Mittwoch12. November 2025

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KinowocheDas Kino ist eine harte Droge

Kinowoche / Das Kino ist eine harte Droge
Denis Podalydès in „Making Of“

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Filme übers Filmemachen sind an und für sich ein eigenes Genre. Und François Truffauts „Une nuit américaine“ einer der tollsten Vertreter davon. Niemand hätte jedoch ahnen können, dass sich der Regisseur des Gerichtsfilms „Le procès Goldman“, Cédric Kahn, nur wenige Monate nach seinem Erfolg so einem Stoff widmen würde. „Making Of“ ist aber genau so ein Film, so eine Komödie. War der Goldman-Prozess noch ein Theater im Film, hat man es jetzt mit einem Film in einem Film in einem Film zu tun.

Denis Podalydès gibt Regisseur Simon, der gerade mit den Dreharbeiten für ein Sozialdrama begonnen hat. In seinem Film geht es um die Belegschaft einer Fabrik, die mit einem hartnäckigen Streik die Relokalisierung ihres Arbeitsplatzes zu verhindern versucht. Spoilerwarnung: Der Film hat – cinéma social français oblige – kein Happy End. Der Kapitalismus gewinnt einmal mehr. Die eigentlich gut geölte Maschinerie um und mit Simon an der Spitze bekommt erste Risse, als ein junges Koproduzentenduo am Ende des ersten Drehtags auftaucht. Sie würden ihren finanziellen Beitrag aus dem Budget zurückziehen, wenn das bad end gefilmt wird. Dabei hat Simon aber nie ein Happy End zu Papier gebracht. Über Nacht wird der Dreh zu einer Chaosproduktion – sein Star in der Hauptrolle ist ein Egomane, die Crew ist wenig begeistert, aus freien Stücken und potenziell unbezahlt zu arbeiten, ein langjähriger Produzent löst sich in Luft auf und Simons Ehe steht vor dem Aus. In diesem ganzen Chaos entscheidet Simon, einen Statisten zu befördern. Der junge, motivierte Joseph soll das ganze Sammelsurium mit einer Kamera in der Hand einfangen.

Cohens Humor

Cédric Kahns neues Werk ist natürlich ein Film wie auch ein Kommentar übers Filmemachen. Einige werden „Making Of“ ob seines Tons als unentschieden empfinden, aber eigentlich ist das genau seine Stärke. Die Szenen, die gespielt werden, wirken wie eine sehr schwarze, fast schon zynische Verballhornung der „Trilogie du travail“ von Stéphane Brizé, mit Vincent Lindon in den Hauptrollen. Jonathan Cohen verkörpert den von sich eingenommenen Narziss, der den Anschein gibt, solidarisch und kumpelhaft mit den Arbeiter*innen zu sein, die ihre eigenen Rollen spielen und mit denen er sich die Leinwand teilt – teilen muss. Freunde von Cohens Humor kommen voll auf ihre Kosten, alle anderen weniger. Cédric Kahn gehört zu den Ersteren und wollte ihn im Film haben.

Podalydès – de la Comédie Française; jaja, wir haben es verstanden – wird dem bräsigen Cohen als Pariser Stadtneurotiker gegenübergestellt, der wirklich versucht, trotz aller Steine – ob groß, klein oder imaginiert –, die ihm in den Weg gelegt werden, seinen Film aus dem Boden zu stampfen. Sein nasser Hundeblick ist dabei unwiderstehlich liebenswert und man folgt ihm ganz amüsiert durch das katastrophale Manöver, welches seine Dreharbeiten sind. Die Gleichstellung der Dynamiken des Filmdrehs mit jenen des Kampfes der porträtierten Arbeiterklasse ist leicht grenzwertig, aber Kahn kommentiert auch das im letzten Akt seiner Komödie selbst. Von einer Romantisierung des Filmemachens wie in Truffauts poetisch-elegantem „Nuit américaine“ kann bei „Making Of“ nicht die Rede sein, Cédric Kahns Film ist etwas salopper und bösartiger. Aber was soll man machen, das Kino ist eine harte Droge, von der man beim besten Willen nicht wegkommt.

„Making Of“ von Cédric Kahn; mit u.a. Denis Podalydès, Jonathan Cohen, Stefan Crepon, Emanuelle Bercot und Xavier Beauvois, zu sehen im Ciné Utopia