Protest gegen Rechtsruck in ItalienWie eine Bewegung Druck auf Salvinis Lega macht

Protest gegen Rechtsruck in Italien / Wie eine Bewegung Druck auf Salvinis Lega macht
Schwimmen gegen den Strom des Rechtsruckes: Die „Sardinen-Bewegung“ findet immer mehr Anhänger (Foto: AFP/Andreas Solaro)

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Zehntausende Anhänger der „Sardinen-Bewegung“ versammelten sich am Samstag zu einer Manifestation gegen Rechtspopulismus in Rom. Die Kundgebung war der bisherige Höhepunkt der Proteste gegen Lega-Chef und Ex-Vizepremier Matteo Salvini.

Von unserem Korrespondenten Wolf H. Wagner, Florenz

Die in Bologna gegründete Bewegung „6.000 Sardinen“ will zeigen, dass die Italiener sich nicht von Populisten vereinnahmen lassen. Am Gründungsort scheint dies bereits Erfolge zu zeitigen. Umfragen zu den bevorstehenden Regionalwahlen deuten an, dass Salvinis Lega ihre Siegesserie nicht fortsetzen könnte.

Einen Monat nach dem ersten spontanen Treffen in Bologna schaffte es das „Volk der Sardinen“, die Piazza San Giovanni in Rom zu füllen. Auf dem traditionellen Demonstrationsplatz der Linken und Gewerkschaften versammelten sich nach Angaben der Veranstalter über 100.000 Menschen (die römische Polizei zählte zu Beginn der Manifestation 35.000), um gegen Rassismus, Intoleranz und Antisemitismus zu protestieren.

„Wir wollten die Piazza San Giovanni füllen, wie die Sardinen eng beieinanderstehen, um zu zeigen, hier kommen Populisten nicht durch. Ich denke, wir haben unser Ziel erreicht“, erklärte Mattia Santori, Mitbegründer der Bewegung. Nun beginne die Phase zwei: Am Sonntag trafen sich Vertreter aus 150 Städten und Gemeinden Italiens in einem besetzten Sozialzentrum Roms, dessen Strom Spenden des Papstes bezahlen. Hier wollten sie beraten, ob und wie aus der Protestbewegung eine politische oder gar eine Partei werden solle.

Gegen Hass und Intoleranz

Wie bereits zu den vorangegangenen Demonstrationen hielten die Menschen Sardinen aus Pappkarton und Blech in die Höhe, auf Transparenten trugen sie satirische Losungen gegen den Rechtspopulismus der Lega Matteo Salvinis mit sich. „Auf Hass und Intoleranz reagieren wir mit Kampf gegen Diskriminierung, mit Beteiligung auf den Plätzen, mit Kreativität und Fantasie“, betonte Mattia Santori von der Rednertribüne, die vor der Lateranbasilika errichtet wurde.

Zu den Forderungen, die von den Demonstranten gestellt wurden, zählt auch die Abschaffung des von Ex-Innenminister Salvini erstellten „Sicherheitspaketes“, das Rettungsschiffe unter schwere Strafe stellt, sollten sie ohne Genehmigung italienische Häfen anlaufen. Dies sei unmenschlich, betonte auch der Euroabgeordnete und Arzt von Lampedusa Pietro Bartolo, der mit seinem Slogan „Bleiben wir menschlich“ bekannt geworden war.

Zu den Forderungen, die die Demonstranten stellten, gehörte auch mehr Transparenz der Politik. Des Weiteren sollten Politiker auf jede verbale Gewalt in ihren Reden verzichten. Solche, die als Minister gewählt wurden, sollten ihre Funktionen ausüben und Kommunikationen nur von Amts wegen verkünden, anstatt auf permanente Wahlkampftour zu gehen, hieß es direkt an die Adresse des Lega-Chefs Salvini gerichtet. Wie bereits in Bologna, so richtete sich der Sardinen-Protest auch in Rom gegen die einstige Separatistenpartei. Im Hauptort der Emilia Romagna wollten Santori und Mitbegründer einen Gegenpol zu einer Wahlveranstaltung Salvinis bilden, zu der 5.700 Anhänger der Lega in eine Sporthalle geladen waren. Dem Motto, lasst uns „6.000 Sardinen“ gegen die Lega versammeln, folgten schließlich 15.000 Demonstranten am 14. November.

Keine Parteivereinnahmung

Weder Parteisymbole noch Fahnen waren auf der Piazza San Giovanni zu sehen. Mattia Santori wies jeden Vorwurf, seine Organisation sei vom Partito democratico finanziert, von sich. „Die Menschen, die heute hier aus Sorge um unser Land versammelt haben, sind alle auf eigene Kosten gekommen“, so Santori.

Zu den Rednern der Protestaktion gehörten auch Carla Nespolo, Präsidentin des nationalen Partisanenverbandes ANPI, Giorgia Linardi, Sprecherin von Seawatch Italia, sowie der seit 25 Jahren in Rom lebende, aus Kenia stammende Journalist Stephen Ogongo. In ihrem Credo betonten die Redner, Politik dürfe ferner nicht aus Machtinteressen oder mit Marketingmethoden betrieben werden, es gehe darum, die Interessen der Menschen, immerhin der Wähler, zu vertreten.

„Italien ist endlich erwacht“, erklärte der frühere Premier und jetzige EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in sozialen Medien. Die Euphorie, mit der die Wähler die populistischen Reden Matteo Salvinis in der jüngeren Vergangenheit begleitet hatten und die zuletzt zum Wahlsieg der Lega in Umbrien führte, beginnt zu verblassen. Jüngsten Umfragen zufolge liegen die Anti-Lega-Kräfte in der Emilia Romagna – wo im Januar Regionalwahlen abgehalten werden – vorn. Es darf mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Sardinen ihren Kampf fortsetzen werden, damit sich dieser Trend auch im Wahlergebnis niederschlägt. Denn immerhin fast die Hälfte der potenziellen Wähler in der zentralen italienischen Region sind noch unentschieden oder wollen sich ohnehin jeder Wahl entziehen.