Deconstructing Japan: Die Ausstellung „Luxembourg – Tokyo“ in der Librairie Fellner Louvigny

Deconstructing Japan: Die Ausstellung „Luxembourg – Tokyo“ in der Librairie Fellner Louvigny

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Wer sich am Dienstagabend in die rue Louvigny in Luxemburg-Stadt verirrte, geriet unversehens in einen Menschenauflauf. In der schmalen, heimeligen Buchhandlung fand sich schwerlich Platz für den Andrang an Kunstinteressierten, die der Vernissage der Ausstellung „Luxembourg – Tokyo“ beiwohnen wollten.

Von Tom Haas

„Eigentlich ist ganz Japan eine Erfindung. Es gibt kein solches Land, keine solchen Menschen“, sagt Vivian in Oscar Wildes „Der Verfall der Lüge“. Damit meint sie natürlich nicht, dass das Land faktisch nicht existiert, sondern dass das Bild von Japan, das die japanische Kunst im Westen des ausgehenden 19. Jahrhunderts evozierte, in keiner Weise mit der Realität des japanischen Alltags übereinstimmt.

In gewisser Weise ist das bis heute so geblieben – der Inselstaat ist, aller Globalisierung zum Trotz, für die meisten Menschen der westlichen Hemisphäre ein nahezu mythischer, unzugänglicher Ort. Wir ahnen zwar, dass es dort nicht zugeht wie in den Filmen von Takeshi Kitano und den Mangas von Masamune Shirow, dennoch schwingt allein in dem Namen des Landes immer noch der Hauch des fremdartigen Faszinosums mit. Umso besser, dass sich nun sieben Luxemburger Künstler dem Land aus ihrer jeweils eigenen Perspektive genähert haben, um Licht, Sinn und Form ins Dunkel zu bringen.

Riege hochkarätiger Künstler 

Christian Aschman, Trixi Weis, Serge Ecker, Flora Mar, Raoul Ries, Stina Fisch und Isabelle Lutz – die Liste der ausgestellten Namen ist lang und hochkarätig, es sind keine Unbekannten in der Riege der bildenden Künste Luxemburgs, die sich bei Fellner Louvigny die Ehre geben. Genauso vielfältig ist auch die Herangehensweise, mit welcher die Künstler sich im Zuge ihres Aufenthalts dem Gastland genähert haben. Drei davon seien im Folgenden exemplarisch unter die Lupe genommen.

Serge Ecker, der nach dem Tsunami 2013 in Japan war, hat die gesehenen und fotografierten Verheerungen mittels 3D-Printer de- und rekonstruiert – jede ausgestellte Skulptur trägt als nüchternen Titel die jeweiligen geografischen Koordinaten ihrer realen Vorlage. Die Plastiken, die auf diese Weise zustande kommen, zeigen ein tristes, entkoppeltes Bild der Zerstörung durch jene Naturgewalten, die den japanischen Alltag prägen und auch in der einheimischen Kunst entsprechenden Niederschlag fanden – man denke an „Die große Welle vor Kanagawa“ von Katsushika Hokusai.

Bazillen als Kunstobjekt

Flora Mar dagegen hat sich vom Ort ihrer Residenz selbst zu dem Werk inspirieren lassen – und hat im ehemaligen Tuberkulosesanatorium den Koch-Bazillus in mikroskopischer Aufnahme zum Objekt ihrer abstrakten, künstlerischen Betrachtung gemacht. Die Serie ist überschrieben mit „Les Fleurs du Mal“ und tatsächlich oszillieren die Betrachtungen zwischen Baudelaire und Benn und zeigen erstaunliche Bezugspunkte in deren Ästhetik des Morbiden und dem Konzept des japanischen Wabi-Sabi, der von Zen inspirierten Betrachtung der Vergänglichkeit allen Seins als ästhetischem Akt.

Raoul Ries hat dagegen in den ausgestellten Fotografien den Mount Fuji wortwörtlich ins Zentrum seiner Betrachtung gestellt – der heilige, hoheitlich anmutende Berg ist das Leitmotiv, das zu verschiedenen Jahreszeiten aus unterschiedlichen Perspektiven immer noch wie eine Erinnerung oder ein Nachhall jener Tage wirkt, in denen die Kami-Verehrung der Shinto-Mythologie Sorge dafür trug, dass der Zorn des Vulkans sich nicht über die Menschen ergoss, die in seiner Umgebung lebten. Auch hier ist die schlummernde Gefahr in kühler Schönheit erfahrbar, die in der Wahrnehmung des Westens für die vielfach kolportierte Schicksalsergebenheit der Japaner verantwortlich ist.

Keine idealen Gegebenheiten

Die Gegebenheiten vor Ort sind, bei aller offenkundigen Liebe für die ausgestellte Kunst, indes nicht ideal – die Ausstellung, obwohl als „klein“ angekündigt, ist wirklich sehr klein. Als Besucher wünscht man sich, einen weiteren, tieferen Blick in die Welten werfen zu können, welche die Künstler durch ihre Studien eröffnen, und sehnt sich, vergeblich, nach mehr.

Hoffentlich wird es in Zukunft noch mal einen größeren Rahmen geben, der diese vielschichtige Betrachtung des Landes der aufgehenden Sonne ermöglicht. Die Ausstellung ist trotzdem mehr als nur einen Blick wert – als gäbe es nicht schon genug Gründe, dieser wunderschönen Buchhandlung einen Besuch abzustatten.