SupervulkaneWie gefährlich sind die Phlegräischen Felder?

Supervulkane / Wie gefährlich sind die Phlegräischen Felder?
Der Vulkan Ätna bricht nahe Catania, Sizilien, aus: Wenn der glühende Magmastrom zu Tal fließt, kann das für die Bewohner der dort gelegenen Gebiete immer ein unberechenbares Risiko sein Foto: AP/dpa/Salvatore Allegra

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Im Fernsehen sieht man meist Bilder von Bergen, über deren Spitze eine Wolke aus Rauch, Asche, Lava und Gestein steht. Aus vielen Öffnungen aus dem Krater und den Flanken von Vulkanen kann heißer Magmastrom fließen, Tod und Verderben bringen. Doch viel gefährlicher noch sind die Supervulkane, wenngleich unscheinbarer. Ein solcher befindet sich auch in Europa – für die Phlegräischen Felder interessierte sich unsere Korrespondentin Elke Bunge.

Ob Stromboli oder Ätna in Italien, Bárebunga auf Island oder Kilauea auf Hawaii, Vulkanausbrüche kommen häufig überraschend, mit spektakulären, aber auch höchst gefährlichen Ereignissen. Wenn der glühende Magmastrom zu Tal fließt, kann das für die Bewohner der dort gelegenen Gebiete bislang immer ein unberechenbares Risiko sein. Vulkanologen, Wissenschaftler, die sich mit der Entstehung und dem „Leben“ der Vulkane beschäftigen, versuchen anhand von Modellen ein mögliches „Verhalten“ dieser Naturphänomene zu berechnen.

So haben zum Beispiel Wissenschaftler des Geoforschungszentrums Potsdam und des Vesuv-Observatoriums des Nationalen Instituts für Geologie und Vulkanologie (INGV) Neapel versucht, eine Ordnung in diesem eruptiven Geschehen zu entdecken. Als ideales Experimentierfeld erschien ihnen Europas größter Supervulkan, die Phlegräischen Felder. An der bei Pozzuoli nahe Neapel gelegenen Caldera dieses Flächenvulkans haben sie nach langen Studien ein Modell vorgestellt, nach dem künftige Orte von Eruptionen relativ genau berechnet werden können.

Die Phlegräischen Felder (Campi Flegrei) sind nur rund 20 Kilometer vom Vesuv entfernt. Das Gebiet am Golf von Neapel gilt als sogenannter Supervulkan. Seit 2008 ist bekannt, dass die Felder mit dem Vesuv eine gemeinsame Magmakammer in etwa zehn Kilometern Tiefe besitzen. Zwar fand der letzte größere Ausbruch im Jahr 1538 statt, doch seit 2012 wurden wieder verstärkte unterirdische Aktivitäten gemessen.

Das hier agierende Forscherteam, bestehend aus Geologen, Vulkanologen, Physikern und Mathematikern, hat sowohl vor Ort Studien auf den Phlegräischen Feldern vorgenommen als auch im Institut lange an mathematisch-physikalischen Modellen gearbeitet. Studienleiterin Eleonora Rivalta erklärt das Grundprinzip ihrer Untersuchungen so: „Wir haben die Geschichte der Phlegräischen Felder um Pozzuoli studiert und die Physik des Vulkans untersucht. Aus der dabei erhaltenen Datenmenge konnten wir ein Modell über mögliche Ausbrüche erstellen.“

Der Ätna auf Sizilien ist der höchste noch aktive Vulkan in Europa
Der Ätna auf Sizilien ist der höchste noch aktive Vulkan in Europa Foto: Unsplash/Piermanuele Sberni

Wie eine Wiese mit Maulwurfshügeln

Man kann sich die Caldera von Pozzuoli vorstellen wie eine Wiese mit Maulwurfshügeln, meint Rivalta. Im Verlaufe Tausender Jahre sind hier und dort Ausbrüche vonstattengegangen, die Krater hinterlassen haben. Andere Krater hingegen sind von jüngeren Ereignissen wieder verschüttet worden, sodass sich eine genaue Anzahl der Eruptionen und ein genauer zeitlicher Ablauf nicht darstellen lässt. Bisherige Schlot-Karten verzeichnen nur die Historie der Ausbrüche. Oftmals gehen Vulkanologen davon aus, dass sich der Vulkan auch künftig so verhalten wird, wie er es in der Vergangenheit getan hat. Allerdings fehlt es hierzu an genauen Schlotkarten, denn jüngere eruptive Ereignisse „übertünchen“ das Geschehen vorheriger.

Um zu genaueren Erkenntnissen zu gelangen, muss auch die physikalische und geomorphologische Struktur untersucht werden. So kann nicht nur erkannt werden, wo das Magma aus dem Vulkan ausgetreten ist, sondern auch, welche Wege es in der Vergangenheit genommen hatte. Die Forscher haben historische Modelle mit modernen physikalischen Untersuchungen des vulkanischen Gesteins kombiniert und aus der Datenmenge ein Mustermodell der Eruptionen erarbeitet.

Der gestresste Vulkan

Wie für die gesamte Erdkruste gilt auch für Vulkane, dass keine homomorphe Struktur vorhanden ist. Manchen Erdschichten sind kompakter, bis hin zu undurchdringlichen Felsstrukturen wie Basalt, andere hingegen eher leicht und porös. Die Untersuchungen des Forschungsteams liefen darauf hinaus, solche Strukturen zu finden, in denen sich Magmakanäle bis an die Erdoberfläche schieben könnten – oder in der Vergangenheit geschoben haben. So können bei Vulkanen mit Kegeln auch Schlote an den Flanken entstehen, die häufig nur für eine einzige Eruption dienen. Als jüngstes Beispiel hierfür lässt sich der Ausbruch an der Flanke des Cumbre Vieja auf der Kanareninsel La Palma nennen, der erst vor kurzem wieder zur Ruhe gekommen ist. Bei den Calderen können diese Schlote ebenfalls am Rand auftauchen oder am Boden der Caldera – die Maulwurfshügel eben.

Das Team um Rivalta untersuchte unter diesen Gesichtspunkten die Caldera in den Phlegräischen Feldern. Magmawege und -schlote entstehen unter bestimmten Bedingungen, bestimmten Stressfaktoren. Dies können vertikale Drücke sein, mit denen sich das Magma an die Oberfläche schiebt, oder auch horizontale tektonische Bewegungen, wie sie aus den tektonischen Plattenverschiebungen resultieren.

„Wir haben diese Bewegungen und Faktoren an historisch bereits vorhandenen Schloten nachgemessen und die Resultate dann mit der Monte-Carlo-Methode millionenfach simuliert“, erklärt Eleonora Rivalta, die heute auch als Professorin Vulkanologie an der Universität Bologna lehrt, das Erstellen ihres Modells.

Am Monte Nuovo überprüft

1538 geschah der letzte große Ausbruch in den Phlegräischen Feldern, dabei entstand der Monte Nuovo in der Nähe von Pozzuoli. Der „Neue Berg“ hat heute eine Höhe von 133 Metern, sein Krater in der Spitze einen Durchmesser von etwa 400 Metern. „Beim Erstellen des Modells ließen wir den Monte Nuovo bewusst aus“, erklärt Mauro Di Vito vom Vesuv-Observatorium des INGV, „mit einer Fülle statistischer Berechnungen, der Kenntnis der Struktur und der Geschichte der Phlegräischen Felder konnten wir dann mögliche Austrittskanäle zu bestimmten geschichtlichen Zeiten berechnen“. Dies wurde auch auf das Geschehen am Monte Nuovo angewandt. Das Forscherteam zeigte sich sehr erfreut, dass es das Ausbruchsgeschehen am Monte Nuovo nahezu präzise „vorhersagen“ konnte. „Wir hatten nur eine Abweichung von wenigen Hundert Metern. Das halten wir für ein gutes Ergebnis, da der Monte Nuovo nicht in der Hauptregion des vulkanischen Geschehens der Caldera liegt“, zeigt sich Forschungsleiterin Rivalta zufrieden.

Das Modell auf künftige Ereignisse anzuwenden, dürfte von den Gemeinden, die sich in der Nähe der Caldera angesiedelt haben, von Bedeutung sein. So kann eine langfristige Bauplanung berücksichtigen, ob die Projekte außerhalb einer Gefahrenzone liegen. Das Wissen um mögliche Ausbruchsorte könnte auch beim Alarmieren der Bevölkerung und dem Organisieren von Evakuierungsplänen von Bedeutung sein.

Die Arbeiten am Vorhersagemodell in den Campi Flegrei werden noch fortgesetzt und verfeinert. Doch hat das Forschungsteam um Rivalta bereits neue Projekte im Auge. „Wir wollen unser Modell am Ätna auf Sizilien und dem Piton de la Fournaise auf La Réunion verifizieren.“ Bei beiden handelt es sich um Schichtvulkane mit einem Kegel. Zudem ist geplant, auch eine Schlotprognose in den Calderen des Yellowstone-Gebiets in den USA zu erstellen.