Der missverstandene Prophet

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Sein Geburtstag wird in seiner Heimat wie ein Feiertag begangen. Kein Wunder, ist er doch der berühmteste Sohn Jamaikas: Bob Marley ist eine Legende, praktisch überall auf der Welt.

„Meine Musik wird ewig weiterleben“, sagte Bob Marley kurz vor seinem Tod, das seien Fakten. Selbstbewusstsein fehlte dem Musiker nicht. Warum auch, war er doch in seinen nur 36 Jahren Musikgigant, Prophet, Sozialkritiker, Marihuanaikone und Heilsbringer für fast jede Lebenssicht – ob er es wollte oder nicht. Am heutigen Freitag wäre die Legende 70 Jahre alt geworden.

Marley ist so eine Art Selbstbedienungsladen für alle, die sich der kalten, kapitalistischen, weißen Mitwelt überlegen fühlen. Vom Althippie bis zum aufbegehrenden Jugendlichen, vom Kiffer bis zum Alternativmediziner, vom Esoteriker bis zum Modernitätsverweigerer. Selbst der weißeste und unmusikalischste Mitteleuropäer fühlt sich gleich ein ganzes Stück lockerer und cooler, wenn er nur ein Marley-Hemd anhat. Dabei verstehen die meisten nicht, dass sie selbst zu dem Establishment gehören, gegen das Marley sang.

Ankläger gegen Ungleichheit

Denn Robert Nesta Marley, der Sohn einer 19 Jahre alten schwarzen Jamaikanerin und eines 60 Jahre alten weißen Jamaikaners, sah sich immer als Ankläger gegen Ungleichheit. „So lange es noch Menschen gibt, die alles haben, und welche, die nichts haben, so lange sich noch eine Rasse der anderen überlegen fühlt, so lange wird es Krieg geben in dieser Welt.“ Viele seiner Texte werden als lustige „Bleib locker!“-Songs falschverstanden – und sind doch Anklage gegen Rassismus und ungezügelten Kapitalismus.

In seiner Heimat wird Marley deshalb auch ganz anders verehrt als in der westlichen Welt. In Jamaika verkauft man in den Häfen Touristen zwar gern coole Kühlschrankmagnete mit dem Bildnis des berühmtesten Sohnes, doch im Volk selbst wird er wie ein Prophet verehrt. Die Rastafaris sind, wie der Raggae, durch ihn erst in der Welt bekanntgeworden – obwohl sie durch ihn auch für viele auf die haschrauchenden Gute-Laune-Schwarzen mit den grün-gelb-roten Mützen reduziert werden.

„Marley Natural“

Kein Wunder, dass eine im letzten Jahr in den USA aus der Taufe gehobene Marihuana-Marke sein Bild trägt und auch noch „Marley Natural“ heißt. Da wird nicht das Andenken eines Toten geklaut, sondern ganz offiziell vermarktet: Marleys Witwe Alpharita ist mit an Bord und erklärte im vergangenen Jahr: „Mein Mann glaubte daran, dass ‚das Kraut‘ ein natürlicher und positiver Teil des Lebens und wichtig für die Welt ist. Er hätte sich auf diesen Tag gefreut.“

15 Jahre, bis zu seinem Tod, war Marley mit „Rita“ verheiratet. Elf Kinder hatte er, zumindest offiziell. Vermutlich waren es mehr, denn selbst die elf hatte er, Ehe hin oder her, mit sieben verschiedenen Frauen. Marley mochte Kinder und im Video für seinen Hit „Is this love?“ tanzte eine ganze Gruppe um ihn herum, darunter die kleine Naomi (7). Die Tochter einer jamaikanische Mutter machte später selbst Karriere: Als Supermodell Naomi Campbell.

Gegen traditionelle Medizin

Im Video war Marley schon schwer krank. Krebs. Doch er machte weiter, gab ein Konzert nach dem anderen und stiftete sogar Frieden zwischen den beiden größten Parteien Jamaikas. Obwohl es mit dem Krebs immer schlimmer wurde, lehnte er die traditionelle Medizin ab und suchte Hilfe in Oberbayern, beim umstrittenen Arzt Josef Issels.

Doch Marleys Zustand verschlechterte sich rapide und durch die Behandlung verlor er auch noch seine ihm so wichtigen Haare. Zumindest wollte er in der Heimat sterben und so stieg er, halbtot, ins Flugzeug nach Jamaika. Doch bei der Zwischenlandung in Florida am 11. Mai 1981 war er so schwach, dass er nicht weiterfliegen konnte. Wenige Stunden später starb er in einem Krankenhaus in Miami. Er war 36. In sein Grab legte man ihm einen Marihuanazweig und seine rote Gitarre.