/ Das Spiel mit Sprache in Raum und Zeit
Beim Betreten des „Raums der Wörter“ – die Sammelausstellung heißt „The space of words“ – sind tatsächlich überall Wörter zu sehen und zu hören, aus Lautsprechern, auf Gemälden oder in den Büchern einer Bibliothek. Sprache bestimmt den Raum – oder ist es der Raum, der die Sprache bestimmt? Wahrscheinlich beides, denn die elf Künstler beschäftigen sich in unterschiedlicher Weise damit, inwieweit Sprache und Raum sich gegenseitig bedingen, ergänzen oder auflösen.
Zum Beispiel Manon de Boer: In ihren Werken spielt sie mit Ausdruck und Inhalt von Sprache. Indem sie die englische Sängerin Alison Goldfrapp drei kurze Monologe in drei ihr fremden Sprachen sprechen lässt, spürt de Boer die Zwischenräumen zwischen den Sprachen auf: Goldfrapp versteht nur Englisch, spricht für dieses Experiment aber Holländisch, Spanisch und Französisch. Ohne die Bedeutung der Texte zu verstehen, konzentriert sie sich auf Melodie, Rhythmus und Tonfall. Dem Zuhörer wird klar, dass es bei Kommunikation nicht allein um die inhaltliche Bedeutung geht, schließlich sind die gesprochenen Texte für Goldfrapp inhaltsleer und dennoch versteht sie es, eine Botschaft herüberzubringen.
o Wann? Bis zum 25. Mai, täglich von 11 bis 18 Uhr, mittwochs von 11 bis 20 Uhr, dienstags geschlossen o Wo? Mudam o Internet: www.mudam.lu |
Assoziationsspielemit Plakatresten
Ein ganz anderes Ziel verfolgt Raymond Hains. Der 2005 in Paris gestorbene Künstler entzieht der Sprache vordergründig ihren Sinn, um ihr so neue Bedeutungsebenen zu geben. Dafür reißt er Plakate von den Wänden und liest aus den Resten, die übrig bleiben, neue Welten heraus. Um diese zu entschlüsseln, muss sich der Betrachter auf Assoziationsspiele einlassen.
Besonders verspielt sind auch die Werke von Frances Stark, die in ihren Collagen Textfragmente, wie zum Beispiel Zitate aus der Literatur, mit grafischen Zeichnungen verbindet.
In „Image proof“ sieht man eine Figur, die auf einer Coach liegt und an einem Stift kaut. Über ihr ist eine sprachlose Denkblase zu sehen, die für die noch uninspirierte Nachdenklichkeit der Person steht.
Auch Ryan Gander spielt mit dem Entstehen von Kreativität. In „A sheet of paper on which I was about to draw, as it slipped from my table and fell to the floor“ thematisiert er Ideen, die sich zwar entwickeln, sich aber nicht umsetzen lassen. Das weiße Blatt, das von Ganders Schreibtisch weht, hat er in hundertfacher Ausführung in auf dem Boden verteilte Kristallkugeln graviert. Dadurch wird das leere Blatt wie eine gefrorene Erinnerung bewahrt, es steht für Ideen zu nicht realisierten Projekten.
Die Ausstellung der elf Künstler bietet dem Zuschauer eine Art Konfrontationsraum, ein Raum zum Denken, als dem Bindeglied zwischen Bild und Sprache. Immer wieder wird der Sinn von Bedeutung infrage gestellt und so als menschliches Konstrukt entlarvt. Die zweite Ausstellung, die ab heute im Mudam zu sehen ist, wurde im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie konzipiert und treibt wie bereits „The space of words“ Ausdrucksmöglichkeiten an ihre Grenzen. Die Künstler setzten sich mit der Spannung zwischen dem starren und dem bewegten Bild, zwischen dem Augenblicklichen und dem Dauerhaften auseinander.
Ein Augenblick wird zur ganzen Geschichte
Besonders „Arena“ von David Claerbout konfrontiert den Zuschauer mit dem Erleben von Zeit. Indem er in seiner Diaprojektion immer und immer wieder den selben Moment aus einem Basketballspiel einfängt, dabei aber jedes Mal die Perspektive wechselt, erfährt der Zuschauer einen einzigen Augenblick als ganze Geschichte, die er in den Gesichtern von Spielern, Schiedsrichtern und Zuschauern ablesen kann. Während die Videokunst eher das erstarrte Bild in bewegte Bilder übersetzt, kehrt Claerbout das Prinzip um. Anstatt den Ablauf eines Spiels zu filmen, konzentriert er sich auf einen einzigen Augenblick und spielt mit der Zeit: Er hebt sie im abgebildeten Geschehen auf und gibt sie dem Betrachter dadurch zurück.
Und diese Zeit sollte man sich nehmen, um sich auf die Experimente und Welten der über 20 Künstler, die im Mudam zurzeit ausstellen, einzulassen.
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