PhilharmonieAusverkauftes Haus für Anne-Sophie Mutter und die Mailänder Scala

Philharmonie / Ausverkauftes Haus für Anne-Sophie Mutter und die Mailänder Scala
In bester Spiellaune: Anne Sophie Mutter und ihre Virtuosi  Foto: Sébastien Grébille

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Spielerische Feinheiten und gute Laune mit Anne-Sophie Mutter und den Mutter’s Virtuosi am ersten, grimmige Gesichter und massives Klangspektakel mit den Kräften der Mailänder Scala am zweiten Abend; so unterschiedlich können Konzerte ausfallen.

Von Bach bis Previn

Mit sommerlicher Leichtigkeit, bester Spiellaune und wunderbarer Musik begeisterten Anne-Sophie Mutter und die Mutter’s Virtuosi ihr Publikum am vergangenen Sonntag in der Philharmonie. Unter dem Titel „Von Bach bis heute“ standen Werke für Violine aus dem 18. und 21. Jahrhundert auf dem Programm. Das Konzert begann mit dem eher selten zu hörenden Konzert für drei Violinen in F-Dur von Antonio Vivaldi mit den Solisten Anne-Sophie Mutter, Mohamed Hiber und Elias David Moncado, beides Mitglieder des Ensembles. Anne-Sophie Mutter, die das Ensemble dann auch dezent leitet, will in ihrem Spiel nichts von der historischen Aufführungspraxis wissen. Ihr Vivaldi klingt klassisch schön, mit einem warmen Timbre und zum Teil rasanten Tempi in den Ecksätzen. Das Zusammenspiel der drei Solisten funktionierte perfekt; auch wenn Anne Sophie Mutter die erste Geige spielte, so drängte sie sich doch niemals in den Vordergrund.

Musikalische Schönheit, Präzision und Ausdruck zeichneten anschließend auch das Violinkonzert BWV 1041 von Johann Sebastian Bach aus. Auch hier nahmen die Virtuosität der Solistin und die Spiellust der Musiker die Zuschauer mit auf eine wunderbare Reise, die sich anschließend mit André Previns Nonett für zwei Streichquartette und Kontrabass fortsetzte. Previns Sprache ist in diesem 2014 komponierten Werk durchaus tonal und „amerikanisch“, wie er aber die verschiedenen Instrumentenblöcke einsetzt und dabei unterschiedliche Atmosphären und Klangfarben herbeizuzaubern weiß, ist schon große Komponierkunst. Demnach viel Applaus gab es bereits nach der ersten Konzerthälfte.

Es folgte Johann Sebastian Bachs Brandenburgisches Konzert Nr. 3, das das konsequente Interpretationskonzept der Musiker weiterführte, nämliche expressives (Zusammen-)Spiel, Transparenz und Dynamik zu einem stimmigen Ganzen zu vereinen. Höhepunkt des Abends allerdings war das abschließende Violinkonzert op. 5 Nr. 2 von Chevalier de Saint-George (1745-1799), der mit bürgerlichem Namen Joseph Bologne hieß, in Guadeloupe geboren wurde und Sohn einer Sklavin war. Dieses Konzert, das zweite von insgesamt 14 Violinkonzerten, begeistert mit seinen wunderbaren Einfällen und seiner unbestreitbaren musikalischen Schönheit. Darüber hinaus klappt das Werk in jedem Moment und ist von seiner Struktur her ausgewogen. Parallelen zum französischen Stil, zu Haydn und dem jungen Mozart sind deutlich herauszuhören. Bologne war seinerzeit nicht nur ein erstklassiger Wettbewerbsfechter, sondern auch ein respektierter Violinvirtuose. Und diese Virtuosität spürt man dann auch in diesem pulsierenden und vorwärtsdrängen Konzert. Dank Anne-Sophie Mutters, wie immer, einmaligem Spiel und dem großen Können der Mutter’s Virtuosi wurde Chevalier de Saint-Georges Violinkonzert zu einem absoluten Hörgenuss. Die Begeisterung des Publikums kannte keine Grenzen und die Musiker bedankten sich mit drei Zugaben, davon zwei aus Vivaldis Vier Jahreszeiten und das Hauptthema aus Robert Altmans Film The Long Goodbye, komponiert von John Williams.

Verdis Chöre aus erster Hand

Nach den feinen und leichtfüßigen Interpretationen von Anne Sophie Mutter und den Mutter‘s Virtuosi folgte am Montag ein regelrechtes Klangspektakel mit dem Chor und Orchester der Mailänder Scala unter Riccardo Chailly. Es ist dem Dirigenten und den Organisatoren hoch anzurechnen, dass sie für ihre diesjährige Europa-Tournee den Fokus auf den legendären Chor der Mailänder Scala legen. Das Programm ist einheitlich: Vorspiele und Chöre aus den Opern von Giuseppe Verdi. Allerdings kommt die Musik etwas schwer ins Rollen und man muss sich die Frage stellen, ob diese Vorspiele und Chöre wirklich in einen Konzertsaal gehören, wo sie quasi aus der Opernhandlung isoliert werden. Für mich passen da wirklich nur wenige Stücke, die anderen wirken irgendwie verloren und unzusammenhängend. „Va pensiero“, der bekannte Gefangenchor aus Nabucco, erklingt relativ früh am Anfang (glücklicherweise schunkelt keiner im Publikum mit) und Verdis anderer massentauglicher Chor „Gloria all Egitto“, die Hymne und der Triumphmarsch aus Aida, wird wirkungsvoll am Schluss zelebriert. Des Weiteren erklingen Ausschnitte aus Macbeth, I Lombardi, Ernani, Don Carlos, Il Trovatore und La Forza del destino.

Das Ganze wirkt dann auch sehr routiniert, die Scala-Musiker spielen mit versteinerten, eher lustlosen Mienen und würdigen das Publikum, das ihnen einen sehr begeisterten Willkommensapplaus schenkt, keines Blickes. Chailly dirigiert dynamisch und setzt natürlich hier auf Effekte. Der großartige Chor lässt keine Wünsche offen und wurde von dem neuen Chordirigenten Alberto Malazzi, seit 2021 in Mailand in Amt, dann auch sehr gut vorbereitet. Allerdings hätte ich diesen Chor gerne in einem anderen Programm gehört, das ihm mehr Möglichkeiten geboten hätte, seine wirklichen Kapazitäten in Szene zu setzen, als bei diesen oft einheitlichen und massiven Verdi-Chören, wo jede Feinheit, jede Nuance verlorengeht. Der Applaus des Publikums hielt sich bis zum Schluss in Grenzen, erst nach der Forza-Ouvertüre und dem abschließenden Aida-Chor hörte man Begeisterung. Als Zugabe gab es dann noch einen kurzen Auszug aus Simone Boccanegra.