Das Werden und Wachsen einer Region

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Als Wintermärchen mit Schneegestöber und eisigen Temperaturen begann das Kulturhauptstadtjahr für das Ruhrgebiet, dessen Eröffnungsfeier in Essen auf der ehemals größten Zeche der Welt mit viel Musik und Tanz gefeiert wurde. Von unserem Korrespondenten Roland Baumann, Essen

Wenn das Ruhrgebiet bisher von vielen als großes schwarzes Loch wahrgenommen wurde, so ist es dieses Image spätestens seit der samstäglichen Eröffnungsfeier definitiv los. In Anwesenheit von u.a. dem deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler, José Manuel Barroso, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, und dem Ministerpräsidenten von NRW, Jürgen Rüttgers, fand die stimmungsvolle Eröffnungsfeier auf der Essener Zeche Zollverein statt.
Das ehemals kohlschwarze Revier präsentierte sich in strahlendem Schneeweiß mit vielen bunten Farbtupfern. Dafür sorgten die Künstler: Das Programm reichte von Break Dance über swingende Steiger, die beeindruckenden Trommler der „Blue Man Group“ bis zum Rap und der gefühlvollen neuen Ruhr-Hymne von Herbert Grönemeyer.

Kulturelle Identität

Das Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt Europas, ist das überhaupt machbar und realistisch? Seit diesem Wochenende schon, denn eine ganze Region mit 53 Städten und über fünf Millionen Einwohnern trägt mit einem gewissen Stolz und der „stahlarbeiterischen Ruhe und Gelassenheit“ diesen Ehrentitel. Was macht das Ruhrgebiet aus?
Das ist die zentrale Frage des Kulturhauptstadtprogramms.
Die kulturelle Identität und das kulturelle Erbe dieses Ballungsraums sind vom Mythos Ruhr geprägt, von Kohle und Stahl, von harter Arbeit und Solidarität, natürlich auch vom Fußball und vor allem vom Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen, von millionenfacher Einwanderung, von Heimatverbundenheit, vom Wirtschaftsboom durch das „schwarze Gold“ und dem Ende einer entscheidenden europäischen und globalen Epoche – der Industrialisierung. Es lassen sich viele Parallelen zur Minettegegend Luxemburgs ziehen, viele Probleme sind ähnlich, im Ruhrgebiet tritt manches nur deutlicher zu Tage, weil die Region riesig ist, weil Nordrhein-Westfalen das größte Bundesland Deutschlands darstellt und weil deshalb vieles offensichtlicher, krasser und mit größerer Vehemenz aus sich herausbricht.

„Komm zur Ruhr“

Das Ruhrgebiet bedeutet Vielfalt, geballte Konzentration von Mensch und Industrie und ist doch einzigartig. Dieses bunte Durcheinander, dieses fulminante Sammelsurium an Kulturen vermochte die Eröffnungsveranstaltung sehr schön herüberzubringen. Die Show auf der Bühne inmitten der ehemaligen Kokerei in Essen war dabei genauso beeindruckend wie der wilde Tanz der Schneeflocken oder das abendliche gigantische Fest für alle Besucher.
1.000 Feuer loderten auf dem Industriegelände, fast genauso viele kleine Bühnen lockten mit ihren Programmen, Darstellungen, Installationen und Klangteppichen Neugierige an. Das Kohle- und Stahlrevier lebte seine Vielseitigkeit und atmete in völliger Offenheit seine Kreativität aus.
Parallel zur Eröffnungsveranstaltung wurde auch das neue „Ruhr Museum“, als das Gedächtnis der ganzen Region auf der größten Zeche der Welt eröffnet. Nach zehn Jahren Auf- und Umbauzeit, zeigt es nunmehr in eindrucksvollen Bildern das Werden und Wachsen einer Region, die ihresgleichen in Europa sucht. Eine monumentale Geschichts-Show in der ehemaligen Kohlenwäsche; einem riesigen Haus, das ein gigantisches Panoptikum der Region, seiner Geräusche, Bilder, Gerüche, Arbeiten und seines Lebens beherbergt.
Und seit diesem Samstag hat das Ruhrgebiet dank Herbert Grönemeyer nun sogar seine eigene Hymne. „Komm zur Ruhr“ lobt die Millionen Bewohner der Region als „urverlässlich, sonnig, stur“ und attestiert ihnen einen Hang zum „dürretrockenen Humor“. „Jeder kommt für jeden auf, in Stahl gebaut“, heißt es in dem Text. Und jeder, der Lust hat, kann sich im Laufe dieses Jahres ein eigenes Bild dieses Ruhrgebiets machen, das mit Sicherheit einen Besuch lohnt. „Komm zur Ruhr“ heißt es abschließend im Grönemeyer-Text, das ist Aufforderung und Programm zugleich.