Alain spannt den Bogen – zu luxemburgischen Heimspielen auf hohem Niveau

Alain spannt den Bogen – zu luxemburgischen Heimspielen auf hohem Niveau
Christoph Sietzen präsentierte das Konzert „Frozen in Time“ des Komponisten Avner Dorman.

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Unsere zwei Konzerte dieser Woche mit dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL) und den Solistes Européens Luxembourg (SEL) boten nicht nur vielversprechende Programme, sondern überzeugten zum größten Teil durch ihr hohes musikalisches Niveau.

Von Alain Steffen

So lustvoll und virtuos hat man das OPL schon lange nicht mehr in Sachen Mozart gehört. Genauer, im Konzert für Violine und Orchester (KV 216), das die erste Hälfte des Konzerts vom vergangenen Freitag einnahm. Leider muss man immer noch feststellen, dass die Werke des Salzburger Komponisten viel zu oft in den Programmen unseres Orchesters fehlen.

Was schade ist, denn unter der Leitung des amerikanischen Dirigenten Andrew Manze interpretierte das OPL einen quasi perfekten Mozart, der wundervoll ausgespielt, sehr dynamisch und interpretatorisch brillant daherkam. Leider schwächelte die Violinistin Veronika Eberle, sodass wir auf solistischer Ebene einen in den Ecksätzen nur korrekten Mozart hören konnten, dessen langsamer Mittelsatz nicht ohne Unsicherheiten auskam. Lag es an den wenigen Proben, aber Eberles bodenständige, eher trockene Wiedergabe entspracht so gar nicht dem freudigen, ja fast tänzerischen Spiel des OPL unter Manze. Der Applaus fiel denn auch nur höflich aus, trotzdem spielte Veronika Eberle noch eine Zugabe (war es ein Stück von Eugène Ysaÿe?), das ihr deutlich besser geriet.

Unter der Ägide von Emmanuel Krivine wurde er kaum, wenn überhaupt nicht berücksichtigt: Anton Bruckner. Das OPL zeigte an diesem Abend, dass es trotz jahrelanger Versäumnisse in diesem Repertoire keine Schwierigkeiten hatte, die klangvolle Musik Bruckners mit größter Präzision zu spielen.

Und die Musiker spielten die 7. Symphonie dann auch mit Hingabe, Klangschönheit und in den kammermusikalischen Passagen mit wunderbarer Transparenz und Leichtigkeit.
Auch hier hatte Andrew Manze das richtige Rezept gefunden, um diese Symphonie zu einem kleinen Ereignis zu machen. Auf der einen Seite folgte er den großen Vorgängern mit einem voluminösem Klanggebilde und einer romantisch gezeichneten Interpretation, die im Adagio ihren expressiven Höhepunkt fand.

Auf der anderen Seite aber ließ er die Emotionen nie überschwappen, sondern hielt sie immer unter Kontrolle, sodass die Balance zwischen Expressivität und klarer Linienführung wie auch die Balance zwischen den einzelnen Instrumentengruppen in jedem Moment gewahrt blieb. Und das OPL selbst bot bei dieser 7. Symphonie von Bruckner eine überragende spielerische Leistung.

Christoph Sietzen, Tänzer und Poet

Überragend dann auch die Leistung des in Salzburg geborenen Luxemburger Schlagzeugers Christoph Sietzen, den man international schon jetzt zu den wichtigsten und vielversprechendsten Interpreten auf diesem Instrument zählen darf. Zusammen mit den Solistes Européens Luxembourg unter Christoph König präsentierte er das Konzert Frozen in Time des israelischen, in Amerika lebenden Komponisten Avner Dorman (*1975).
Es ist dies nach dem erfolgreichen Werk Spices! Perfumes! Toxins! aus dem Jahre 2006 sein zweites Konzert für Schlagzeug. Hier beschäftigt er sich nun mit den prähistorischen Kontinenten und versucht diese, in drei Sätzen in Musik umzusetzen. In Indoafrica basiert er sich auf indische und auf afrikanische Wurzeln und begeistert mit zum Teil wilden Rhythmen, in Eurasia schafft er wunderbare sphärische Känge und in The Americas orientiert er sich an südamerikanischen Rhythmen sowie an der typisch amerikanischen Musik des 20. Jahrhunderts.

In Christoph Sietzen fand Frozen in Time einen exzellenten Interpreten; der Perkussionist spielt dieses anspruchsvolle und abwechslungsreiche Werk mit hohem körperlichen, ja fast tänzerischem Einsatz und einem untrüglichen Gespür für Rhythmus, aber auch für die schwebenden Klänge des wunderbaren Mittelsatzes wie auch für die spezielle Stimmung des auf der Marimba als Zugabe gespielten Piazzolla-Stückes. Beim Dorman-Konzert hätte man vom recht bieder, ja zum Teil sogar gelangweilt (Geigen) aufspielenden Orchester etwas mehr Enthusiasmus und Körperlichkeit erwartet.

Begonnen hatte dieses Konzert allerdings in der Stille. Christoph König und die SEL spielten als Hommage an den verstorbenen Großherzog Jean den Trauermarsch aus Ludwig van Beethovens 3. Symphonie Eroica. Nach einer Schweigeminute begann dann der offizielle Teil des Programms mit dem 1. Satz Ein heißer Tag aus der 9. Symphonie Im Sommer von Joseph Joachim Raff, einem einst hoch geschätzten, heute nahezu vergessenen Komponisten.

Wer romantische Musik mag, der hat an Raffs Werk sicherlich Gefallen gefunden, den der Komponist erweist sich als ein subtiler Maler von Stimmungen, in dem er gerne zwischen wunderschönen, elegischen Momenten und kraftvollen Passagen wechselt. Christoph König und die SEL spielten Raffs Musik dann mit einem klar aufgelichteten Klang und versuchten, dem gefährlichen Pathos so (recht erfolgreich) entgegenzuwirken.

Und wie wir Christoph König kennen, wird er uns in Zukunft sicherlich/hoffentlich noch mehr als einmal die eine oder andere Symphonie (aber dann bitte integral!) vorstellen. Ein wie gewohnt schlankes und akzentreiches Spiel dann auch in der 1. Symphonie von Robert Schumann, der Frühlingssymphonie. Auch hier verzichtete König auf romantisches Pathos, sondern ließ die Symphonie energisch und recht frisch erklingen.

Die hymnischen Steigerungen wirkten dezent, doch verfehlten ihre Wirkung nicht. Insgesamt eine sehr kompakte, mitreißende und von den Solistes Européens Luxembourg glänzend gespielte Aufführung dieser beliebten Schumann-Symphonie.