„Wir sollten auf ein Bier gehen“: Identitären-Chef mailte intensiv mit späterem Christchurch-Killer

„Wir sollten auf ein Bier gehen“: Identitären-Chef mailte intensiv mit späterem Christchurch-Killer

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Der Chef der österreichischen Identitären hatte mit dem späteren Massenmörder
von Christchurch einen viel intensiveren Kontakt als zugegeben – und möglicherweise auch einen besonderen ins FPÖ-geführte Innenministerium.

Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer, Wien

Da war nur eine Spende und sonst gar nichts. Und auch die war Martin Sellner ein Jahr danach in höchstem Maße unangenehm. Denn die 1.500 Euro waren von einem gewissen Brenton Tarrant gekommen, der am 15. März im neuseeländischen Christchurch in zwei Moscheen 50 Muslime massakrierte und das Video von dem Gemetzel samt einem mit „Der große Austausch“ übertitelten Manifest ins Internet stellte.

Der Australier dürfte sich nicht nur beim Titel von der Identitären Bewegung inspirieren haben lassen. Gleich nach dem Massaker wurden mehrere Österreich-Bezüge bekannt. Auf einer der Tatwaffen war der Name Ernst Rüdiger von Starhemberg, dem Wiener Stadtkommandant bei der Türkenbelagerung im Jahr 1683, eingraviert.

Zudem bereiste Tarrant im vergangenen November Österreich. Einen direkten Hinweis auf einen Ursprung seiner rechtsextremen Paranoia im identitären Gedankengut liefern nun E-Mails, die auch Martin Sellners Mär vom lediglich flüchtigen Kontakt als solche entlarven. Der Identitären-Führer wollte sich ja – so der bisherige Kenntnisstand – nur mit einer Nullachtfuffzehn-Mail, wie sie jeder Spender bekommt, bedankt haben. Jetzt wurde aber bekannt: Der interkontinentale Rechtsextremistenchat war viel intensiver und freundschaftlicher als bisher zugegeben.

„Ich möchte dir persönlich für deine unglaubliche Spende danken“, startete Sellner den Dialog und übermittelte Tarrant seine persönliche E-Mail-Adresse. Dieser antwortete, die 1.500 Euro seien nur „ein kleiner Betrag im Vergleich zu der vielen Arbeit, die du leistest“. Offenbar verfolgte der spätere Massenmörder sehr genau, was der nicht nur in Österreich, sondern im rechtsextremen Netzwerk international äußerst rührige Sellner tat. Tarrant schrieb weiter: „Es ist noch ein langer Weg bis zum Sieg, aber jeden Tag werden unsere Leute stärker.“

Verdächtiger Löschvorgang

Der Mann, der Tarrant offenbar inspiriert hatte, schickte Freundlichkeiten retour: Die Worte gäben ihm „wirklich Energie und Motivation“. Und: „Wenn du je nach Wien kommst, müssen wir auf einen Kaffee oder ein Bier gehen.“ Als Antwort kam eine Gegeneinladung für Bier oder Kaffee in Australien oder Neuseeland.

Gelegenheit für ein gemeinsames Bier hätte es während Tarrants November-Tour in Österreich durchaus gegeben. Sellner, gegen den wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Bewegung ermittelt wird, bestreitet jedoch jegliches Treffen.

Mindestens ebenso brisant wie die Frage, ob es so ein Treffen doch gab, ist Sellners Umgang mit seinem E-Mail-Verkehr. Nur 40 Minuten, ehe am 25. März die Beamten des Verfassungsschutzes an seiner Haustür klingelten und ihm einen Hausdurchsuchungsbefehl zeigten, hatte Sellner alle mit Tarrant ausgetauschten E-Mails auf seinem Computer gelöscht. Dass es sich dabei um eine reine Zufälligkeit gehandelt habe, wie sein Anwalt beteuert, wollen viele in Wien nicht so recht glauben.

„Es fällt mir angesichts der engen Verbindungen zwischen der FPÖ und den Identitären schwer, hier an einen Zufall zu glauben“, sagte gestern SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda. Er forderte Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) auf, „dringend aufzuklären, ob Sellner möglicherweise vor der Hausdurchsuchung gewarnt wurde“. Kickl wies den Verdacht umgehend zurück und forderte Beweise. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sieht nur „krude Verschwörungstheorien“.

Enge Kontakte Identitäre-FPÖ

Der Verdacht ist freilich so wenig abwegig, dass die FPÖ, ginge es nicht um sie, sondern um eine linke Connection, sofort eine Theorie konstruieren würden. Denn die Verbindungen zwischen den Rechtspopulisten und den Rechtsextremisten sind viel enger als der FPÖ-Spitze mittlerweile lieb ist. Der heutige Innenminister galt selbst als Querverbinder zu diesen Kreisen. 2016 trat der damalige FPÖ-Generalsekretär beim rechtsextremen Kongress der „Verteidiger Europas“ in Linz als Stargast auf.

Inzwischen ist auch aktenkundig, dass mehrere FPÖ-Funktionäre an Identitären-Demos teilgenommen und/oder der Bewegung Geld gespendet hatten. Auch hier lieferte Sellners nun bekannt gewordener E-Mail-Verkehr neue Hinweise: Drei FPÖler, darunter ein im Kabinett von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) arbeitender Funktionär, hatten ebenfalls Dankschreiben für Spenden erhalten. Im Fall des Regierungsmitarbeiters gibt es übrigens keine Konsequenzen, weil die „Spende als Privatperson“ vor seinem Eintritt ins Ministerium getätigt worden sei.

Es wäre also geradezu naheliegend, dass sich auch in Kickls Ministerium Sympathisanten der Identitären eingenistet haben. Ein Verrat der bevorstehenden Hausdurchsuchung, so es ihn gab, wird allerdings schwer nachzuweisen, weil kaum schriftlich per E-Mail erfolgt sein.

RapZodi
18. Mai 2019 - 15.17

Naja, schon krass und sehr bedenklich dass hier milde mit einem sehr weit rechts angeordneten Menschen umgegangen wird.

nohate
18. Mai 2019 - 8.28

Wow, Sellner im Tageblatt? Nachtigall ick hör dir trapsen, die Europawahl steht wohl an. Ich glaube übrigens Sellner wenn er sich von Massakern distanziert - er ist nicht das personifizierte Böse sondern nur am anderen Ende des politischen Spektrums (von Ihnen aus betrachtet).

tarzan
17. Mai 2019 - 13.21

ich verstehe die überschrift/titel (intensiv) dieses artikels nicht. dieser australier hat anfang 2018 (also rund ein jahr vor dem massaker) 1500 euros gespendet. dieser verein IB finanziert sich nun mal über spenden, wie andere etablierten politischen parteien oder bewegungen übrigens auch. da diese spende, 1500 euros, den rahmen des üblichen sprengte, bekam der spender ein "personalisiertes dankeschön". ist eine marketing-regel. der rest ist, tut mir leid, eine unterstellung.