Der Avantgarde zum Trotz

Der Avantgarde zum Trotz

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Autor: Alasdair Reinert

Nach 15-jähriger Funkstille meldet sich die etwas andere Montrealer Post-Rock-Band mit einer gewagten Evolution zurück. „C’est ça“ bedient sich noch vertrackteren Rhythmen als auf dem 2004 erschienenen Album „N’Ecoutez Pas“. Vielschichtig gelagerte Samples, White-Noise-Einlagen, trockene Schlagzeuge sowie gelegentliche Black-Metal-Growl-Einlagen türmen sich hier zu einem (fast) unbeschreiblichen Klanggerüst auf, das den (die) Zuhörer(in) manchmal zu überfordern droht.

Einen skurrilen ersten Kontakt mit der Band hatte ich diesen Sommer während des „Suoni per il popolo“-Festivals in Montreal. Stunden vor dem Heimkonzert erst angereist, gereizt durch eine sich anbahnende Flugangst und unzählige Drinks, trank ich abends vergebens gegen die Zeitverschiebung an. Beharrlich wartete die Freundin als ausgewiesener Die-Hard-Fan auf die Lokalhelden, während ich, benebelt neben dem tobenden Gig, hemmungslos einschlief.

Dabei hätte sich diese toxische Melange als durchaus geeignete Stimmung zu der komplexen Rhythmik, den Elektrobeats und den verkapselten Songstrukturen der noch unveröffentlichten Songs dargeboten. Ich verpennte also das Projekt, welches nun als Album vorliegt.

Drei der neun Tracks, die sich insgesamt über 40 Minuten erstrecken, dienen hier als kürzere Übergange und Einleitungen zu den längeren Kompositionen. „Distance Dealer“ und „Discreet Channeling“ erinnern teils an die Soundgewitter einiger Vertreter des Shoegaze, während Elektro-Fans auf „Avant-gardez-vous“ und „Alienage Syntropy“ vollends auf ihre Kosten kommen. Fans von My Bloody Valentine und Blonde Redhead, so viel sei verraten, dürften sich beim zentralen Track „Each Ether“ am wohlsten fühlen.

Der hypnotische Groove des wunderbar tanzbaren „One Hit Wonder“ wird durch subtile Becken und elegante Synthie-Einlagen unterstützt, die mit den rasselnden Becken des Schlagzeugs hier hörbar als Rückgrat ausschweifender Noise-Samples dienen.

Das eigentlich Verblüffende ist die Hörbarkeit dieses nicht linearen Albums, die den Zuhörer in die Konzentration zwingt. Die Band erscheint mit den erwähnten Black Metal Vocals auf „Bleeding Decay“ risikofreudiger, da sie bewusst die gemächlicheren Post-Rock-Strukturen ihrer ersten drei Alben verlässt, mithilfe elektronischer Beats und Wall of Sounds sowie Elektroglitches allgemein nuancierter vorgeht. „Avant-gardez vous“ bezeichnet die Stimmung dieses erfrischend bizarren Albums also trefflicher als das lakonische „C’est ça“.
Bewertung: 7/10

Anspieltipps: Distance Dealer, Each Ether, One Hit Wonder