Zwei außergewöhnliche Konzertkonzepte mit Rolando Villazón und Lea Birringer

Zwei außergewöhnliche Konzertkonzepte mit Rolando Villazón und Lea Birringer
Regula Mühlemann und Rolando Villazón Copyright: Philharmonie/Alfonso Salgueiro

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Zwei sowohl unterhaltsame wie auch künstlerisch wertvolle Konzertabende haben die letzte Woche geprägt. Rolando Villazón ist ein Alleskönner, er ist Sänger, der zwischen dem Tenor- und Baritonfach hin- und herwechseln kann, künstlerischer Leiter der Salzburger Mozartwoche, Regisseur, Schriftsteller, Zeichner … und dazu ein absoluter Publikumsliebling. Überall, wo er auftritt, fliegen ihm die Herzen des Publikums zu, das ihm auch großzügig seine momentanen stimmlichen Schwächen verzeiht.

Von Alain Steffen

„Rolando raconte …“ ist ein mehrteiliges, eigens für die Luxemburger Philharmonie konzipiertes Projekt, bei dem Rolando Villazón sowohl als „Conférencier“ und (als indisponiert angekündigter) Sänger auftritt und jedes Mal vom „Orchestre philharmonique du Luxembourg“ begleitet wird. Der erste Abend war seinem Lieblingskomponisten W. A. Mozart gewidmet. Präziser: Villazón beleuchtete in diesem Konzert Mozarts Reisen durch Europa und seine Begegnungen mit anderen Komponisten seiner Zeit. Dass die zwei Stunden im Nu vergingen, war einerseits natürlich Villazóns lebendiger und kommunikationsfreudiger Art zuzuschreiben, das Publikum mit auf diese musikalische Reise zu nehmen. Andererseits hatte der Sänger drei junge Partner ausgewählt, um ihn bei diesem Auftritt zu begleiten. Und die waren absolut hochkarätig – und eigentlich die wirkliche Entdeckung dieses Abend. Die junge Sopranistin Regula Mühlemann ist längst kein Geheimtyp mehr. Und wer sie einmal gehört hat, der wird sich gerne an ihre ungeheure Musikalität, ihre weiche, flexible und höhensichere Stimme sowie an ihr schönes Timbre erinnern.

Auch an diesem Abend zeigte sich Mühlemann von ihrer besten Seite und begeisterte durch ihre anmutenden Interpretationen in dem Duett „Dite spera, e son contento“ von G. F. Händel zusammen mit Rolando Villazòn, den Arien „Parto, m’affretto“ aus „Lucio Silla“ und „Vorrei spiegarvi, oh Dio“ von Mozart sowie in dem Duett „La ci darem la mano“, bei dem Villazón den Baritonpart des Don Giovanni übernahm. Mühlemanns Phrasierungskunst, ihr kluger und einfach bezaubernder Gesang lassen eine große Zukunft erkennen.

Wenngleich er etwas steif und schmalzig daherkam, begeisterte der junge österreichische Pianist Maximilian Kromer mit einem in allen Hinsichten exzellenten Klavierspiel. Wie Mühlemanns Gesang besaß sein Spiel diese wunderbare Leichtigkeit und musikantische Natürlichkeit, die für dieses Repertoire so ungemein wichtig sind. Kromer spielte den 1. Satz Allegro di molto aus Mozarts Klavierkonzert Nr. 7, den 1. Satz Allegro con brio aus Muzio Clementis Klaviersonate op. 24/2, den 2. Satz Andante staccato aus Mozarts Klavierkonzert Nr. 2 KV 39 nach Johann Schobert sowie das berühmte Andante aus dem 21. Klavierkonzert.

Copyright: Philharmonie/Alfonso Salgueiro

Ein musikalisch hochwertiger pädagogischer Konzertabend mit Villazón

Villazón selber sang noch Mozarts Arie „Va, dal furor portata“ und Glucks „Unis dès la plus tendre enfance“ aus „Iphigénie en Tauride“. Am Pult des wunderbar leicht ausspielenden OPL stand sie junge französische Dirigentin Marie Jacquot, die dem Orchester einen herrlichen Mozart-Klang entlocken konnte. So fein und federnd habe ich das OPL in diesem Repertoire der Frühklassik selten spielen gehört. Neben den oben genannten Werken, bei denen sie sich als hellhörige und sehr präzise Begleiterin erwies, konnte Marie Jacquot ihr Können gerade hier in dem 1. Satz der Symphonie Nr. 1 von Mozart, dem „Menuet G. 275“ von Luigi Boccherini, der Ouvertüre zu „Le Nozze di Figaro“ sowie im 3. Satz der Symphonie Nr. 38 „Prager“ von Mozart bestens unter Beweis stellen. „Rolando raconte …“ war somit ein sehr gelungener und musikalisch hochwertiger pädagogischer Konzertabend, der wirklich Lust auf die nächste Begegnung macht.

Das mehrgängige Menü einer Drei-Sterne-Violinistin

Erwähnenswert bleibt in dieser Woche noch das CD-Release-Konzert der Schwestern Lea und Esther Birringer in der Quierschieder Q.lisse im nahen Saarland. Die beiden haben bereits mit zwei von der Kritik hochgelobten CDs auf sich aufmerksam gemacht und gehören ohne Zweifel zu den interessanten Duos unserer Zeit. In Quierschied spielten die Schwestern ihr komplettes Album mit dem Titel „Di tanti palpiti“. Und mit „Di tanti palpiti“ ist Virtuosität auf allerhöchstem Niveau angesagt. Das Programm stellt aber vor allem die Violinistin Lea Birringer in den Fokus, die dem Publikum hier einen ganzen Reigen von Lieblingsstücken vorstellt.

Insgesamt neun Komponisten sind hier vertreten, Lea Birringer trägt ihre Werke mit atemberaubender Spieltechnik und einem jeweils sehr individuellen Gestaltungsvermögen vor. Bereits mit Henryk Wienawskis „Polonaise de concert“ beweist die Violinistin ihr Können und dass sie sich gar nicht vor ihren illustren Kolleginnen zu verstecken braucht. Und wer ganz genau hinhört, der findet hier ebenfalls sowohl den vollmundigen, lebendigen Klang einer Anne-Sophie Mutter wie auch die feinnervige Transparenz einer Isabelle Faust.

Meisterin auf ihrem Instrument

Birringer erweist sich als wahre Meisterin auf ihrem Instrument. Sie macht jedes der Werke durch ihre individuelle Gestaltung und einen sehr natürlichen, intuitiven Gestus zu einem musikalischen Leckerbissen, die alle in gleich hoher Qualität nun auch auf CD zu hören sind. Vor allem bei der das Konzert abschließenden „Carmen Fantaisie“ von Franz Waxman kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Hier wird Virtuosität als Kunstform quasi zelebriert, doch Lea Birringer stellt sich selbst nie in den Vordergrund, sondern immer sind es die Werke, die Musik, um die es geht.

Durch den hohen Unterhaltungswert vergeht das abwechslungsreiche Konzert wie im Nu. Neben Wienawski und Waxman dürfte die „Tzigane“ von Maurice Ravel wohl das bekannteste Stück sein. Aber auch Mario Castenuovo-Tedescos und Niccolò Paganinis Rossini-Adaptationen („Largo al factotum“ aus dem „Barbiere“ bzw. „Di tanti palpiti“ aus „Tancredi“) reißen einen regelrecht vom Hocker. Sehr fein und nuanciert erklingt dann Saint-Saëns’ „Introduction et Rondo capriccioso p. 28“, wunderbar lyrisch und expressiv die von Waxman arrangierte und als Zugabe gespielte „Humoresque op. 101/7“ von Antonin Dvorák.

Einen wichtigen Anteil am Gelingen und an der virtuosen Dynamik des Konzerts (und natürlich auch der CD) hatte die Pianistin Esther Birringer, die sehr wohl ihrer Schwester hier den Vortritt ließ, sich aber nicht versteckte. Und überall, wo es ging, agierten beide Schwestern als Partnerinnen und spornten sich gegenseitig zu spielerischen Höchstleistungen an. Die CD  wurde im Dezember 2018 aufgenommen und ist beim Label Rubicon erschienen.