Schülerkonferenz CNEL„Wir wollen wieder jeden Tag in die Schule gehen“

Schülerkonferenz CNEL / „Wir wollen wieder jeden Tag in die Schule gehen“
CNEL-Vizepräsidentin Anne Lecuit und CNEL-Sekretärin Marie-Brufina Leshwange-Mokita erläutern die Problematik, dass Schüler keine Ausgleichsmöglichkeiten mehr haben Foto: Screenshot/CNEL

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Die Schülerkonferenz CNEL macht sich große Sorgen um die mentale Gesundheit der Jugendlichen. Der Schuh drückt vor allem beim A/B-System und dem Homeschooling, den langen Bildschirmzeiten und den fehlenden Ablenkungsmöglichkeiten nach der Schule. Ein Gespräch mit zwei CNEL-Vertreterinnen über die Situation der Schüler nach einem Jahr Corona-Pandemie.

„Bei den jungen Menschen herrscht eine große Unsicherheit“, sagt Anne Lecuit, Vizepräsidentin der CNEL („Conférence nationale des élèves du Luxembourg“) im Tageblatt-Gespräch. Sie selber ist auf einer 2e im „Lycée Bel-Val“. „Die Jugendlichen wissen nicht, wie es weitergeht.“ Die Ankündigungen, wie lange die Restriktionen noch andauern, seien immer nur auf kurze Sicht. Man könne nichts planen. Aktuell wisse man nicht, wie es nach den Osterferien weitergeht. „Das A/B-System ist für die großen Klassen (4e, 3e und 2e) extrem ermüdend“, sagt sie. Diese Stufen haben abwechselnd Schule und Homeschooling. Die CNEL begrüßt deshalb, dass die anderen Klassen weiter normal Präsenzunterricht in die Schule haben können. „Wir haben schon seit dem ersten Lockdown gefordert, dass die Schulen wieder öffnen oder so lange wie möglich offen bleiben sollen. Wir wollen wieder jeden Tag in die Schule gehen, egal ob mit oder ohne Maske, Hauptsache jeden Tag in die Schule.“

Viele Jugendliche versuchten, so Lecuit, ihr soziales Leben einzuschränken. „Das tut der mentalen Gesundheit dieser jungen Menschen nicht wirklich gut. Wir haben keinen Ausgleich mehr“, sagt sie. Vor Corona konnten die Schüler nach der Schule und den Hausaufgaben ausgehen, Freunde treffen und an den Wochenenden feiern gehen. „Das war normal. Und das soll man jetzt nicht mehr tun.“ Laut Lecuit würden sich viele Jugendliche an diese Regeln halten. „Aber was sollen sie tun, um sich abzulenken?“, fragt sie. „Sie schauen Serien auf Netflix.“ Die CNEL-Vertreterin nennt das Problem beim Namen: die Bildschirmzeit. Es sei schwierig, auch mal offline zu sein. „Die jungen Menschen hängen viel mehr vor dem iPad oder Computer als sonst.“ Selbst am Wochenende würden manche Lehrer den Schülern irgendwelche Sachen zuschicken. „Die Problematik in puncto Abschalten ist nicht so einfach“, sagt sie.

Depressionen treten viel häufiger auf, weil sie alleine sind, wenige Kontakte mit anderen Menschen pflegen und sich nur auf das Lernen fokussieren können. Das ist sehr problematisch.

Marie-Brufina Leshwange-Mokita, CNEL-Sekretärin

Marie-Brufina Leshwange-Mokita ist Sekretärin bei der CNEL. Sie besucht eine 3e in der „Ecole privée Sainte-Anne“ in Ettelbrück. „Wir sitzen viel vor dem Bildschirm, weil wir quasi keine andere Ablenkung mehr haben außer Lernen“, sagt sie im Tageblatt-Gespräch. Früher habe man beispielsweise einen Verein besucht, um Stress abzulassen. Das sollte man jetzt vermeiden, sagt sie. Sogar den eigenen Freund zu besuchen, sei rar geworden. „Man schreibt sich Textnachrichten oder macht Facetime.“ Die Jugendlichen seien verunsichert und würden sich viele Fragen stellen. „Depressionen treten viel häufiger auf, weil sie alleine sind, wenige Kontakte mit anderen Menschen pflegen und sich nur auf das Lernen fokussieren können. Das ist sehr problematisch“, sagt Leshwange-Mokita. Positiv sei aber, dass Depressionen endlich als Krankheit angesehen würden. Vor Corona sei das nicht so ernst genommen worden. Die CNEL-Sekretärin berichtet über Schüler, die mit der Schule aufhören wollen. „Sie sagen: Ich kann nicht mehr, das ist zu viel, wenn ich so leiden muss.“

Die Nerven liegen blank

Für Anne Lecuit liegt eine Ursache in der fehlenden Motivation der Jugendlichen. Sie erklärt es so: „Wenn ich jetzt lerne oder besonders gut lerne oder ich meine Prüfungen abgelegt habe und das Semester um ist, dann gehe ich normalerweise in Ferien. Nur, wo gehe ich jetzt hin? Ich bleibe zu Hause.“ Das Ziel, sich noch eine Woche lang anzustrengen, um dann am Wochenende mit den Freunden zu feiern, sei nicht möglich. Zumindest sollte man das nicht tun. „Nicht alle halten sich daran, die meisten aber schon“, sagt sie.

Wenn ich jetzt lerne oder besonders gut lerne oder ich meine Prüfungen abgelegt habe und das Semester um ist, dann gehe ich normalerweise in Ferien. Nur, wo gehe ich nun hin? Ich bleibe zu Hause.

Anne Lecuit, CNEL-Vizepräsidentin

„Sowohl bei Schülern als auch bei Lehrern liegen die Nerven blank“, sagt Leshwange-Mokita. Sie führt das insbesondere auf das Homeschooling zurück, das nun seit mehreren Monaten die Hälfte des Schulalltags auf der 3e einnimmt. Die Lehrer seien gestresst, weil sie nicht wüssten, ob sie dieses und jenes fertig bekommen, ob die Schüler im digitalen Unterricht alles mitkriegen, was sie ihnen alles verständlich erklären konnten oder ob sie die Hausaufgaben richtig verstehen. „Die schlechte Laune der Lehrer geht dann auf die Schüler über“, sagt sie. Im Präsenzunterricht könne man dies anders handhaben. Auch Lecuit sieht ganz klare Grenzen in der Unterrichtsform Homeschooling. „Wir verlieren Lernstoff und wir lernen nicht das Gleiche, wie wir es in der Schule vor Ort lernen würden.“ Zudem sei bis vor kurzem nicht klar gewesen, ob das Programm angepasst würde oder nicht.

„Viele Lehrer haben deshalb im ersten Semester das Programm einfach durchgerattert, weil sie wussten, dass es irgendwann zum Homeschooling, Quarantänen und Isolierungen kommen wird“, so Lecuit. Sie wollten die Schüler einfach so gut wie möglich auf das kommende Jahr vorbereiten. Hier sei es aber besser, weniger zu tun und dafür definierter. „Diese Message ist nun endlich durchgekommen. Dafür haben wir lange gekämpft“, sagt die CNEL-Vizepräsidentin. Das Gleiche gelte für die mentalen Krankheiten, die nun endlich als solche anerkannt wurden. „Es sind erschreckende Zahlen. In der Pandemie gab es 30 Prozent mehr Selbstmordgedanken, die dem Cepas (’Centre psycho-social et d’accompagnement scolaires’) mitgeteilt wurden“, sagt sie. Und das seien nur Fälle, die dort ankommen. Die Dunkelziffer sei groß, da nicht viele sich öffnen und darüber sprechen wollten.

Cepas nicht überall beliebt

Auch das Cepas an sich sei verbesserungsbedürftig, so Lecuit. An manchen Schulen sei diese Anlaufstelle nicht sehr beliebt. Daran müsse man langfristig arbeiten. Kurzfristig könne man nun während der Pandemie nicht viel ändern. Lecuit schlägt vor, den Schülern eine andere psychologische Hilfe zur Verfügung zu stellen. „Die Psychologen sind ausgebucht, und wenn sie überhaupt noch neue Patienten annehmen, dann sind sie extrem teuer. Nicht jeder kann oder will sich das leisten.“ Deshalb schwebt der CNEL-Vertreterin das Angebot einer Gratis-Hilfe vor. Sie könnte sich vorstellen, dass eine Gruppe Psychologen sich zu diesem Zweck den Schülern zur Verfügung stellen und pro Woche eine bestimmte Anzahl empfangen könnten. Als Entschädigung sollte man ihnen staatliche Hilfen anbieten. Wie genau das aussehen sollte, müsste noch festgelegt werden. Auf jeden Fall hat die CNEL bereits Pläne, die sie gemeinsam mit Elternvertretern und dem nationalen Cepas erörtert. Auch das Cepas selbst sollte reformiert werden, damit die Schüler einen direkten Ansprechpartner vor Ort hätten, so Lecuit.

Wir werden größer, schlauer und stärker da rauskommen, was unsere Überlegungen und die Reife angeht

Marie-Brufina Leshwange-Mokita, CNEL-Sekretärin

Soll man sich denn nun Sorgen um die Jugendlichen machen oder sollte man eher sagen, dass sie durch die Pandemie abgehärtet werden? „Sorgen machen, ja, über jene, denen es schlecht geht“, sagt Leshwange-Mokita. Man sollte sensibler gegenüber seiner Umgebung sein, insbesondere zu Hause, da es ja kaum noch andere Kontakte gebe, sagt sie. Der Begriff „abhärten“ ist der CNEL-Sekretärin ein Dorn im Auge. Sie formuliert es so: „Wir werden größer, schlauer und stärker da rauskommen, was unsere Überlegungen und die Reife angeht.“ Gefühlsstark werde man nicht aus der Pandemie hervorgehen, insbesondere nicht, weil die mentale Gesundheit bei Jugendlichen derart leidet.

Ein Jahr ist für mich persönlich schon lange und für Zwölfjährige wirklich verdammt lange

Anne Lecuit, CNEL-Vizepräsidentin

„Im Moment ist es so, dass die Jugendlichen eher in Gefahr sind, was die mentale Gesundheit angeht“, sagt Anne Lecuit. Weder sie selber noch die CNEL seien der Meinung, dass es sich um eine verlorene Jugend handelt. Zumindest nicht zu hundert Prozent, sagt sie. Bildungsminister Claude Meisch habe es oft genug wiederholt: „Er konnte mit seinen Freunden feiern gehen, sich ablenken, machen, was er wollte, wir aber nicht.“ Sie sagt: „Ein Jahr ist für mich persönlich schon lange und für Zwölfjährige wirklich verdammt lange.“ Lecuit findet, dass die jungen Menschen vielleicht mit anderen Lebensweisheiten aus der Pandemie herausgehen. Dennoch sollte man aufpassen, dass ihre Diplome am Ende nicht wertlos sind. Das gelte für die Aufnahme an Unis und das Studium an sich. „Auch auf dem Arbeitsmarkt müssen wir aufpassen, dass wir später nicht als die Corona-Generation abgestempelt werden, nach dem Motto: Die bekamen ihr Diplom im Corona, das war geschenkt.“ Wenn ein Diplom durch die Pandemie an Wert verliere, dann sei dies ein verdammt großes Problem, sagt sie.

Heng
18. März 2021 - 22.32

@ Blücher: Sie werfen der Jugend das vor, was die älteren Generationen ihr vorgelebt haben: Ältere Generationen, die ihren Spaß hatten und den Jungen einen zerstörten Planeten mit Armut, Krieg, einem zerstörten Ökosystem und Pandemie hinterlassen. Ihr Jugendbashing ist pathetisch und scheinheilig, aber wohl typisch für eine alternde Gesellschaft.

Blücher
18. März 2021 - 12.44

„Wir wollen......“ ein Schlagwort das man oft zuhören bekommt.Ob nun das Feiern, das Reisen, das Freunde treffen, das Konzert besuchen, im Restaurant essen, .......... , wir wollen, wollen ...Das Recht auf Bildung ist elementar, ich wünsch der Jugend auch wieder einen normalen Schulablauf , aber stellt euch liebe CNEL mal die Frage. Wieviele Jugendliche angesichts von Krieg, Zerstörung, Armut können keine Schule besuchen, müssen zum täglichen Überleben der Familie im Kindesalter einer Arbeit nachgehen? Wie steht es mit der mentalen Gesundheit dieser Kinder, Jugendlichen? Liebe CNEL , die Jugend spricht sehr oft von Solidarität , Zukunft, Gleichheit, Verzicht des Klimas, der Umwelt wegen .Nun in Zeiten wo es euch schlechter geht als in den vorherigen Jahren, ihr weder dem täglichen Überlebungskampf , der Verstümmelung , dem Tod durch Krieg ,.... ausgesetzt seit geht ein Jammern durch euch , als wäre die von Konsum, Spass, Bildung verhätschelte westliche Jugend der Mittelpunkt der Welt. Die westliche Jugend kann jetzt Solidarität, Verzicht, Einschränkung beweisen, denn eure Freunde in den Krisengebieten haben neben allen herkömmlichen Problemen auch noch Corona zu bewältigen.