstag und bis zum 4. Mai 2014 nicht anders sein. Selbst wenn die erste monografische Ausstellung des Künstlers eine gute Gelegenheit ist, sich mit seiner Kunst auseinanderzusetzen und einen großen Künstler seiner Zeit zu entdecken, so konnten die Veranstalter den politischen Kontext der Zeit und die Gründe, aus denen der Künstler seiner Heimat den Rücken kehrte, nicht außen vor lassen.

Die Führungen, die jeweils donnerstags und sonntags stattfinden, werden deshalb auch auf die Kontroversen rund um den Künstler eingehen, genau wie die Besuche, die unter der Führung der Kuratorin Marie-Amélie zu Salm-Salm stattfinden.

Bei einer Konferenz am 24. Januar im Auditorium des „Cercle Cité“ wird die Leiterin des Museums in Schriesheim, Lynn Schoene, über den Künstler Théo Kerg sprechen, bei einer Podiumsdiskussion am 28. Januar werden sich Paul Dostert, Catherine Lorent, Vincent Artuso und Michel Polfer mit der luxemburgischen Kunstszene unter der deutschen Besatzung auseinandersetzen.

Die Kunst habe unter den Diskussionen über den Menschen Théo Kerg gelitten. Die Ausstellung sei eine gute Gelegenheit, die Vielfalt von Kergs künstlerischem Schaffen zu entdecken, meinte Michel Polfer mit dem Hinweis, der letzte Artikel über den Künstler Théo Kerg sei 1943 im Tageblatt erschienen (als in Zusammenhang mit Kergs Bildern von „leidenschaftlicher Farberfüllung jauchzenden Stils“ die Reie Rede war. Anm. d. R.)

Ausstellung Théo Kerg

Im MNHA
14.12.2013-4.5.2014

Im Cercle Cité
14.12.2013-23.2 2014
Erste Führung: 14.12.2013 um 11.00 Uhr (Cercle) und 12.00 Uhr (MNHA)

Kirche Cents
14.12.2013-
4.5.2014
Erste Führung am 14.12. um 14.30 Uhr
Anmeldung: Tel.: +352 47 96 51-34 oder
vanessa.cum@cerclecite.lu