InterviewWirtschaftsexperte zu Spritpreisen: „In Trier tankt nur, wer tanken muss“

Interview / Wirtschaftsexperte zu Spritpreisen: „In Trier tankt nur, wer tanken muss“
 Foto: dpa/Lennart Preiss

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

In Trier muss häufig fürs Tanken mehr bezahlt werden, als anderswo. Warum das so ist und warum Anfang vergangener Woche die Preise an den Zapfsäulen offenbar verrückt gespielt haben, darüber sprach der Trierische Volksfreund mit dem Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap.

Die Spritpreise in Trier sorgen immer wieder für Diskussionen. In der Regel ist das Tanken dort teurer als im Rest der Republik. Anfang vergangener Woche war es aber extrem viel teurer. Der Dieselpreis kletterte zeitweise auf über drei Euro, mehr als ein Euro über dem Durchschnittspreis in Deutschland. Was war da los? Darüber sprach der Redakteur Bernd Wientjes vom Trierischen Volksfreund mit dem Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap von der Uni Düsseldorf.

Trierischer Volksfreund: Herr Haucap, warum sind die Preise an den Tankstellen in Trier häufig deutlich höher als im Rest der Republik?

Justus Haucap: Es klingt paradox: Aber es liegt daran, dass Trier zu nah an Luxemburg liegt, wo ja die Spritpreise deutlich niedriger sind.

Dann könnte man aber doch denken, dass diesseits der Grenze die Preise auch niedriger sein müssen.

Es gibt Autofahrer, die sind preissensibel. Die achten auf die Preise und fahren dorthin, wo man am günstigsten tanken kann. Viele von denen tanken in Luxemburg und nicht in Trier. In Trier bleiben die Leute, die weniger preissensibel sind, denen die Preise an den Tankstellen relativ egal sind. Wegen der niedrigeren Preise in Luxemburg tanken aber insgesamt weniger Autofahrer in Trier.

Das heißt, wer in Trier tankt, der muss tanken?

Ja, das kann man so sagen. Dadurch ist die Kraftstoffnachfrage in Trier niedriger als in anderen Städten vergleichbarer Größe.

Wie wirkt sich das aus?

In Koblenz oder Kaiserslautern gibt es deutlich mehr Tankstellen als in Trier. Hier gibt es acht Tankstellen, die von vier großen Markenkonzernen betrieben werden, die ohnehin nicht dafür bekannt sind, Preisbrecher zu sein. In Kaiserslautern gibt es innerhalb von fünf Kilometern 22 Tankstellen, in Koblenz 23. Das zeigt, der Wettbewerb in Trier ist viel schwächer als in anderen Städten vergleichbarer Größe. Weniger Wettbewerb bedeutet höhere Preise.

Welche Rolle spielen freie Tankstellen?

Sie sind in der Regel die Preisbrecher genau wie die Supermarkttankstellen. Diese fehlen in Trier. Immerhin machen diese Tankstellen in Deutschland ein Drittel des Marktes aus. Und das ist das Dilemma in Trier. Deshalb sind die Preise höher als andernorts und deshalb fahren die Preissensiblen nach Luxemburg zum Tanken.

Das erklärt aber nicht, warum die Preise an den Zapfsäulen in Trier Anfang vergangener Woche regelrecht verrückt gespielt haben. Drei Euro für den Liter Diesel wurden zeitweise verlangt. Was ist da passiert?

Das war sehr außergewöhnlich und jenseits von Gut und Böse. Ich glaube nicht, dass das ein Test war, wie weit man an der Preisschraube drehen kann. Was man in Trier machen kann, kann man nicht auf den Markt im Rest von Deutschland übertragen. Ein Grund für überhöhte Preise kann auch schon mal Benzinknappheit an einer Tankstelle sein.

Was halten Sie von der These, dass der Algorithmus, mit dem die Preise an den Tankstellen festgelegt werden, „abgeschmiert“ sei. Kann das sein?

Das ist möglich. Immer mehr Tankstellen machen eine automatisierte Preissetzung über Algorithmen. Dabei kann es zu Fehlern kommen.

Warum sind die Kraftstoff-Preise in Deutschland im Verhältnis zu anderen Ländern viel höher?

Deutschlandweit betrachtet liegt das Problem der hohen Preise weniger bei den Tankstellen, als bei den Raffinerien. Dort besteht eine erhebliche Konzentration. Es gibt nur elf Kraftstoff-Raffinerien. Der Tankstellen-Markt an sich funktioniert ganz gut.

Abschließende Frage: Wäre ein Modell wie in Luxemburg, wo die Spritpreise staatlich festgelegt werden und einheitlich im ganzen Land sind, in Deutschland denkbar?

Das würde nur Sinn machen, wenn man auch die Großhandelspreise der Raffinerien deckelt.