Tageblatt: Hallo, ich hoffe, es geht euch gut. Ich denke oft an unsere Begegnung zurück. Als wir das letzte Mal miteinander sprachen, hattet ihr gerade Anzeige gegen euren gewalttätigen Ex-Freund erstattet. Wie lief das Verfahren? Lebt ihr noch in Luxemburg? Ich würde mich über Neuigkeiten freuen. Alles Liebe, Isabel.
Du: Hi, Isabel, es ist lieb, dass du nachfragst. In meinem Fall stellte das Gericht das Verfahren aufgrund unzureichender Beweise und fehlender Zeugen ein. Es gab welche, aber sie verweigerten die Aussage. Ich gehe in Berufung. Im Oktober steht der erste Termin vor Gericht an.
Du hattest Beweise. Ich erinnere mich unter anderem an Audioaufnahmen, die du mir im Zuge meiner Recherche vorgespielt hast.
Du: Ja, ich legte den Ermittlungsbehörden Audio- und Videoaufnahmen sowie zwei Ärzteberichte zu meinem Gesundheitszustand vor. Hinzu kamen Gesprächsverläufe, die auf seine Gewalttaten hinwiesen. Das genügte dem Gericht nicht. Stattdessen hatte ich eine Klage wegen „violation de la vie privée“ am Hals: Er zeigte mich wegen der Aufnahmen und deren Weitergabe an die Ermittler an. Ich wurde aufs Polizeirevier zitiert, doch glücklicherweise folgte darauf nichts.
Im November hieß es, ihr hättet euch den Vorsitzenden eines Vereins in Luxemburg anvertraut, in dem er sich für euer Herkunftsland engagiert. Statt sich von ihm zu distanzieren, wurdet ihr von den Verantwortlichen aus der besagten Gemeinschaft verstoßen. Ist das inzwischen anders?
Du: Nein, er ist weiterhin ein aktives Mitglied und wird für seinen Einsatz sowie für die Spendengelder, die er bereitstellt, gelobt.
Sie: Hallo Isabel, entschuldige die späte Rückmeldung. Um auf deine Eingangsfrage zurückzukommen: Meine Anklage wurde wegen der Beweislage nicht zugelassen. Es kam also gar nicht erst zu einem Verfahren.
Kein Thema. Ich danke dir für die Antwort! Wagst du ebenfalls einen zweiten Anlauf?
Sie: Nein. Einerseits fehlt mir dafür das Geld, andererseits misstraue ich der Justiz. Weitere Schritte zu unternehmen scheint mir sinnlos.
Das höre und lese ich oft … Was genau ist passiert?
Sie: Ich wies die Ermittler darauf hin, dass einer der Übergriffe sich an einem öffentlichen, videoüberwachten Ort ereignete – sie sahen meines Wissens jedoch davon ab, die Aufnahmen anzufragen und zu sichten, dabei hätten die als Beweismittel gedient. Ich hegte damals trotzdem die Hoffnung auf Gerechtigkeit. Heute weiß ich: Das war der erste Hinweis darauf, dass mich das luxemburgische Justizsystem nicht schützt.
Zur Vorgeschichte
Im November 2024 sprach das Tageblatt mit zwei Überlebenden häuslicher Gewalt. Beide Frauen zogen in den Vorjahren aus demselben europäischen Land nach Luxemburg. Die eine zum Studium, die andere flüchtete vor dem Krieg. Im Großherzogtum führten sie nacheinander eine Beziehung mit demselben Mann – einem Menschen, der sich unter anderem für Kriegsopfer einsetzt.
Er versprach ihnen die große Liebe, doch die Leidenschaft schlug schnell in körperliche und psychische Gewalt um. Fremdenfeindlichkeit und Frauenhass sollen dabei eine wesentliche Rolle gespielt haben. Die Frauen beschuldigen den Mann unter anderem, den Krieg in ihrem Herkunftsland für seine Zwecke instrumentalisiert und ihre Ängste ausgenutzt zu haben. Eine der Betroffenen verließ für kurze Zeit aus Verzweiflung das Land und zog den Bombenhagel in ihrer Heimat der Nähe zum mutmaßlichen Täter vor.
Später lernten sich die Frauen zufällig kennen, sie freundeten sich an. Beide erstatteten Anzeige gegen ihren Ex-Freund und wiesen ihr gemeinsames Umfeld auf die Erlebnisse hin. Entgegen ihren Erwartungen ging das mit dem Ausschluss aus ihrer Community einher, in der sich der Beschuldigte bis heute engagiert.
Die Frauen zeigten sich bei unserem ersten Gespräch auch enttäuscht über den Umgang der luxemburgischen Behörden mit den Überlebenden häuslicher Gewalt. Bei der Polizei fühlten sie sich teilweise schlecht beraten und von der Zuwanderungsbehörde bloßgestellt für die Entscheidung, in einem Kriegsgebiet Sicherheit vor ihrem Ex-Freund zu suchen.
Zum Schutz der Betroffenen und deren Angehörigen anonymisiert das Tageblatt ihre Geschichte.
Hat er dich noch einmal kontaktiert?
Sie: 2024 erhielt ich Post von seinem Anwalt: Er drohte mir mit einer Anzeige wegen Verleumdung, sollte ich meinen ersten öffentlichen Facebook-Beitrag über die Vorfälle nicht löschen.
Kamst du der Bitte nach?
Sie: Nein – und es blieb bei der einen Aufforderung. Das verdeutlicht, was wir längst wissen: Er versucht, uns einzuschüchtern, uns zu drohen, um seinen Willen durchzusetzen. Das ist seine Taktik.
Du: Und er macht weiter, bis die Justiz ihn aufhält.
Apropos weitermachen: Hat sich eure Lebenssituation in den vergangenen Monaten verändert?
Du: Ich bin inzwischen verheiratet und Mutter. Die Patentante meines Kindes ist in dieser Chatgruppe. Verrückt, wie das Leben so spielt, oder?
Sie: Ich bin vernarrt in mein Patenkind! Auch bei mir hat sich einiges getan. Ich habe einen Master of Business Administration abgeschlossen und lebe in einer eingetragenen Partnerschaft.
In eurem Herkunftsland tobt weiterhin der Krieg. Ist Luxemburg trotz dieser traumatischen Erfahrungen inzwischen ein zweites Zuhause für euch?
Sie: Ja, ist es!
Du: Luxemburg ist meine Heimat. Meine Familie und ich verfügen über die luxemburgische Staatsbürgerschaft. Wir beabsichtigen auch nicht, in naher Zukunft umzuziehen. Trotzdem bin ich enttäuscht von diesem Land: Ich finde es beispielsweise schockierend, dass ein Fußballspieler [Gerson Rodrigues, Anm.d.Red.], der wegen häuslicher Gewalt verurteilt wurde, spielen durfte.
Ein Fall, der viele Menschen bewegte. Was ratet ihr denn Mädchen und Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind?
Du: Verlasse ihn, so schnell du kannst. Je länger du bleibst, desto öfter wirst du missbraucht, zerschlagen und eingesperrt. Dieses Land wird dich nicht schützen. Die Gesellschaft ignoriert dich. Dein Angreifer hat Skills: Er manipuliert Menschen und beeinflusst ihre Meinung. Er ist ein Profi. Eine Wahrheit, die nur Psychiater anerkennen. Lass’ alles hinter dir. Renne, Mädchen, renne.
Sie: Du machst keinen besseren Menschen aus ihm. Die Situation verbessert sich auch nicht. Es ist nicht deine Aufgabe, die Beziehung zu „retten“. Wenn du den Eindruck hast, dass etwas nicht stimmt, ist dem so. Es mag beängstigend wirken, so wie ich barfuß ins Nirgendwo zu flüchten, aber du wirst auf Menschen treffen, die dir helfen. Auch wenn es sich anfühlt, als seist du auf dich alleine gestellt.
Die Missachtung häuslicher Gewalt ist ein strukturelles Problem. Damit sich die allgemeine Haltung gegenüber der Betroffenen ändert, müssen wir der Polizei jeden Fall melden. Das Ergebnis mag – wie bei uns – negativ ausfallen, aber: Es ist die richtige Entscheidung. Du kommst deiner Pflicht als engagierte Bürgerin Luxemburgs nach, die weiteres Leid vermeiden will. Erstatte Anzeige. Selbst wenn es nur aus Respekt vor dir und anderen Opfern ist.
Am Ende noch die wichtigste Message: Missbrauch und häusliche Gewalt sind unentschuldbar. Wer die Taten der Angreifer rechtfertigt, schweigt, die Augen verschließt oder Unwissen vortäuscht, begünstigt die Übergriffe. Zögere nicht, solche Menschen aus deinem Leben zu streichen.
De Maart

Gewalt gett emmer do ungewand wann een net psychologesch an intellektuel ob der Heicht ass fir een Konflikt ze entschaerfen oder ze lei'sen !
Am leschten Scho'uljohr 3 Meint elementar psych an konflikteli'sungsviirschlei' bei brengen !