Die ländlichen Klassikfestivals (4) „Wir brauchen wieder eine fröhliche Kunst“: Die Kleine Fleth-Philharmonie in Buxtehude

Die ländlichen Klassikfestivals (4)  / „Wir brauchen wieder eine fröhliche Kunst“: Die Kleine Fleth-Philharmonie in Buxtehude
Eine Philharmonie mit nur 36 Sitzplätzen Foto: Hasko Witte

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Zwischen Kirchen, Scheunen und Burgen: Auch die ländlichen Klassikfestivals haben vieles zu bieten. Heute ein Gespräch mit Hasko Witte, dem Intendanten (aber auch Platzanweiser und Ticketverkäufer) der Kleinen Fleth-Philharmonie in Buxtehude, über das Bedürfnis, Musik zu machen, intime Atmosphären und die Wichtigkeit der Farben.

Tageblatt: Hasko Witte, eigentlich sind Sie Leiter einer Künstler- und PR-Agentur. Und seit 2021 Intendant der Kleinen Fleth-Philharmonie in Buxtehude. Allerdings eine Philharmonie nicht wie die anderen; Sie haben insgesamt 36 Sitzplätze …

Hasko Witte: (lacht) Ich bin Intendant, Platzanweiser und Ticketverkäufer in einer Person. Die Kleine Fleth-Philharmonie – die Fleth ist ja ein kleines Flüsschen, das durch Buxtehude läuft – ist die Realisierung eines Traums, den ich schon jahrelang träume. Ich arbeite seit über 20 Jahren für Künstler und es hat mich immer gereizt, neue Projekte und Programme im Vorfeld der Realisierung in einem kleinen Rahmen auszuprobieren und vor Publikum aufzuführen. Dann musste ich immer wieder Räume und Säle anmieten, mal in Hamburg, mal in Berlin, was auf die Dauer relativ kostenintensiv wurde. Dann kam die Idee, mein eigenes kleines Konzerthaus zu haben, doch in Hamburg sind die Mieten so hoch, dass das Projekt schnell gestorben war. Zumindest dort. Privat lebe ich in Buxtehude und durch Zufall bin ich auf einen alten Klamottenladen gestoßen, der leer stand und der mir Möglichkeit für mein Büro und einen kleinen Konzertraum bot. Ich nutzte die Gelegenheit und renovierte den Laden, sodass ich jetzt mitten in der Altstadt mein Büro habe und dann nebenbei auch noch Konzerte organisieren kann.

Und wie finanziert sich das Projekt?

Die Umbauten habe ich aus eigener Tasche gezahlt, aber wie gesagt, ich nutze die Location ebenfalls als Büro. Wenn wir ausverkauft sind, haben wir rund 720 Euro Einnahmen und die gehen integral an die Künstler. Es gibt sehr viele Musiker, die froh sind, in einem solch kleinen Rahmen spielen zu können, ehe sie vielleicht am folgenden Tag dann in der Elbphilharmonie auftreten. Den meisten Künstlern geht es gar nicht so ums Geld. Es ist ihnen ein Bedürfnis, Musik zu machen, und viele suchen auch den Kontakt zum Publikum. Die Kleine Fleth-Philharmonie ist ein Herzensprojekt, kein Geschäftsmodell. Und in Buxtehude gibt es viele kulturinteressierte Menschen, die nicht unbedingt jedes Mal nach Hamburg oder Bremen fahren wollen, wenn sie auch hier erstklassige Künstler erleben können.

Es gibt sehr viele Musiker, die froh sind, in einem solch kleinen Rahmen spielen zu können, ehe sie vielleicht am folgenden Tag dann in der Elbphilharmonie auftreten. Den meisten Künstlern geht es gar nicht so ums Geld.

Hasko Witte, Intendant der Kleinen Fleth-Philharmonie in Buxtehude

Worauf legen Sie denn die Schwerpunkte?

Wissen Sie, wer in die Kleine Fleth-Philharmonie kommt, soll Freude haben. Als Hörer wie auch als Interpret. Die Künstler dürfen auch ruhig mal was anderes ausprobieren oder in ungewöhnlichen Konstellationen auftreten, wie beispielsweise Harfe und Kontrabass. Wir wollen irgendwie zum Ursprung zurück. Komponisten wie Franz Liszt oder Lili Boulanger haben Musik für den Salon komponiert und in kleinem Freundeskreis musiziert. Diese intime Atmosphäre, dieser direkte Austausch schwebt mit vor. Und ich will auch den Künstlern, die ich als Agent betreue, ein Forum bieten, wo sie sich vielleicht etwas anders darstellen können. Fehler machen ist erlaubt, das ist nicht schlimm. Wenn ein Programm oder eine Konstellation nicht so funktioniert, wie man es erhofft hatte, dann hat man es zumindest ausprobiert und daraus gelernt. Wir, damit meine ich meine Künstler und mich, wollen weg von diesen steifen Routine-Konzerten und die Musik und ihre Interpretation neu erlebbar machen.

Sehen Sie sich eher als Festival oder als Konzertreihe?

Eigentlich will ich auch weg von der festgefahrenen Programmpolitik und eher kurzfristig planen. Momentan sind bis Ende Oktober fünf Konzerte angesetzt, dann sehe ich weiter. Festivalstimmung ist eh angesagt, aber wohl eher im Sinne eines einmaligen Erlebnisses und eines sehr direkten Kontaktes mit dem und zu dem Künstler. Es ist auch eine Stand-Bar geplant, wo man dann nach dem Konzert gemütlich ein Glas Sekt zusammen trinken kann. Auch mit der Gastronomie hege ich gute Kontakte, sodass auch die Bars und Restaurants von den Konzerten indirekt profitieren können.

In der Kleinen Fleth-Philharmonie steht ein besonderes Schmuckstück …

Ja, ein alter Steinway-Flügel aus dem Jahre 1906. In Hamburg gibt es die „Klangmanufaktur“, wo sich alte Steinway-Spezialisten zusammengetan haben, um alte Steinway-Flügel komplett zu überholen und zu renovieren und sie dem Markt wieder zugänglich zu machen. Und das zu erschwinglichen Preisen. Ich habe den 1906-Flügel, der in Privatbesitz ist, als Leihgabe für zehn Jahre bekommen und habe nun ein herrliches Instrument, auf dem wohl jeder Pianist glücklich wird.

Und dann nutzen Sie den Raum auch noch als Galerie.

Ja, die Wände waren mir dann doch etwas zu weiß. Ich stelle die Wände dann gerne lokalen Malern oder Fotografen zur Verfügung, die mit ihren Werken die Atmosphäre dann auch optisch verschönern. Momentan ist die Ausstellung Farbklänge mit den sehr farbigen Bildern von Andrea Rischmann zu sehen. Gerade heute ist Farbe enorm wichtig. Wir brauchen wieder eine fröhliche Kunst.

Das Bild des Stars scheint sich in den letzten Jahren stark verändert zu haben …

Ja, es wächst eine andere Generation heran und die Art der Vermarktung ist eine andere. Natürlich gibt es immer noch große Stars, aber anders als früher werden sie auch schneller abgelöst. Da kann es schon sein, dass ein Musiker während zwei Jahren eine tolle Karriere hinlegt und danach sehr schnell in Vergessenheit gerät. Natürlich gibt es auch noch einige Megastars wie Anna Netrebko oder Jonas Kaufmann. Aber diskutable politische Statements können, wie bei Netrebko, eine Karriere schnell ins Abseits manövrieren. Andere zehren noch lange von ihrer einst großen Zeit, auch wenn sie den Zenit schon lange überschritten haben. Auf der anderen Seite gibt es eine Menge hochtalentierter und außergewöhnlicher Musiker, die nie den Sprung auf die große Bühne schaffen. Und das muss auch nicht sein. Man kann auch in der Provinz, in einem Stadttheater oder in kleinem Kreis Menschen begeistern. Und das ist doch das Schöne. Und es ist doch auch eigentlich das, was jeder Musiker sich wünscht. Nämlich die Menschen zu berühren.