/ B.B. King vertont sein Testament
Es ist ein Alterswerk, womöglich das letzte Album des 83-Jährigen. Wenn es so käme, dann wäre es ein würdiges Testament. Es erscheint genau zum richtigen Zeitpunkt, zumindest in den Vereinigten Staaten: Das Land ist vom Blues der Finanzkrise erfasst, deshalb schaut es auf Bewährtes zurück. B.B. King ist da eine sichere Bank.
Der letzte lebende Musiker, der den Blues über Jahrzehnte stilbildend geprägt hat, um den es aber in letzter Zeit eher still geworden war, schöpft nun noch mal aus dem Übervollen seines Werks.
Haltet mein Grab sauber
Jahrelang ist er noch getingelt, bis zu 150 Auftritte pro Jahr, und das obwohl er übergewichtig und schwer diabeteskrank ist, kaum länger als fünf Minuten stehen kann und auch seine Konzerte sitzend absolviert.
Aber wenn der alte Mann „Lucille“, seine Gitarre, jammern und schmeicheln lässt, wenn er den Mund öffnet und mit dieser brüchigen Altherrenstimme noch einmal den Delta-Blues erklingen lässt, merkt man, dass da einer seinen Frieden mit dem Lebensende, dem bevorstehenden Sterben, dem Phänomen Tod gemacht hat.
B.B. (sein Bühnenname Beale Street Blues Boy aus den 50er Jahren wurde verkürzt) King resümiert die Erfahrung seines Lebens. Mit „See That My Grave Is Kept Clean“ bietet er seine Grabeshymne dar, ein wunderbar leichtes, dennoch tiefgehendes Stück – der stärkste Song des neuen Albums. Er verschreckt nicht einmal junge Leute, sondern macht auch diese neugierig auf das, was da noch kommt. Schon lange nicht mehr war der Blues so eindringlich. B.B. King war Mitte des vergangenen Jahrhunderts der schwarze Junge von den Baumwollplantagen Mississippis, der den Sound seiner schwarzen Vorfahren und Brüder innovativ durchdrungen und – im besten Sinn des Wortes – massenpopulär gemacht hat. Selbst in Breschnews Sowjetunion wurde er wieder und wieder eingeladen.
Jahrzehnten als Blueskönig folgte mindestens eines, die neunziger Jahre, in denen der Veteran aus der urwüchsigen Musik der Afroamerikaner einen für Weißen gefälligen Country-Blues zelebrierte, der handwerklich exzellent war, aber nicht mehr mit der Sehnsucht der frühen Jahre, dem Schreien der Gitarre, der Intimität, die B.B. King von den anderen unterschieden hatte. Nun war auch er Mainstream, aus Blues war Bluesrock und gar Bluespop geworden. Seine Duette mit Eric Clapton, den King für den größten Bluesmusiker weißer Hautfarbe hält, waren interessant, aber nicht drängend.
Alte Magie neu belebt
Der Alte schien verbraucht, seine Musik nur noch ein schwaches Viagra – selbst auf den Live-Konzerten kam es über dem Steelgitarren-Sound nicht mehr zur Erregung früherer Tage. Ganz zu schweigen davon, dass das schwarze Amerika sich in dieser Musik nicht wiederfand. Der, der einst den Blues fortschrieb, ließ ihn zunehmend verwehen.
Es war der junge, aber traditionsbewusste und weiße Back-to-the-Roots-Produzent T-Bone Burnett, der des Altmeisters musikalisches Potenzial noch einmal zum Schwelgen brachte. Er verdonnerte den mehrfachen Großvater und Urgroßvater dazu, sich mit überwiegend weißen Musikern, dem Bassisten Nathan East, dem Pianisten Dr. John, dem Schlagzeuger Jim Keltner und einer Bläsertruppe, ins Studio einzuschließen und seine alten Lieder noch einmal neu zu vertonen.
Das strikt modernisierte musikalische Material stammt überwiegend aus der Jugend der Blues-Legende, B.B. King darf sein Revival voll auskosten. Womöglich, so sagen US-Kritiker, darunter Greil Marcus, der bedeutendste Pop-Essayist, ist das das Ende des authentischen Blues. Denn B.B. King hat keine Nachfolger. Stirbt er, der sein Grab bereits gerichtet hat, werden es vorwiegend weiße Musiker sein, die auf der Bühne Blues darbieten. So wie schon heute in den Clubs von Chicago und in den Metropolen an der Ostküste. Nur in Mississippi schlagen noch überwiegend schwarze Bluesmusiker die Gitarre. „Ich trug die Einsamkeit in meinem Herzen wie ein Geheimnis oder eine große Schande“, hat B.B. King einmal über seine Texte gesagt. „Im Grunde birgt der Blues alle menschlichen Gefühle“, erklärte er. Das wird jetzt noch einmal spür- und hörbar, mit Kings Spielfreude kehrt auch die Magie seiner Musik zurück. Es waren äußerst glückliche Umstände, die das ermöglicht haben, glücklich auch für alle Blues-Fans.
CD-TIPP: B.B. King: „One Kind Favor“, Geffen Universal |
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