137 Minuten auf der Straße

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Für den Autor Jorge Luis Borges bestand die größte Freude in der Literatur darin, etwas zu schreiben, was vor ihm noch niemand in Worte gefasst hatte. Genau dies hat auch Walter Salles an „On The Road“ fasziniert.

Zur Zeit der Veröffentlichung des Klassikers im September 1957 herrschte eine vergleichbare Aufbruchstimmung. Es gab damals Neues zu entdecken, neue Ideen konnten zu Papier gebracht werden, während mittlerweile eine Art Stillstand erreicht wurde, gegen den es gilt, sich zu wehren. Die ideale Waffe für den Kampf dagegen ist das Manifest der Beat-Generation: „On The Road“ von Jack Kerouac.

Festival de Cannes
Vom 16. bis 27. Mai

www.festival-cannes.fr

Salles selbst hat das Buch im Alter von 18 Jahren gelesen, als Student an der Uni, als es trotz Zensur unter der Hand weitergereicht wurde. Doch die Idee, es zu verfilmen, kam ihm erst viel später.
Nach dem Achtungserfolg für „Diarios de Motocicleta“ (mit Gaël Garcia Bernal) 2004 beim Festival in Sundance kam der Stein ins Rollen. Wegen der Verfilmung der Reisen des jungen Che Guevara drängte Salles sich als Regisseur für Kerouacs Klassiker geradezu auf, immerhin wurde er dadurch zum unumstrittenen Spezialisten für Roadmovies.

Kraftvolle Interpretation

137 Minuten dauert die Reise auf der Straße und über weite Strecken kann der brasilianische Regisseur die Faszination der 40er- und 50er-Jahre, die Zeit also, in der Kerouac unterwegs war, einfangen.

Es sind die jungen Schauspieler, die dank ihrer kraftvollen Interpretation einen großen Teil der Leidenschaft auf der Leinwand auferstehen lassen: Garrett Hedlund, Sam Riley und Kristen Stewart sind das „Trio infernale“, das mit Sex, Drogen und Alkohol experimentiert.

„Killing Them Softly“ mit Brad Pitt

Salles bleibt zwar irgendwie sehr dicht am Original dran, bringt es dennoch nicht wirklich fertig, die Unruhe, welche die Protagonisten seinerzeit angetrieben hatte, in fassbare Bilder zu pressen. Salles liefert viele kleine harmonische Szenen, die aber kein gleichermaßen stimmiges Gesamtbild erzeugen. Sehenswert bleibt der Film deshalb vor allem wegen der Leistung der jungen Garde, unter ihnen Kristen Stewart, die zusammen mit Robert Pattinson hier in Cannes weilt. Er wird am heutigen Freitag mit „Cosmopolis“ von David Cronenberg ins Rennen um die Goldene Palme gehen: Auch hierbei handelt es sich um ein Roadmovie der etwas anderen Sorte.

Das Auto ist ein unverzichtbares Element eines weiteren Films, „Killing Them Softly“ von Andrew Dominik mit Brad Pitt, Ray Liotta und James Gandolfini. Brad Pitt verkörpert den Killer Jackie Cogan, der seine Opfer am liebsten sanft und aus der Distanz heraus ins Jenseits befördert. Doch nicht jeder Job lässt sich so leicht und problemlos erledigen. Viele Zuschauer sahen in „Killing Them Softly“ auch eine politische Parabel. Der Film spielt 2008 kurz vor der Wahl Obamas zum amerikanischen Präsidenten, doch Brad Pitt sieht dies nicht so: Die Originalreden von Obama sollten uns nicht vor Augen führen, dass das, was damals in Angriff genommen wurde, tatsächlich gescheitert sei, sondern es gehe darum, die damalige Hoffnungsstimmung zu dokumentieren.

„Killing Them Softly“ bleibt trotzdem ein unterhaltsamer Film ohne große Überraschungen, mit allerdings vielen stilisierten Actionszenen mit hohem Gewaltpotenzial. Faszinierend auch die überspannten und schrägen Figuren, die viel zur gelungenen Atmosphäre beitragen.