Zünglein an der Waage: Wie Luxemburgs Europa-Abgeordnete über die EU-Seenotrettung entschieden

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Die Stimmen der Luxemburger Parlamentarier waren entscheidend: Das EU-Parlament hat mit einer Mehrheit von nur zwei Stimmen eine Resolution abgelehnt, die die Stärkung von Seenotrettern im Mittelmeer gefordert hatte. Seitdem hagelt es gegen die Luxemburger Abgeordneten Kritik.

Die Resolution des Europaparlaments über Such- und Rettungsoperationen im Mittelmeer, die am vergangenen Donnerstag mit einer knappen Mehrheit abgelehnt wurde, sorgt für Schlagzeilen. In der viel diskutierten Resolution B9-0154/2019 wurde gefordert,  NGOs und Rettungsorganisationen mehr Rechte und Möglichkeiten einzuräumen, um Menschen vor dem Ertrinken zu retten.

Das Parlament lehnte die Resolution ab. Das Abstimmungsergebnis lautete 288 zu 290. Zwei Stimmen machten den Unterschied. Brisant: Zwei Luxemburger Abgeordnete – die eigentlich dafür stimmen wollten – waren bei der Abstimmung abwesend.  Und die beiden Luxemburger Konservativen schlugen sich in das Lager der Gegner. Seitdem müssen sich vor allem die CSV-Politiker in den sozialen Medien einige Kritik gefallen lassen. Machten die Konservativen einen Deal mit der Rechten?

Keine Verhandlungen mit Rechtsextremen

Die EVP, der auch die CSV-Abgeordneten Christophe Hansen und Isabel Wiseler-Lima angehören, hat gemeinsam mit der Fraktion Identität und Demokratie (ID), der unter anderem die deutsche AfD seit 2019 angehört, und der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR) gegen die Resolution B9-0154/2019 gestimmt.

CSV-Präsident Frank Engel hätte für den vorliegenden Text gestimmt: „Die beiden Abgeordneten haben auf eigenen Beschluss hin abgestimmt.“ Jedoch sei der anschließende Shitstorm in den sozialen Medien von Leuten, die sich keine Gedanken über das Thema gemacht haben, aber glauben, sie haben die moralische Autorität, ein absolutes Unding, erklärt der CSV-Präsident erbost. Da werde über Leute hergezogen, die sich ernsthaft Gedanken über das Thema gemacht haben.

C’est un type corrompu jusqu’à la moelle

CSV-Präsident Frank Engel über den Chef der libyschen Küstenwache

Es habe mit Sicherheit auch keine Verhandlungen mit den rechtsextremen Parteien gegeben, sagt Frank Engel. Dass gemeinsam mit denen abgestimmt wird, werde wohl noch öfters vorkommen – die Sozialisten würden ja auch mit separatistischen und kommunistischen Kräften abstimmen.

Die komplexe Situation vor der libyschen Küste werde laut dem CSV-Präsidenten oftmals extrem vereinfacht. „Ich hatte die Gelegenheit, den Chef der libyschen Küstenwache kennenzulernen, und lassen Sie mich eins sagen: ‚C’est un type corrompu jusqu’à la moelle‘.“ Zu viele Boote würden von der Küste ablegen, die genau wüssten, wohin sie fahren müssten.

Keine Frage der Migration, sondern der Sicherheit

Ähnlich sieht es die Europaabgeordnete Isabel Wiseler-Lima: „Ich wollte damit keine Polemik auslösen, denn es ist ein wichtiges Thema, das mir sehr am Herzen liegt.“ Es gehe hier jedoch nicht um Migration, sondern um die Sicherheit, sagt die CSV-Politikerin gegenüber dem Tageblatt.

Wiseler-Lima erklärt zudem, dass sie ja für eine ähnliche Resolution, nämlich die Resolution B9-0132/2019, gestimmt hat. In dieser sei jedoch der Informationsfluss klarer definiert worden und Sicherheitsprobleme seien ausgeschlossen. Dem stimmt auch ihr Parteikollege Christophe Hansen (CSV/EVP) zu: „Es geht hier nicht nur um eine, sondern um vier Resolutionen. Bei der einen Resolution wurde namentlich abgestimmt“ – was schlussendlich medial hohe Wellen schlug.

Der Teufel liegt im Detail

„Der Text, gegen den wir gestimmt haben, sieht vor, dass Informationen von Frontex und anderen NGOs an alle Schiffe im Mittelmeer gehen. Dies ist erstens nicht vereinbar mit EU-Recht, zweitens ermöglicht es Schleppern, geeignete Schlupflöcher für ihre Operationen zu planen“, sagt der Europapolitiker.

Der Unterschied zwischen beiden Resolutionen ist tatsächlich nur ein kleines Detail: B9-0154/2019 sieht vor, dass Informationen an alle in der Nähe befindlichen Schiffe, „die sofort einen Such- und Rettungseinsatz durchführen könnten“, weitergeleitet werden. B9-0132/2019 sieht vor, dass die Informationen nur an die für „Such- und Rettungsoperationen zuständigen Behörden“ gelangen. Erstere hätte einen Informationsfluss hergestellt, der den Schleppern in die Hände gespielt hätte, erläutert Isabel Wiseler-Lima und fordert:  „Wir dürfen nicht noch mehr Leute in Gefahr bringen.“

Keine rechtlichen Bedenken laut Goerens und Metz

Die rechtlichen Bedenken von Christophe Hansen teilt der DP-Europaparlamentarier Charles Goerens derweil nicht: „Im nachfolgenden Artikel der von uns gestimmten Resolution B9-0154/2019 wird auf die rechtliche Verantwortung von Frontex eingegangen und diese klar definiert.“ Damit seien für ihn keine rechtlichen Bedenken mehr vorhanden gewesen. Dieser Ansicht ist auch die Grünen-Europaabgeordnete Tilly Metz: „An diesem Text haben zahlreiche Experten mitgearbeitet, um eine kohärente Strategie auf die Beine zu stellen.“ Tatsächlich soll laut Goerens auch der Direktor von Frontex an der Ausarbeitung des Textes beteiligt gewesen sein.

Tilly Metz und Charles Goerens sind die beiden Luxemburger, die am 24. Oktober für die Resolution B9-0154/2019 gestimmt haben. Monica Semedo (DP) und der zukünftige EU-Kommissar Nicolas Schmit (LSAP) waren bei dem Votum abwesend.  Beide hätten jedoch für die Resolution gestimmt, beteuerten sie.

Semedo und Schmit hätten für die Resolution gestimmt

Semedo sagt, sie habe nicht damit gerechnet, dass der Ausgang der Wahl so knapp sein würde. Sie war zu dem Zeitpunkt in Athen auf dem Kongress der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE). „Ich hätte natürlich für die Resolutionen gestimmt, denn es geht hier darum, Menschenleben zu retten“, erklärt die Politikerin in einem Gespräch mit dem Quotidien.

Nicolas Schmit nahm zum Zeitpunkt der Wahl an einem Treffen der europäischen Arbeitsminister in Luxemburg teil, dies auf Anfrage der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE). Auch er hätte klar für die Resolutionen gestimmt, sagte er dem Quotidien.

Mittlerweile habe man sich mit dem zuständigen Ausschussvorsitzenden, dem S&D-Politiker Juan Fernando López Aguilar, geeinigt, beruhigt Christophe Hansen. Über einen Text, der rechtlich auch umgesetzt werden kann, soll im November im Plenum diskutiert werden. Dies sei auch laut Goerens der logische nächste Schritt: „Wir werden jetzt unsere Texte abgleichen und versuchen, uns auf eine Version zu einigen.“

Im Jahr 2019 sind laut der Internationalen Organisation für Migration 933 Menschen im Mittelmeer gestorben oder als vermisst gemeldet worden. Die Resolutionen des EP sollten die europäischen Institutionen dazu auffordern, für die Sicherheit der Migranten zu sorgen.

Insgesamt stimmten die Parlamentarier am Donnerstag über vier Resolutionen zum gleichen Thema ab. Alle wurden abgelehnt. Luxemburgs Abgeordnete stimmten dabei jeweils unterschiedlich ab – diskutiert wird in der internationalen Presse aber nur über eine Resolution – die sogenannte Rettungsresolution.

en Aaarbechter
4. November 2019 - 19.38

Haben gut lachen, freuen sich, haben ihre erste Lohntüte eben ausgehändigt bekommen.

Jangeli
29. Oktober 2019 - 13.36

Lustiges EU-Sextett ??