Klangwelten „Caribou“ und Isobel Campbell bieten Tanzbares und Heimeliges

Klangwelten  / „Caribou“ und Isobel Campbell bieten Tanzbares und Heimeliges
Caribou – Suddenly 

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Sechs Jahre nach „Our Love“ kehrt Dan Snaith mit seinem sechsten Caribou-Album „Suddenly“ zurück – eine Platte, auf der der Kanadier mit vielen Stilrichtungen experimentiert, ohne dabei das pointierte Songwriting aus den Augen zu verlieren.

Plötzlich ist auf „Suddenly“, der sechsten Caribou-Platte, sehr wenig: Die zwölf Songs der Platte sind meisterhaft produziert, präzise geschrieben und einfallsreich strukturiert. Zwischen dem schönen Opener „Sister“, auf dem nur ein leicht schiefes Keyboard Dan Snaiths Falsetto begleitet und dem Closer „Cloud Song“ – dem längsten Track des Albums – wagt der Kanadier Exkurse in den Soul, R’n’B und den Jazz, das Werk wirkt trotz dieser eklektischen Dimension noch fokussierter als die tollen Vorgänger „Our Love“ und „Swim“.

Das liegt wahrscheinlich daran, dass alle Songs durch das starke Songwriting und Snaiths unverkennbare Stimme eine Dringlichkeit und eine Kohäsion bekommen, ohne die die Platte vielleicht eine wagemutige Stilübung geblieben wäre. Dafür sind die einzelnen Tracks aber einfach zu stark: Das vorab veröffentlichte „You And I“ bricht seine schönen Balladenelemente immer wieder auf, um tanzbare, mit Autotune versehrte Segmente einzuflechten, dem ausgezeichneten „Sunny’s Time“ gelingt der Spagat zwischen Jazz und Hip-Hop in seiner kurzen Spielzeit äußerst gekonnt, einem anderen Produzenten wäre das soulige „Home“ mit seinen tollen Samples wohl zu klischeehaft verkommen und „Lime“ beinhaltet gleich drei Songs in einem – herrlich, wie sich der Track von seiner loungigen Intro zu einem tanzbaren Caribou-Song entwickelt, um dann einen akustischen Epilog folgen zu lassen.

Überhaupt hat Snaith die Songs so vielschichtig gestaltet, dass man trotz der überschaubaren Länge der einzelnen Tracks den Eindruck bekommt, dass hier sehr viel gleichzeitig passiert. Das mag daran liegen, dass Snaith mittlerweile so gekonnt mit den Referenzen hantiert, wie es Tarantino in seinen besten Filmen tat – siehe die Cowbells und die „The Rapture“-Synthies auf „Never Come Back“, das die dunkle B-Seite vom Caribou-Hit „Can’t Do Without You“ sein könnte. In der zweiten Hälfte wird die Platte ruhiger und daher auch weniger zwingend, „Suddenly“ bleibt dennoch eine der stärksten Elektropop-Platten des Jahres – und eignet sich hervorragend zum einsamen Tanzen in der Wohnung.

 .

Isobel Campbell bietet heimeligen Folkpop – mehr aber auch nicht

„Nun mach endlich mal!“, ruft man irgendwann Richtung Plattenspieler, wenn das nächste liebliche Folkpop-Liedchen aus den Boxen ertönt, so wunderbar entspannt und leise vorgetragen, so dahingeflüstert, dass es einen irgendwie unterschwellig aggressiv macht. So ähnlich scheint es den Background-Sängerinnen ergangen zu sein, als sie ganz am Ende der ersten Seite bei „Hey World“ das sanfte Hin- und Herschunkeln offensichtlich satthaben und sich plötzlich mit einer mächtigen Gospel-Einlage Gehör verschaffen. Gut so, denn „enough is enough“!

.
. .

Die Schottin Isobel Campbell, die ehemalige Sängerin und Cellistin der Indiepop-Institution Belle and Sebastian, hat ihr erstes Solo-Album seit 14 Jahren veröffentlicht. Sie lebt mit dem Toningenieur Chris Szczech, der das Album auch produziert hat, seit einiger Zeit in Kalifornien. Das hört man den Aufnahmen definitiv an, die mit dem britischen Twee-Pop aus Campbells Anfangsjahren nicht mehr viel zu tun haben, eher staubig flimmerndem Americana zuzuordnen sind und sich auch textuell größtenteils um das Leben in den USA drehen.

Die Stücke sind mit Streichern, Akustik-Gitarren, Perkussion und dezenten Keyboards schön instrumentiert, doch den meisten fehlt eine überraschende Wendung, ein Spannungsmoment oder Höhepunkt. Bei der Zusammenarbeit mit Mark Lanegan lebte diese Spannung von dem Aufeinanderprallen zwei so unterschiedlicher, aber sich dennoch wunderbar ergänzender Stimmen; nun wartet man vergeblich auf den Gegenpart. Auch die Coverversion von Tom Pettys „Runnin’ down a Dream“ vermag keinen Umschwung zu leisten und plätschert wie die Eigenkompositionen so dahin.

Der Song „The National Bird of India“ kann mit seinen verführerischen, leicht orientalisch klingenden Streichern dem Album noch mal eine erfrischende Komponente hinzufügen. Ansonsten gilt: lieb und nett, aber mehr auch nicht! (Gil Max)

Anspieltipps: Hey World, The National Bird of India, Below Zero

Bewertung: 6/10