Dienstag9. Dezember 2025

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DeutschlandWie die AfD Kulturkampf von rechts führt

Deutschland / Wie die AfD Kulturkampf von rechts führt
Der thüringische AfD-Politiker und Rechtsextremist Björn Höcke bezeichnete schon mal das Berliner Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“  Foto: AFP

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Völkerschlacht- und Hermannsdenkmal gut, Bauhaus und Erinnerungskultur schlecht: So könnte man – vereinfacht – den Kulturkampf von Rechtsaußen beschreiben, mit dem viele Wahrzeichen und historische Stätten konfrontiert sind. Der macht sich umso mehr bemerkbar, je stärker die AfD in den Parlamenten von Bund und Ländern ist.

Im Kulturausschuss des Bundestags arbeitet daran der Dortmunder AfD-Politiker Matthias Helferich, der sich einst als „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnet hat. Vor Kurzem echauffierte er sich bei einer Plenardebatte über „bizarre Transenshows aus dem Gropiusbau“ und wünschte sich vom Kulturstaatsminister, jede Erinnerungspolitik für gescheitert zu erklären, „die stets die Schuld und Sünde betont und keine Vergebung zulässt“. Zu Beginn dieser Wahlperiode hatte er angekündigt, den „linken Kulturkampf“ mit einem „Kulturkampf von rechts“ zu beantworten.

In der AfD bezieht man sich gerne positiv auf Preußen und das deutsche Kaiserreich. Man wehrt sich zugleich dagegen, dass diese als ideologische Wegbereiter des Nationalsozialismus dargestellt werden. Beim Gründungskongress der neuen AfD-Jugendorganisation „Generation Deutschland“ vor einer Woche gab es unter anderem Aufkleber mit dem Logo eines Mannes mit Pickelhaube, daneben die Aufschrift „Hier wurde linke Propaganda überklebt!“.

Als historische Sternstunde wird überdies die Völkerschlacht bei Leipzig zelebriert. Für den AfD-Nachwuchs gab es dazu Comics mit dem Titel „1813 – eine Nation erwacht“. Ebenso Sticker mit dem Aufruf „Deutschland verteidigen!“. Die Schlacht hatte Zehntausenden Soldaten das Leben gekostet und das Ende von Napoleons Herrschaft in Deutschland eingeläutet.

Dazu gehören eingeritzte Hakenkreuze und Aufkleber mit rechtsradikalen Inhalten. (…) Früher gab es einmal im Monat solche Vorfälle, inzwischen ist es einmal die Woche.

Rikola-Gunnar Lüttgenau, Historiker

Erst am Freitag erinnerte im Bundestag der AfD-Abgeordnete Rüdiger Lucassen in der Wehrdienstdebatte wieder daran. Bemerkenswerterweise tat er das, um den Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke wegen seines kategorischen Neins zur Wehrpflicht anzugreifen. „Was hätten wohl die Männer und Frauen der Befreiungskriege dazu gesagt?“, sagte Lucassen in Richtung seines Parteikollegen. „Sie wären diesem Befund niemals gefolgt.“ Höcke wies übrigens diesen „Vorwurf mangelnder Vaterlandsliebe“ umgehend zurück.

Eklat wegen eines AfD-Antrags

Laut dem Leipziger Demokratieforscher Johannes Kiess steht die Völkerschlacht bei Leipzig „im Kontext des Mythos der Nation“. Die moderne deutsche Staatsgründung im 19. Jahrhundert werde von der AfD romantisiert, sagte er dem Tageblatt. „Mit der Sehnsucht nach vermeintlich besseren Zeiten nationaler Stärke sollen Menschen angesprochen werden, die von der Gegenwart überfordert werden.“

Kiess erläuterte: „Kultur ist eine unserer gesellschaftlichen Grundlagen: Auf welche Traditionen beziehen wir uns, woraus ziehen wir unsere Lehren, wofür geben wir Geld aus?“ Die AfD und die rechtsextremen Gruppen im Vorfeld der Partei bezögen sich gerne etwa auch auf Otto von Bismarck als autoritären Reichskanzler und lehnten hingegen das Bauhaus als moderne Architektur ab. „Sie setzen sich dafür ein, dass missliebige Kultur nicht mehr gefördert wird.“ An der Kulturpolitik der AfD sehe man, „wie ernst sie es mit dem Umbau des Staates und der Gesellschaft meint – bis hin zur Abschaffung der Demokratie“, so seine Bewertung.

In Sachsen-Anhalt hatte die AfD-Fraktion vor einem Jahr mit einem Antrag mit der Überschrift „Irrweg der Moderne“ für einen Eklat gesorgt: Das Bauhaus habe „das menschliche Bedürfnis nach Geborgenheit und Behaglichkeit nach allen Regeln der Kunst vergewaltigt“, heißt es darin. Ingeborg Arnold, stellvertretende Vorsitzende des Kreises der Freunde des Bauhauses, reagierte darauf entsetzt, sprach von alarmierenden und inakzeptablen Argumenten und einer Rhetorik, die an den Nationalsozialismus erinnere, „der das Bauhaus als ‚entartete Kunst‘ verfolgte“.

Angriffe und Geschichtsrevisionismus

Immer wieder wird von AfD-Politikern auch die deutsche Erinnerungskultur in den Fokus genommen. Erst vor wenigen Tagen sprach Höcke im Erfurter Landtag von „Schuldstolz“. Der Historiker Rikola-Gunnar Lüttgenau arbeitet seit Jahrzehnten in der Gedenkstätte Buchenwald. Die hat schon vor zehn Jahren Konsequenzen daraus gezogen. „Repräsentanten der AfD dürfen an unseren Gedenkveranstaltungen nicht teilnehmen“, sagte er dem Tageblatt.

Die Gedenkstätte Buchenwald war seinen Worten nach seit 2015 als erste mit Höcke und seinen Parteifreunden konfrontiert und musste über einen Umgang nachdenken. Inzwischen handhabten dies alle KZ-Gedenkstätten in Deutschland so. Lüttgenau sagte: „Die Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten hat sich seit den 1990er insofern geändert, als es sich damals im Wesentlichen um gesellschaftlich isolierte Kameradschaften gehandelt hat.“ Jetzt kämen Angriffe und Geschichtsrevisionismus auch von einer Partei, die in den Parlamenten vertreten sei.

Zugleich gibt es seinen Angaben zufolge einen stetigen Anstieg rechtsextremistischer Vorfälle in der Gedenkstätte. „Dazu gehören eingeritzte Hakenkreuze und Aufkleber mit rechtsradikalen Inhalten.“ Einmal sei ein AfD-Werbeplakat mit der Aufschrift „Mut zur Wahrheit“ aufgehängt worden. Er betonte: „Früher gab es einmal im Monat solche Vorfälle, inzwischen ist es einmal die Woche.“