/ Berlinale: Kein Grund zum Klagen

Von unserer Redakteurin Heike Bucher, zzt. Berlin
„Die Entscheidungen gingen sehr schnell und sind uns leicht gefallen“, meinte Jury-Präsident Werner Herzog, „es gab keine Verbitterung.“ Dem Naturliebhaber Herzog stand es ins Gesicht geschrieben, wie zufrieden er mit der Entscheidung für den türkischen Wettbewerbsbeitrag „Bal“ (Honig) war, der als bester Film mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde.
Denn auch in Herzogs Filmen spielen Aufnahmen wilder Landschaften stets eine große Rolle. Bei „Bal“ ist es die saftige grüne Natur in Schwarzmeernähe, in die der Film eintaucht. Üppig bewaldete Bergketten, in deren hohe Bäume Imker ihre Bienenstöcke hängen.
Der Vater des sechsjährigen Yusuf ist einer von ihnen, liebevoll und geduldig verbringt er seine Tage auf der Suche nach vollen Waben. Als die Bienen wegbleiben, muss er weiter von zu Hause weg und sein schüchterner und ohnehin schweigsamer kleiner Sohn hört völlig auf zu sprechen. „Bal“ ist kein Film vieler Worte, dafür einer, der einer Landschaft huldigt und die Lebensgewohnheiten der Menschen nahe bringt.
Als Semih Kaplanoglu, der Regisseur des Films, seinen Preis entgegennahm, äußerte er sich besorgt. Denn dort, wo der Film gedreht wurde, sollen Kraftwerke gebaut werden, was gleichbedeutend wäre mit der Zerstörung dieser wunderschönen Gegend. „Vielleicht helfen dieser Film und dieser Preis, das zu verhindern“, meinte er.
Beste Regie: Roman Polanski
Überraschend war der Silberne Bär für die Regieleistung des Altmeisters Roman Polanski bei seinem neuen Film „The Ghost Writer“. Überraschend deshalb, weil es andere Bewerber gegeben hätte, die frischeren Wind und einen unkonventionelleren Blick in den Wettbewerb gebracht haben. Ein spannender Krimi ist „The Ghost Writer“ allemal, weil er alles hat, was ein guter Film braucht: ein stimmiges Drehbuch, große Stars und ein perfektes Timing.
Und doch ist er vielleicht nur das Werk eines alten Hasen: solide, aber gediegen, großes Kino und doch vorhersagbar. Der Bär für Polanski erfüllt wahrscheinlich noch einen anderen Zweck, als nur einen guten Regisseur auszuzeichnen. Er will ein Zeichen setzen und Solidarität bekunden.
Silberner Bär für den besten Schauspieler
Für die Wahl gleich zweier Männer, Gregory Dobrygin und Sergej Puskepalis, als Preisträger des Silbernen Bären für den besten Schauspieler verdient die Jury selbst einen Bären. „How I Ended Last Summer“ erzählt von zwei Männern auf einer russischen Polarstation irgendwo im Atlantik. Ein Funkspruch, den der junge Praktikant Pavel zufällig entgegennimmt, bringt ihn an den Rand der Verzweiflung.
Denn dem undurchsichtigen Meteorologen Sergej sagen zu müssen, dass seine Familie bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, bringt Pavel nicht fertig. Eindringlich, ergreifend und glänzend gespielt zeichnet der Film ein Psychogramm zweier Männer, die durch Zufall aneinandergeraten sind und sich letztlich wie Feinde gegenüberstehen. Der Silberne Bär für herausragende künstlerische Leistung ging völlig zu Recht an den Kameramann des Films Pavel Kostomarov. Bleibt nur zu hoffen, dass „How I Ended Last Summer“ den Weg in die hiesigen Kinos findet.
Während die Auswahl an männlichen Protagonisten extrem groß war, gab es nicht viele Frauen, die für den Darstellerinnenpreis infrage kamen. Sicherlich war die japanische Schauspielerin Shinobu Terajima eine geeignete Kandidatin. Sie spielt eine Frau, deren Mann zwar mit diversen Tapferkeitsmedaillen, dafür aber völlig versehrt aus dem Krieg nach Hause kommt, mehr als Kopf, Torso und ein funktionierendes Geschlechtsteil sind nicht übrig geblieben.
Leider geht der Film „Caterpillar“, für den sie ausgezeichnet wurde, nicht als großer Wurf durch. Denn die Botschaften, die der Film bereithält, kommen mit dem Holzhammer daher, etwas mehr Subtilität hätte nicht geschadet.
Großer Preis der Jury
Höchst erfreut zeigten sich Florin Serban und George Pistereanu, Regisseur und Schauspieler des rumänischen Beitrags „If I Want To Whistle, I Whistle“. Gleich zwei Preise heimste der Film ein, den Großen Preis der Jury und den Alfred-Bauer-Preis, mit dem neue Perspektiven im Kino gewürdigt werden.
Silviu, ein junger Strafgefangener steht kurz vor seiner Haftentlassung, da erfährt er, dass sein jüngerer Bruder mit seiner Mutter nach Italien ziehen will. Um das zu verhindern, nimmt er eine Sozialarbeiterin als Geisel und ringt so seiner Mutter ein Versprechen ab. Gedreht wurde vorwiegend mit jugendlichen Straftätern und einem Schüler in der Hauptrolle, der das Zeug zum Filmstar hat. Serbans erster Spielfilm bleibt wegen seiner authentischen Atmosphäre lange haften, genauso wie der Wunsch, noch weitere Filme dieses sensiblen Regisseurs zu sehen. Den Film widmete er übrigens all jenen Kindern, „die diese Reise mit mir gegangen sind“.
Eine Reise war auch die diesjährige Berlinale, weil sie die Zuschauer mitnahm in viele entfernte, oft unbekannte Welten, in Geschichten von Menschen, die einem ungewollt ganz nah kamen und Horizonte aufzeigte, denen wir uns in unserem immergleichen Alltag oft nicht nähern. So muss Kino sein.
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