Cannes 2009: Symbolträchtiger Anstoß (Bilder)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Seit dem gestrigen Mittwoch zeigt Cannes sich wieder im roten Kleid. Der rote Teppich und die berühmte „montée des marches“ gehört für die nächsten zwölf Tage zum allabendlichen Ritual. Von unserer Korrespondentin Martine Reuter, Cannes

Der Start erfolgt in diesem Jahr mit einem Animationsfilm aus dem Hause Pixar und symbolträchtig war die Entscheidung der Verantwortlichen, das diesjährige Festival mit einem 3D-Film zu eröffnen allemal. Das Werk steht für Aufschwung, für Entscheidungskraft, für den Glauben an den (amerikanischen) Traum und heißt schlicht und ergreifend „Up“.
Im zehnten Film aus den Pixar-Studios wird die Geschichte einer innigen Liebe, die im Sandkastenalter beginnt, erzählt. Carl und Ellie treffen sich zum ersten Mal in einem verlassenen und verkommenen Haus. In ihren Kinderträumen ist nur Platz für das Abenteuer, beide wollen auf den Spuren des bekannten Forschers Carl Muntz wandern und nach Venezuela fahren, doch beide wissen nicht, wie sie dies anstellen sollen.
Die Zeit vergeht, die beiden heiraten und bleiben ihr Leben lang im selben Haus wohnen, in dem sie sich kennengelernt haben. Als Ellie nach einem langen und erfüllten Leben gestorben ist, erinnert Carl sich erneut an das Versprechen, das er Ellie vor Jahren gegeben hatte und als der Abtransport in ein Altersheim bevorsteht, handelt Carl. Mit der Hilfe von 10.000 Luftballons hebt das Haus ab und Carl entschwindet in Richtung Südamerika. Allerdings hat sich ein junger Pfadfinder auf seiner Terrasse versteckt und Carl ist alles andere als begeistert über den blinden Passagier.

Der Markt hinkt hinterher

Nachdem vor Jahren „Shrek“ als erster Animationsfilm im Wettbewerb gezeigt wurde, geht es nun mit „Up“ eine Stufe weiter. Der 3D-Film soll, so hoffen Produzenten und Regisseure, den Markt neu beleben und die bereits für die Jahre 2006 bis 2008 versprochene Entwicklung in dieser Sparte endlich in die Tat umsetzen. Noch hinkt der Markt hinter den Erwartungen her, doch das Signal, das mit „Up“ als Eröffnungsfilm gesetzt wurde, dürfte nicht ungehört verhallen. Denn auch Michael Moores „Bowling for Columbine“ hatte dem Dokumentarfilmmarkt einen entscheidenden Anstoß verpasst.
So hatte es sich gestern Vormittag der künstlerische Leiter der Filmfestspiele, Thierry Fremaux, nicht nehmen lassen, die Journalisten höchstpersönlich auf den korrekten Gebrauch der 3D-Brille hinzuweisen, dies wie gewohnt bei guter Laune. Viele Fotografen nutzten die Gelegenheit und hielten den ersten Einsatz derartiger Brillen hier in Cannes im Bild fest und auch Fremaux selbst schoss ein Foto fürs private Album.
Der 3D-Markt ist sehr vielschichtig und ein Blick hinter die Kulissen zeigt warum. So wie früher bei den Videorekordern, später bei der Laserdisc und vor kurzem bei Bluray, dem DVD-Nachfolger – es lief immer auf einen Kampf der Systeme hinaus. In diesem Fall liegen Kinobetreiber und Verleiher miteinander im Clinch. Die Brillen verursachen Mehrkosten, die keine der beiden Seiten tragen will.
In den USA ist das RealD-System mit Wegwerf-Brillen Trumpf. Großer Nachteil ist hier die teure silberbeschichtete Leinwand, die bei klassischen 2D-Vorführungen keine gute Qualität liefert.
Das XpanD-System hat in Europa die Nase vorn, einfach zu handhaben und von guter Qualität, dafür allerdings legt man mehr Geld auf den Tisch.
Als Dritter im Bunde ist da noch Dolby 3D Digital Cinema. Hierfür braucht man spezielle Filter für die Projektoren, während die Brillen Mehrweg sind.

Rund um den Globus wird an 3D gearbeitet

Noch ist keine wirkliche Lösung in Sicht, und es dürfte vor allem der Zuschauer sein, der hier verliert, da oft genug die Kinobetreiber aus Kostengründen auf 3D-Vorstellungen verzichten.
Dabei wird in den 3D-Werkstätten rund um den Globus emsig gearbeitet. Warner Bros. produziert „Sultan the Warrior“, in Norwegen heißt das Projekt „Pelle the Police Car goes bathing“, Frankreich konzentriert sich auf Oceans 3D: „Into the deep“, Spanien setzt auf das Weihnachtsfest „Holy Night“, die Gebrüder Pang drehen einen 3D-Horrorfilm „The Child’s Eye“ und der belgische Produzent und Regisseur Ben Stassen versucht „Around the World in 50 years“ zu verkaufen.
Mangelnde Aktivität kann man der Branche demnach nicht vorwerfen, dafür könnte man sich etwas mehr Tiefgang wünschen. „Up“ ist eine wundervoll romantische leicht verkitschte Lovestory und passt gut auf den amerikanischen Markt. Es macht viel Freude, die perfekten Bilder zu sehen, allerdings kommt man in puncto 3D nicht wirklich auf seine Kosten, es wurde sehr in die Tiefe gearbeitet, um das Raumgefühl zu entwickeln, doch ganz überzeugend ist das nicht.
In den 1950er Jahren wurden in den 3D-Filmen vor allem mehr oder weniger große Schockeffekte zum Einsatz gebracht und in den ersten Produktionen bei der Neubelebung ging der Trend eindeutig in dieselbe Richtung, doch dies reicht nicht aus.
Es muss sich eine neue 3D-Philosophie entwickeln, die den unwahrscheinlichen Möglichkeiten des neuen Mediums gerecht wird und es muss einen wirklichen Unterschied zwischen 2- und 3D- Vorstellungen geben.
Erst wenn ein 3D-Film ein großartiges Erlebnis verspricht und dieses Versprechen auch halten kann, dann wird der wahre Aufstieg dieser Technik beginnen.