Das Geschäft mit der Angst

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Stephen King ist der Meister des Grauens. Seine rund 50 Romane sind weltweit 400-millionenfach im Umlauf, etliche auch verfilmt. Dabei bringt King, wie er sagt, nur seine eigenen Ängste zu Papier.

Stephen King hat längst ausgesorgt. Seine Erzählungen verschlagen Lesern rund um den Globus den Atem, sind zu Blockbustern wie „The Green Mile“ verfilmt, auf der Bühne und im Fernsehen zu sehen. King betreibt mit seiner Frau Tabitha eine eigene Radiostation und einen Verlag. Der Erfolg hält ihn aber nicht davon ab, wie besessen weiter zu produzieren. Allein in diesem Jahr kündigte King, der am Freitag (21.9.) seinen 65. Geburtstag feiert, vier neue Buchprojekte an.

Stephen King (Foto: dpa)

Was treibt einen Bestsellerautoren, der mit einem Jahreseinkommen von geschätzt 50 Millionen Dollar (39 Millionen Euro) schon jetzt weit mehr verdient als die meisten seiner Kollegen? Die Suche nach Anerkennung in der Welt der Literatur? Mit Auszeichnungen des Horror-Genres ist King eingedeckt. Als er 2003 aber den National Book Award verliehen bekam, eine der höchsten Ehren für US-Literaten, wollte der Protest nicht verstummen.

„Kein bisschen literarischer Wert“

„Dass sie glauben konnten, in seinen Werken stecke auch nur ein bisschen literarischer Wert, ästhetische Errungenschaft oder erfinderische Intelligenz, bezeugt einfach ihre eigene Dummheit“, attackierte der Yale-Professor Harold Bloom die Preisverleiher. Diese ließen über ihren Sprecher entgegnen: „Wir müssen unsere Vorstellung davon erweitern, was Literatur ist.“

King selbst beurteilt sein Werk pragmatisch. „Meine Bücher sind das literarische Äquivalent eines Big Mac mit einer großen Portion Pommes.“ Allerdings gab er gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ auch zu, sich Kollegen wie John Updike und Philip Roth unterlegen zu fühlen. „Ich war der Typ, der nur auf öffentlichen Schulen war. Updike ging auf die guten Schulen. Die Ivy League.“ Das Bekenntnis des literarischen Underdogs King stammt aus einem seiner seltenen Interviews, im Frühjahr 2012.

In einfachen Verhältnissen aufgewachsen

King wuchs in einfachsten Verhältnissen auf. Der Vater verließ die Familie, als Stephen gerade zwei war. Die Mutter schuftete rund um die Uhr, um Essen auf den Tisch zu bringen. Als eine Krankheit den Jungen ein ganzes Jahr lang ans Bett fesselte, fing er an zu schreiben, um die Zeit rumzukriegen. „Meine Mutter liebte die Geschichten. Das war mein Antrieb. Jemand wie ich will anderen gefallen.“ King studierte, um Englisch zu unterrichten, fand aber anfangs keinen Job und verdingte sich in einer Großwäscherei.

Zum Durchbruch verhalf ihm seine Frau, die das Manuskript für den ersten Roman aus dem Müll fischte und King ermunterte, „Carrie“ zu Ende zu schreiben. Tabitha, genannt „Tabbie“, rettete King später auch aus der Abhängigkeit von Alkohol und Kokain. Noch heute trifft sich der Autor mehrfach die Woche mit anderen Anonymen Alkoholikern.

2000 Wörter pro Tag

Derweil hält er an seinem Pensum von wenigstens 2000 Wörtern pro Tag fest. Rund 50 Romane, mehr als 100 Kurzgeschichten, ein Sachbuch über das Schreiben von Horrorerzählungen, dazu mehrere Novellen und Drehbücher hat der Fließbandliterat schon zu Papier gebracht. Er befreie sich beim Schreiben von den eigenen Ängsten, sagt King, und erspare sich mit seinen Büchern den Psychiater.

Dass der Pop- und Kult-Literat bei aller Bescheidenheit aber auch ein Bahnbrecher ist, zeigte er unter anderem, als er mit „Riding the Bullet“ (Achterbahn) das erste E-Book einen Tag lang kostenlos im Internet veröffentlichte. Das Experiment wurde ein sensationeller Erfolg. Den Roman „Ur“ schrieb King exklusiv für das Lesegerät Kindle. Angespornt von einem seiner Söhne begab sich King auch unter die Comic-Schreiber.

Auch im Film

Verfilmt wurden unter anderen „Carrie“, die Story eines Mädchens, das telekinetische Fähigkeiten entwickelt und sich grausam an den Peinigern in ihrer Schule rächt. Ebenso erfolgreich waren „The Shining“ (1980), „Die Verurteilten“ (1994) und „The Mist“ (2007). King mixt Alltagsängste mit der Furcht vor Dunkelheit, vor den Abgründen der Technologie, vor Geheimdiensten, Regierungen, dem Unbekannten und Bösewichtern jeder Kategorie. „Das letzte Gefecht“ handelt von der Bombe, „Talisman“ von der Zerstörung der Natur, „Christine“ von der Technik, die sich selbstständig macht. Das ultimative Monster ist „Es“.

Nach einem schweren Unfall, bei dem der Fußgänger King auf einer Landstraße in seinem Heimatstaat Maine lebensgefährlich verletzt wurde, erschien „Love“. Es gehört zu seinen persönlichsten Arbeiten und erzählt die Geschichte einer Witwe, die nach dem Tod ihres Gatten, eines erfolgreichen Schriftstellers, dessen Nachlass ordnet und dabei auf die schrecklichen Erinnerungen und Albträume aus seiner Kindheit stößt. Dass mehr in ihm steckt als Horror, beweist King auch mit dem Historienwälzer „Der Anschlag“ (2012). In ihm untersucht er, ob sich das Attentat auf John F. Kennedy – und damit der politische Umschwung von 1963 – hätte verhindern lassen. Zuletzt kündigte King an, dass er im Herbst 2013 die Fortsetzung zu seinem Roman-Bestseller 2Shining“ auf den Markt bringen wolle. Das Buch soll den Titel „Doctor Sleep“ tragen.