Abstraktion der Aesthetik

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Ihre Sprache ist reine Poesie. Doch kommuniziert sie nicht mit Silben, sondern einzig und allein mit ihrem Körper, der bewegungslos im leeren Raum ruht, allmählich zu schweben und sich zu regen beginnt.

Sehnen spannen sich, Nerven zucken, ganz sachte und äußerst bedachtsam. Hände werden zu Füßen, Füße zu Händen – eine feinsinnige, sich schleichend vollziehende Metamorphose, die für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar ist. Die Kunst von Camille Mutel ist vollendeter Minimalismus, sinnlich und subtil zugleich. Mutel selbst ist ein projizierendes und reflektierendes Gesamtkunstwerk – zeitlos und irgendwie doch ganz nah am Nerv der Zeit. Denn sie ist eine überaus herausragende zeitgenössische Tänzerin, die weniger nach schwungvoller Bewegung und ausgeklügelten Tanzschritten sucht, sondern allem Anschein nach ausschließlich nach Stillstand strebt.

Avantgardistisch

Ihr Tanzstück „Etna!“ ist nur eine von fünf Choreografien, die das Tanzstudio Trois C-L ab Donnerstagabend in fünf Vorstellungen zeigt und fünf ambitionierte Tänzer und Tänzerinnen vereint, deren Interpretationsansätze unterschiedlicher nicht sein könnten. Denn jeder einzelne von ihnen hat seinen ganz eigenen Stil, seine eigene Art und Weise, sich der von Bernard Baumgarten vorgegebenen Thematik anzunähern. Und diese hat es in sich.

Im Zentrum steht der russische Choreograf und Baletttänzer Vaslav Nijinsky – eine „göttliche Korophäe“ auf seinem Gebiet. Zugegeben, er war zu seiner Zeit nicht ganz unumstritten, denn Vaslav Nijinsky wagte es doch tatsächlich mit den konventionellen Normen des klassisches Balletts zu brechen, avantgardistische Wege einzuschlagen und neue Ausdrucksmöglichkeiten zu suchen. Nur wenige seiner Zeitgenossen erkannten seine Virtuosität, Verwandlungsfähigkeit und Grazie. Es waren vorwiegend schillernde Namen der Bildenden Kunst wie etwa Rodin, die in seinen Choreografien die „idea“ der Schönheit erfassten – ein ästhetisches Ideal, das einst die Griechen verehrten und nach dem sie ihr Leben richteten.

„Vulgäre Bewegungen“

Bei der Uraufführung von „L’Après-midi d’un faune“ im Jahr 1912 in Paris kam es wegen Nijinskys radikalen Bewegungsabläufen und sexuellen Anspielungen, die in der Veranschaulichung eines Orgasmus gipfelten, zu heftigen Wortgefechten. Gaston Calmette, entsetzter Kritiker und Chefredakteur von Le Figaro, schrieb den Zerriss: „Ein plumper Faun mit vulgären Bewegungen von animalischer Erotik und schwerfälligen Gesten!“

„L’Après-midi d’un faune“¨, von Debussys „Prélude à l’après-midi d’un faune“ musikalisch umrahmt und an das Gedicht „L’Après-midi d’un faune“ von Stéphane Mallarmés angelehnt, steht im Zentrum der dritten Auflage des Trois-C-L-Weihnachtsspektakels. Jean-Guillaume Weis ist von Anfang an dabei. Und wer ihn kennt, der weiß natürlich, dass der unbefangene Tänzer stets für Überraschungen zu haben ist. Wie Gianfranco Celestino haucht auch er mit beschwingten Tanzbewegungen Nijinskys Choreografie neues Leben ein. Sylvia Camarda und Hannah Ma hingegen begeben sich auf eine abstrakte Ebene, bewegen sich so nah wie nur möglich am Original und verkörpern jene Schönheit, die einst der russische Choreograf schmiedete, ohne sich aber zeitgenössischen Darstellungsformen zu verschließen. Ein absolut sehenswertes und einfühlsames Weihnachtsspektakel für die ganze Familie.

L’Après-midi d’un faune
Trois C-L
Donnerstag um 20 Uhr;
Freitag um 20 Uhr;
am 18.12. um 16 und 20 Uhr; am 19.12. um 16 Uhr

Choreografien von:
• Camille Mutel
• Hannah Ma
• Gianfranco Celestino
• Jean-Guillaume Weis
• Sylvia Camarda

Kontakt und Reservierung:
20a, rue de Strasbourg
L-2560 Luxembourg