KunsteckeDie „Freigeister“ sind losgelassen: Fragmente einer Kunstszene im Mudam

Kunstecke / Die „Freigeister“ sind losgelassen: Fragmente einer Kunstszene im Mudam
Die raumfüllende Installation „Kölner DOOM Relegation“ der Luxemburger Künstlerin Catherine Lorent ist Teil der Ausstellung Foto: Mudam

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Zwar hat die Lux Art Week ihre Zelte auf dem Glacis-Feld abgebrochen, doch bleibt ein Hauch Nostalgie in der Luft hängen. So viel Kunst auf einen Blick, das erlebt man selten. Es scheint, als ob Besucher wie Aussteller und Organisatoren recht zufrieden mit der diesjährigen Ausgabe der Veranstaltung sind. Die Zelt-Lösung als Notbedarf hat sich bewährt, wohl auch weil Ausstellungsfläche wie Parking- und Gastronomie-Einrichtungen bessere Rahmenbedingungen als in der Victor Hugo-Halle abgegeben haben. Wer darüber hinaus den Sprung über die rote Brücke auf den Kirchberg wagte, um sich die laufenden Ausstellungen im Mudam anzuschauen, der konnte zusätzlich eine Menge Kunstluft übers Wochenende schnuppern.

Mit der Schau „Freigeister“ trifft das Mudam einen wichtigen Nerv. In der zeitgenössischen Kunst gibt es kaum Grenzen, Schranken oder gar Verbote, die Gedanken sind frei, die von Künstlern gewählten Mittel und Themen ebenso. „Freigeister“ nennt sich eine derzeit aus Anlass des 15-jährigen Bestehens organisierte Schau im Museum für moderne Kunst. An diesem Wochenende haben sich bereits einige Kunstschaffende mit Performances diverser Art in den heiligen Hallen des Pei-Museums ausgetobt.

„Splendeur et Décadence des Sirènes“ stammt von Aline Bouvy
„Splendeur et Décadence des Sirènes“ stammt von Aline Bouvy Foto: Mudam

Es war dies eine Bestätigung ihrer ungezwungenen Herangehensweise, sich mit aktuellen, zeitgenössischen Themen auf ihre ureigene Manier auseinanderzusetzen. Das Begleitprogramm zur Ausstellung „Freigeister: Fragmente einer Kunstszene in Luxemburg und darüber hinaus“ läuft auf unterschiedliche Art weiter, etwa mittels eines mit der Teilnahme von 27 Personen gestalteten „Abécédaire Freigeister“, das zu einem subjektiven und recht lockeren Bild der Luxemburger Gesellschaft beitragen soll. Der Bogen wird demnach bewusst über die teilnehmenden Künstler hinaus gespannt, dies in der Absicht, eine gemeinschaftliche Installation zu schaffen und die Besucher zur Stellungnahme aufzufordern. Außerdem bieten sich zusätzliche Veranstaltungen an, alles um das Publikum in die „Freigeister“-Stimmung zu versetzen, kurzum ihr Kunsthorizont und ihr Kulturverständnis zu erweitern.

Subjektives Porträt der Szene

Die Ausstellung „Freigeister“ zeichnet „ein subjektives Porträt der aktuellen Kunstszene in Luxemburg“, dies mit der Auswahl von vierzehn in den 1970er und 1980er Jahren geborenen Kunstschaffenden, die sich in Fotografie, Malerei, Installation, Skulptur, Film oder virtueller Realität hervorgetan haben. Die Liste der Auserwählten liest sich wie ein „Déjà-vu“ der Favoriten von Mudam und Casino, im Begleitheft, dezent als „spezieller Entstehungsprozess“ bezeichnet und als „gemeinschaftliche Plattform“ konzipiert dargestellt, entpuppt sich die Aufzählung der freigeistlichen Teilnehmer(innen) als eine Einladung an gern gesehene Gäste des Hauses. Die Namen der nun Gekürten überraschen nicht, einige könnte man fast schon als eine Art „Staatskünstler“ bezeichnen, so unter dem Motto: Wer noch nicht in Venedig bei der Biennale war, könnte übernächstes Mal dabei sein. Dennoch, und das muss man den Kuratoren zugestehen, einige der Beiträge lassen sich sehen, etwa die Arbeiten von Filip Markiewicz, die Intervention des Duos Markiewicz & Piron, der ausgerollte rote Teppich ganz spezieller Art von Marco Godinho, die Fotografien von Laurianne Bixhain oder Daniel Reuter und Jeff Weber sowie die Arbeiten von Nina Tomàs, um nur diese zu nennen.

Die Installation von Sophie Jung heißt „Come Fresh Hell or Fresh High Water“
Die Installation von Sophie Jung heißt „Come Fresh Hell or Fresh High Water“ Foto: Mudam

Abgesehen von den am Wochenende getätigten Performances und dem Begleitprogramm ist die Schau „Freigeister“ trotz Einschränkungen sehenswert und noch bis zum 27. Februar 2022 zu besuchen. Interessant sind sogenannte Plattformen, die ab Januar 2022 angeboten werden. Es sind dies Möglichkeiten, einen Meinungsaustausch mit den ausstellenden Künstlern(innen) im Beisein eines Gast-Moderatoren zu führen. Das Programm startet am 8. Januar mit einem „Blick über die Grenzen“ im Beisein von Marco Godinho und Nathalie Roelens. Es folgen im Januar eine Konfrontation von Claudia Passeri und Statec-Direktor Serge Allegrezza zum Thema „Kohäsion“, ein Plausch zwischen dem Schriftsteller Jean Portante und der Performerin Sophie Jung über die „Sprachen“, ein Gedankenaustausch des Historikers Denis Scuto und Magali Nachtergael mit dem Duo Markiewicz & Piron betreffend „Vivre ensemble“ sowie u.a. eine Diskussion von Galerist Hans Fellner und Fotografin Laurianne Bixhain. Diese Gesprächsrunden finden im Januar/Februar jeweils samstags zwischen 10.00 und 12.00 Uhr statt.

Was bringt die „Neue“ ab 1. April

Die Freigeister-Schau ist, wie das gesamte bereits angekündigte Programm für 2022, in der Regentschaft der nun scheidenden Suzanne Cotter anzusiedeln. Nein, es ist kein April-Scherz, der Verwaltungsrat hat kürzlich Frau Bettina Steinbrügge, die Leiterin des Kunstvereins in Hamburg seit 2014 ist und auch in Wien am Belvedere und an anderen Museen in Frankreich und der Schweiz gewirkt sowie diverse Lehrtätigkeiten ausgeübt hat, zur Direktorin und somit Nachfolgerin von Frau Cotter berufen.

Sie wird ihr Amt am 1. April 2022 antreten, doch ist Luxemburg für sie kein Neuland, hat sie doch bereits an Projekten mit dem Casino gearbeitet und sich mit den Mudam-Programmen der letzten Jahre sowie den bereits geplanten Vorhaben für die Zukunft angefreundet. Da es in den letzten Jahren so manche Spannungen in und um das Mudam gegeben hat, wird sich zeigen, welche Akzente sie zu setzen in der Lage sein wird. Luxemburg ist bekanntlich in Sachen Kunstverständnis ein nicht konfliktfreies Pflaster. Vielleicht hilft ihr da der „freiheitliche“ Wind, den die Freigeister der aktuellen Ausstellung in den Pei-Mauern nun wehen gelassen haben.