InflationsberichtWorst Case Gaspreisschock: Statec hält bis zu drei Indextranchen bis Mitte 2023 für möglich

Inflationsbericht / Worst Case Gaspreisschock: Statec hält bis zu drei Indextranchen bis Mitte 2023 für möglich
 Foto: Hendrik Schmidt/dpa

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Die Teuerung geht weiter. Die Luxemburger Statistikbehörde Statec geht in ihrer neuesten Prognose davon aus, dass bis Mitte 2023 bis zu drei weitere Indextranchen fallen könnten. Angetrieben wird die Inflation von den Energiepreisen. In einem Szenario könnte es zu einem „Gaspreisschock“ kommen und die Preise für den Rohstoff um 140 Prozent steigen – bis zur Heizperiode in diesem Jahr. 

„Unsicherheiten“, „Spannungen“, „Risiken“ – die Inflationsprognose, die die Luxemburger Statistikbehörde Statec am Mittwochmittag veröffentlicht hat, ist gespickt mit unheilschwangeren Vokabeln. Tatsächlich zeigt der Blick in die Zukunft, den Statec wie immer in Kooperation mit der Universität Oxford gewagt hat, nicht gerade blühende Landschaften für die kommenden Monate auf. Der Krieg in der Ukraine, die Probleme bei den weltweiten Lieferketten und das Schreckensszenario einer Gasknappheit samt rasant steigender Strompreise in Europa begünstigten die Inflation und ihre Übertragung auf die Endpreise. „Statec nimmt daher eine Aufwärtskorrektur seiner Inflationsprognose für 2022 und 2023 vor“, schreibt die Behörde. Für 2022 sieht Statec die Inflation bei insgesamt 6,6 Prozent, für 2023 bei 5,3 Prozent. Zum Vergleich: In ihrer Mai-Prognose, in der die Kriegseffekte ebenfalls bereits einberechnet waren, ging die Behörde noch von 5,8 Prozent für 2022 aus – und 2,8 Prozent für 2023. 

Das hat natürlich auch Konsequenzen für den Index. Wie immer arbeitet Statec mit drei Szenarien, in denen sich verschiedene Faktoren mehr oder weniger günstig auf die Inflation auswirken. Laut dem oberen Szenario wird bereits im vierten Quartal dieses Jahres eine weitere Indextranche ausgelöst. Zudem würde schon im ersten Quartal 2023 eine weitere Tranche fallen – und im zweiten Quartal 2023 eine weitere.

Im wahrscheinlichen, zentralen Szenario fällt die nächste Tranche ebenfalls im vierten Quartal dieses Jahres, also bereits vor dem Jahreswechsel, eine weitere ist im zweiten Quartal 2023 fällig. Die Szenarien berücksichtigen dabei, dass im April 2023 jene Tranche ausgezahlt wird, die diesen Sommer nach einem aufreibenden politischen Prozess verschoben wurde. Auch im günstigsten, unteren Szenario würde übrigens schon bald eine Indextranche ausgelöst, und zwar im ersten Quartal 2023. 

Aufwärtsrisiken haben sich „materialisiert“

Seit der letzten Inflationsprognose vom Mai hätten sich „mehrere Aufwärtsrisiken materialisiert“, schreibt Statec. Problematisch sind demnach die hohen Preise bei Metall und Nahrungsmitteln, insbesondere Weizen, der gegenüber dem Dollar schwächelnde Euro und der Ölpreis, der trotz aller bisherigen Gegenmaßnahmen auf hohem Niveau verharrt. 

Andere europäische Akteure hätten ihre Prognosen ebenfalls nach oben korrigiert. „Im Durchschnitt erwarten diese Institutionen für die Eurozone eine Inflation von 7,2 Prozent im Jahr 2022 und vier Prozent im Jahr 2023“, schreibt Statec. Luxemburg kommt da zwar – etwas – besser weg. Die Wirrungen auf den Weltmärkten haben aber auch großen Einfluss auf die Volkswirtschaft hierzulande. Der Preis eines Barrels Rohöl der Sorte Brent liege seit März über 100 Dollar. Die Gas- und Strompreise seien in Europa im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent und 30 Prozent gestiegen.

Für das zentrale Szenario korrigiert Statec den Brent-Preis deshalb nach oben – und den Euro-Kurs nach unten. „Da dies die angespannte Gasversorgung in Europa widerspiegelt, wird davon ausgegangen, dass der Gaspreis in Luxemburg im nächsten Herbst/Winter um fast 90 Prozent im Vergleich zum Sommer 2022 steigen wird“, schreibt Statec. Das würde sich auch auf den Strompreis auswirken, der von Dezember auf Januar um 35 Prozent steigen könnte.

Worst Case Gaspreisschock

Im Worst-Case-Fall, dem „oberen“ Szenario, rechnet Statec sogar mit Engpässen: „Hinzu kommt das wachsende Risiko einer unmittelbar bevorstehenden Gasknappheit in Europa“, schreibt Statec. Eine vollständige Abschaltung der Gaspipeline Nord Stream 1, die von Russland nach Deutschland führt, würde nicht nur zu einer Verteuerung beim Gas, sondern auch beim Öl führen. Im „oberen“ Szenario rechnen die Statistiker deshalb einen „Gaspreisschock“ mit ein, bei dem der Gaspreis im Herbst und Winter 140 Prozent über dem vom Sommer liegt. Dem würde ein Anstieg von 40 Prozent bei den Strompreisen folgen. 

Brechen könnte das eine Steigerung der Ölproduktion und Maßnahmen zur Gaseinsparung in der EU. Im mittleren Szenario wird deshalb mit sinkendem Ölpreis und Gasverbrauch gerechnet. Aber auch dann würde sich das Gas laut Statec um 60 Prozent verteuern – und der Strom um 30 Prozent.

Weitere „Unwägbarkeiten“, die sich auf die Inflation auswirken könnten, würden nicht berücksichtigt, erklärt die Behörde. Dazu gehöre auch eine weitere Abwertung des Euros gegenüber dem Dollar. „Dies würde die Kerninflation über teurere Importpreise in Europa weiter ankurbeln“, schreibt Statec. Auch Spannungen auf dem Arbeitsmarkt könnten zunehmen und die Risiken einer „Lohn-Preis-Schleife“ erhöhen. Positiv könnte sich dagegen die Lockerung der chinesischen Null-Covid-Stategie auswirken, die zumindest die Spannungen in den Lieferketten verringern könnte. 

Und immerhin: Im Juli hat sich die Inflation etwas verlangsamt – zumindest gegenüber dem Vormonat. Im Jahresvergleich liegt sie bei 6,8 Prozent, „nachdem sie im Juni einen Höchststand von 7,4 Prozent erreicht hatte“, schreibt Statec. „Die Inflationsrate wird voraussichtlich weiter sinken und das Jahr 2023 bei etwa drei Prozent beenden.“