Wo beerdigt man einen Diktator?

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Jeden Tag liegen frische Blumen auf der Grabplatte. Darunter steht in Granit gemeißelt „Francisco Franco“. Ein Mann mittleren Alters verharrt andächtig vor dem Grab. Dann nimmt er Haltung an und reckt ehrerbietend den rechten Arm in die Höhe. In Spanien ist der Faschistengruß, anders als etwa in Deutschland, nicht verboten.

Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze, Madrid

Andere Besucher nähern sich und lassen sich vor dem Franco-Grab ablichten. Bis ein Sicherheitsbeamter herbeieilt und ruft: „Keine Fotos!“ Befolgt wird diese Anweisung nicht: Kaum hat sich der Wachmann umgedreht, werden die Handys wieder hervorgeholt und Bilder von Spaniens umstrittenster Grabstätte geschossen.

Seit 1975 liegen die sterblichen Überreste von Spaniens Ex-Diktator Franco unter einer tonnenschweren Granitplatte in einer Bergbasilika im sogenannten Tal der Gefallenen. Das 150 Meter hohe Steinkreuz über der Berggruft, die vom Staat unterhalten, aber von Benediktinermönchen gehütet wird, ist weithin sichtbar. Hunderttausende Menschen, darunter viele Touristen, besuchen jedes Jahr dieses Mausoleum, das eine Autostunde von Madrid entfernt in der Sierra de Guadarrama liegt.

Schluss mit Frankos Verehrung

Immer wenn sich am 20. November der Todestag jährt, marschieren hunderte Franco-Anhänger im Tal der Gefallenen auf, um ihren „Caudillo“ hochleben zu lassen. Auch Alt- und Jungnazis aus ganz Europa pilgern zur Gruft, die ein Wallfahrtsort für Ewiggestrige und Radikale aus dem rechten Lager geworden ist.

Doch damit soll bald Schluss sein. „Eine Demokratie kann nicht einen Diktator verehren“, erklärte Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez. Er ordnete an, die Gebeine von General Franco zu exhumieren und an einen öffentlich nicht zugänglichen Ort zu bringen. So ähnlich, wie es in Deutschland im Jahr 2011 mit dem Sarg des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß geschah, der aus dem Grab im bayerischen Wunsiedel geholt, eingeäschert und dann auf See bestattet wurde.

Doch eines unterscheidet die beiden Fälle: Die Exhumierung der Heß-Gebeine und die Beseitigung des Grabes geschah im Einvernehmen mit der Familie. Im Falle Francos wehren sich die Nachfahren gegen die Umbettung des Diktators, der in seinem Land zunächst einen Bürgerkrieg (1936-1939) gegen die linke Republik begann und nach seinem Sieg Spanien mit eiserner Hand regierte (1939-1975).

Umzug in eine Kathedrale?

Annähernd ein halbe Million Menschen kamen im Bürgerkrieg um. Während der nachfolgenden Rechtsdiktatur wurden linke Oppositionelle systematisch verfolgt. Das Verschwinden von mehr als 100.000 Regimegegnern, die hingerichtet und in Massengräbern verscharrt wurden, ist bis heute nicht aufgeklärt. Die Franco-Familie will einer Exhumierung des Tyrannen nur unter einer Bedingung zustimmen: und zwar wenn die Gebeine vom Tal der Gefallenen in die Kathedrale Madrids verlegt und dort mit militärischen Ehren wieder beigesetzt werden. In der Krypta der vielbesuchten Kathedrale, die sich im Stadtzentrum neben dem historischen Königspalast erhebt, besitzt die Familie eine Grabstätte, in der 2017 bereits Francos einzige Tochter beerdigt wurde.

Die Opfer der Diktatur empfinden den Vorschlag, Franco in der Kathedrale beizusetzen, als Provokation. „Das ist eine Demütigung für die Opfer und ihre Angehörigen“, empört sich Julián Rebollo. Er ist Sprecher jener Plattform, die jede Woche auf dem Platz „Puerta del Sol“ in Madrid dafür demonstriert, dass Francos Menschenrechtsverbrechen endlich aufgeklärt werden. „Wie kann man nur auf die Idee kommen, einen Mörder in der Kathedrale beizusetzen?“

Der Hausherr der Kathedrale, Madrids Erzbischof Carlos Osoro, ließ ebenfalls durchblicken, dass ihm die Idee, Franco im prominentesten Tempel der Hauptstadt zu beherbergen, nicht behagt. Aber offiziell hält er sich aus dem Streit heraus und erklärt: „Das ist eine Angelegenheit, die von der Regierung und der Familie gelöst werden muss.“

Waldfriedhof als neue Ruhestätte

Die Regierung stellte derweil klar, dass ein Umzug der Überreste in die Kathedrale nicht infrage kommt. „Wir werden nicht erlauben, dass sich ein Diktator an einem öffentlichen Ort befindet und dort verherrlicht wird“, stellte Regierungssprecherin Isabel Celaá klar. Stattdessen wolle man Franco an einen „privaten Ort“ überführen.

Als neue Ruhestätte Francos favorisiert die Regierung einen kleinen abgelegenen Waldfriedhof in der Nähe des Dorfes El Pardo, das sich etwa 20 Kilometer nördlich Madrids befindet und in dem Franco früher seine Residenz hatte. Wenn es keine Einigung mit der Franco-Familie gibt, will man auch ohne deren Zustimmung die Umbettung vornehmen.

Auf dem Friedhof in El Pardo wurde vor 30 Jahren Francos Ehefrau Carmen in einem staatlichen, aber öffentlich nicht zugänglichen Grabtempel beigesetzt. Auf dem kleinen Friedhof ruhen bereits zahlreiche ehemalige Franco-Minister und Regime-Repräsentanten. Zu rechten Aufmärschen kam es dort bisher nicht.


Ein Denkmal für einen Tyrannen

Der Bau der gigantischen Bergbasilika, in der Franco 1975 beigesetzt wurde, begann im Jahr 1940. Franco selbst hatte angeordnet, einen riesigen Grabtempel für die „Helden und Märtyrer des Kreuzzuges“ in den Berg zu bauen. Mit den „Helden“ waren die Franco-Soldaten gemeint, die im dreijährigen Krieg (1936-1939) gegen die linke Republik gefallen waren. Rund 20.000 Zwangsarbeiter, darunter viele inhaftierte Regimegegner, arbeiteten an dem Bau.

Zunächst wurden hinter dicken Mauern rund 22.000 Tote aus dem Franco-Lager bestattet. Von den 1960er Jahren an ließ Franco auch die Gebeine von etwa 12.000 gefallenen Republikanern in die Grabanlage bringen. Dort prangt bis heute die nationalistisch-katholische Lobpreisung der franquistischen Bürgerkriegssieger: „Gefallen für Gott und für das Vaterland 1936-1939.“ Einen Hinweis auf die hier ebenfalls ruhenden Republikaner-Soldaten gibt es nicht.

General Franco selbst wollte offenbar nicht im Mausoleum beigesetzt werden. Dies ist jedenfalls von seiner 1988 gestorbenen Ehefrau Carmen überliefert. Demnach wollte Franco auf jenem Waldfriedhof in der Nähe seines Palastes im Dorf El Pardo beerdigt werden, auf dem später seine Frau beigesetzt wurde. Da Franco aber keine klare Anordnung über seine letzte Ruhestätte hinterließ, ordnete König Juan Carlos, der nach Francos Tod neuer Staatschef wurde, die Beisetzung des Diktators im Mausoleum an. Francos Grab befindet sich seitdem vor dem Hauptaltar der Basilika.

Was nach der Beseitigung des Franco-Grabes mit dem Mausoleum geschehen soll, ist noch nicht ganz klar. Angesichts von 34.000 Toten, deren Gebeine dort liegen, wird die Grabanlage wohl nicht abgerissen, sondern nur umgewidmet. Er wünsche sich, erklärte Regierungschef Sánchez, dass aus dem Franco-Monument eine schlichte Ruhe- und Gedenkstätte für die Opfer des Bürgerkriegs und der Franco-Herrschaft werde.

Jacques Zeyen
19. November 2018 - 9.09

Die Hirntoten marschieren wieder.Nicht nur in Deutschland. Man stelle sich vor es gäbe ein Grab mit Ehrensäule von Hitler. Es genügt wenn die Maos,Stalins,Francos und Hitlers in Geschichtsbüchern stehen.Da stehen dann auch ihre Heldentaten und es gibt für niemanden der gesunden Verstandes ist eine Ursache sie zu feiern.

martine
18. November 2018 - 19.28

an eng fosse commune, anonym, wéi seng opfer

roger wohlfart
18. November 2018 - 14.41

Francos Überreste gehören verbrannt und ins Meer verstreut. Ein Diktator , ein menschenverachtender Machtmensch, ist keines Denkmals würdig!