EditorialZum neuen Elan im Frauen-Radsport: (Noch) Beiprogramm-Charme

Editorial / Zum neuen Elan im Frauen-Radsport: (Noch) Beiprogramm-Charme
Das Frauen-Peloton will in Zukunft noch stärker auf sich aufmerksam machen Archivbild: AFP/Stuart Franklin

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Auf dem Papier lässt sich das neue Produkt der Radsport-Industrie hervorragend verkaufen: Die Tour de France Femmes, die 2022 im Anschluss an die „Grande Boucle“ der Herren ausgetragen wird, soll den Frauen-Radsport im kommenden Sommer popularisieren. Gute Vorsätze und in Zeiten der Gleichberechtigungsdiskussionen ein logischer Schritt. Die Neuauflage, als achttägiges Spektakel, hat TdF-Direktor Christian Prudhomme vor einer Woche mit den Worten „Referenz für den Frauen-Radsport“ betitelt.

Ob und inwiefern sich dadurch die Nebenrolle der Vertreterinnen verändern kann, liegt aber weiterhin in den Händen der Organisatoren der ASO sowie des internationalen Verbandes UCI. Während Erstere für die Streckenführung zuständig sind, hat die UCI mit ihrem Regelwerk gegenüber Frauenrennen eine Bremse angezogen. Ein Beispiel: Während die Etappen der Männer bis zu 280 km lang sein dürfen, wird den Frauen generell eine Obergrenze von 160 km pro Tag gesetzt – mit möglichen Ausnahmen, wie es nächstes Jahr auch einmal der Fall sein wird. 

Kathryn Bertine, früher selbst Radprofi und inzwischen Aktivistin für die Gleichstellung im Radsport, kritisierte diese starre Haltung gegenüber cyclingnews.com: „Ich teile die Meinung, dass kürzere Rennen aufregender und spannender sind, allerdings steckt auch Sexismus dahinter: UCI und ASO unterstützen damit den Glauben, Frauen könnten nicht die gleichen Distanzen zurücklegen und müssten daher kürzere Rennen bestreiten.“ 

Nicht nur die Distanzen variieren: Die Anzahl der Etappen wird ebenfalls von der UCI reguliert. Bis auf besondere Ausnahmen (wie bei der Tour de France Femmes) liegt die Grenze für Rundfahrten bei sechs Renntagen. Dies stößt unter manchen Profisportlerinnen auf wenig Verständnis. „Dieses Limit zeigt nur, wie gering der Glaube an das Peloton ist – und wie wenig Respekt wir von der UCI bekommen“, sagte die Britin Hannah Barnes (Team Canyon-SRAM Racing). Das Luxemburger Aushängeschild Christine Majerus hatte im Mai 2020 dazu im Tageblatt gemeint: „Wir sind uns einig, dass wir nicht über drei Wochen fahren können. Aber wir wollen auch das größte Rennen der Welt fahren – über zehn Tage wäre ein Kompromiss.“

Kritik gab es in den letzten Wochen aufgrund unglücklicher Streckenführungen bei den Damen-Rennen, die an große Rundfahrten der Männer gekoppelt waren. Während die Route der Männer zur Kathedrale in Santiago de Compostela führte, bogen die Frauen kurz davor nach links ab – und fuhren „zu einer Bushaltestelle“, wie es Bahnrad-Olympiasiegerin Mieke Kröger gegenüber Deutschlandfunk untermauerte. „Man fühlt sich halt wirklich als Anhängsel.“

Als Marion Rousse, ehemalige französische Radrennfahrerin, vor wenigen Tagen als Direktorin der Tour de France Femmes vorgestellt wurde, drehten sich die Fragen vor allem um die finanzielle Schere. Auslöser für die Debatte war das Preisgeld beim Klassiker Paris-Roubaix. Der Sieger erhielt 30.000 Euro, die erste Dame 1.535 Euro. Bei der Rundfahrt werden nächstes Jahr insgesamt 250.000 Euro an die Frauen ausgezahlt, 2.288.500 Euro an die Männer. Dauer, Rummel, Sponsoren und TV-Rechte begründen die Unterschiede, dennoch ist es der erste Schritt in eine neue Richtung.

Die Wiederbelebung der Frauen-Rennen war eine Notwendigkeit. Mediale Präsenz, Live-Bilder und Anziehungskraft für Sponsoren werden langfristig angestrebt – für steigende Investitionen und Professionalisierung. Dann werden wohl in Zukunft auch ASO und UCI ihre Begrenzungen und Zielankünfte überdenken (müssen).