Anwalt des Autors

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Andreas Wagner spricht gerne von Zufall, wenn man ihn danach fragt, warum er Dramaturg geworden ist. Ein netter Zufall, denn blickt er heute, mit 45 Jahren, auf sein Leben zurück, dann würde er alles noch einmal genauso machen.

Eigentlich war Andreas Wagner lange Zeit „ein richtiger Uni-Mensch“. Er war u.a. Assistent am Lehrstuhl für Musikwissenschaften an der Universität des Saarlandes, wo er gemeinsam mit dem Dramaturgen des Staatstheaters ein Dramaturgieseminar aufgebaut hat. „Ich habe Dramaturgie gelehrt, ohne es zu können – ein typisches Uniphänomen“, sagt Wagner und grinst.

Kurzbio

Nach Studien der Musikwissenschaft, Philosophie, Kunstgeschichte, Neueren Geschichte, Romanistik, Komposition und Elektronischen Musik promovierte Andreas Wagner über den Bildenden Künstler Jean Dubuffet. Über Zwischenstationen als Mitarbeiter des elektronischen Studios des Festivals „Rendez-vous musique nouvelle“ in Forbach, als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität des Saarlandes, als Lehrbeauftragter der Hochschule der Bildenden Künste Saar und zuletzt als Gastprofessor an der Hochschule für Musik Saar für den Aufbaustudiengang Neue Musik fand er zum Theater. Seit 2005 ist er Chefdramaturg am „Théâtre national du Luxembourg“.
Er betreute über 80 Produktionen in Luxemburg, Deutschland, Frankreich und Bulgarien in Schauspiel, Tanz- und Musiktheater, darunter auch zahlreiche Uraufführungen.

Aus dem Mund von Wagner weiß man, wie man eine solche Aussage zu deuten hat: Seine Seminare waren sicher nicht von Ignoranz, sondern eher von Brillanz geprägt. Denn Wagner ist niemand, der sich selbst oder seine Arbeit in den höchsten Tönen lobt, er hält sich eher bedeckt, formuliert seine Sätze leichter mit dem unpersönlichen „man“, als mit einem festen „Ich“. Dieser Charakterzug der Bescheidenheit passt zu dem Beruf des Dramaturgen, er hält sich vom Rampenlicht fern, agiert eher im Hintergrund und versucht immer, eine gewisse Distanz zum Geschehen zu bewahren. Gerade deshalb ist er so unentbehrlich.

Natürlich ist seine Arbeit eng mit der des Regisseurs verbunden. „Ich bin jemand, der die Anstöße gibt, der Texte einrichtet und zwischen Autoren und Regisseuren vermittelt“, sagt er. Im Grunde komme es bei seiner Arbeit zunächst einmal darauf an, den Subtext eines Theaterstückes zu entziffern, den Rhythmus zu finden, ein Gefühl für Pausen, Raum und Bewegung zu entwickeln. Wie man das macht? „Zu Anfang tippe ich den Text einfach einmal ab.“ Dadurch bekomme er das Gespür für den Text. Und vor allem dafür, was an ihm alles gemacht werden muss, um ihn „spielbar“ zu machen. Und auch wenn Wagner sich als eine Art „Anwalt des Autors“ sieht, möchte er sich auf keine Grenzen festlegen, wieweit man in einen Originaltext eingreifen darf, um ihn auf die Bühne zu bringen. Es gibt nur eine Motivation: „Es muss gut sein, was am Ende herauskommt.“

Unterschiedliche Regisseurtypen

Wagner beginnt, über unterschiedliche Regisseurtypen zu sprechen. Man merkt, dass er gerade in ihren verschiedenen Arbeitsweisen die Herausforderung für sich selbst sieht. Nicht nur bei der Texttreue beziehungsweise Untreue ließen sich die verschiedenen Charaktere sehen, besonders spannend sei das Verhalten von Regisseuren am Premiereabend.

„Manche sitzen auf der Seitenbühne, geben während des Spiels noch Zeichen, können nicht loslassen, andere geben das Ding an die Schauspieler ab, halten sich im Hintergrund und sind sterbensnervös. Und wieder andere können gar nicht dabei sein, sie gehen in die nächste Kneipe, bestellen einen Drink nach dem anderen und kommen zum Feiern zurück.“

Für Andreas Wagner jedoch ist klar: „Die Generalprobe ist für mich der Abschied von der Arbeit.“ Danach müsse man loslassen können, jetzt seien die Schauspieler dran und er, ja er beginnt dann schnell mit einem neuen Projekt. Wohl erst einmal mit Text abtippen …