Das Drama im Menschen

Das Drama im Menschen
(Tageblatt/Isabella Finzi)

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Vor mehr als zehn Jahren stieß Carole Lorang im Verlag der Autoren auf Minidramen. Seitdem hütet sie sie wie einen Schatz. Wann immer sie darauf stößt, hebt sie es sorgsam auf, mit dem Wissen, eines Tages damit arbeiten zu wollen.

Einen Leitfaden, der die kurzen Stücke, szenische Reduktionen, dramatische Abbreviaturen und Bagatellen miteinander verbindet, scheint Carole Lorang gefunden zu haben. Seit Februar laufen die Proben für ihre Inszenierung der Minidramen im Kasemattentheater auf Hochtouren. „Die Arbeit bereitet uns unglaublich viel Spaß“, offenbart die junge Regisseurin. „Gerade weil uns die Minidramen keine künstlerischen und interpretatorischen Grenzen setzen.“

In der Tat, die Minidramen sind kleine Schriftstücke, die einen absurd, die anderen verwirrend. Sie alle wollen nicht unbedingt eine Geschichte erzählen, uns eine Botschaft aufzwingen oder moralisierend wirken. Nein, sie sind viel eher ein autonomes und literarisches Werkzeug der Vieldeutigkeit, die das Verständnis- und Urteilsvermögen außer Kraft setzen.

Momente der Innigkeit

Carole Lorang geht die Minidramen wie ein Experiment an, sie sucht nach neuen Ausdrucksformen, nach neuen Konzepten, Theater zu gestalten. In ihren Minidramen – Erzählungen von verschiedenen Autoren und unterschiedlicher Herkunft wie etwa Ken Campbell, Anton Tschechow, Daniil Charms, Philipp Engelmann, Hartmut Geerken, Jiri Kolar oder Reinhard Lettau – fühlt die Regisseurin einem Paar auf den Zahn. „Die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen meinen beiden Protagonisten sind Gegenstand meiner Untersuchungen“, verdeutlicht Carole Lorang im Gespräch. Zwei Menschen, die sich fremd gegenüberstehen, manchmal aber Augenblicke der Innigkeit erleben: Momente des Vertrauens und blinden Verstehens, um Sekundenbruchteile später in eine neue Rolle zu schlüpfen, die dem Lauf der Geschichte eine völlig neue Richtung gibt.

Verwirrung heraufzubeschwören gehört zu ihren Minidramen und verlangt viel vom Zuschauer ab, der partout versucht, den Geschehnissen folgen zu wollen. Doch gibt es etwas zu verstehen? Eine Frage, die Carole Lorang unbeantwortet lässt. 22 Szenen umrahmen ihre beiden Schauspieler Nora Koenig und Pitt Simon, denen abstruse und groteske Geschichten bekannt sein mögen, standen sie doch zuletzt bei Jelineks „Babel“ gemeinsam auf der Bühne und verwirrten ihr Publikum mit einer atemberaubenden und unnachahmlichen Wortakrobatik und Mimik, die in den Minidramen vollends ausgereizt wird.