EditorialWider die Aufhebung der Strafmaßnahmen gegen Moskau

Editorial / Wider die Aufhebung der Strafmaßnahmen gegen Moskau
Von den EU-Sanktionen gegen Russland sind vor allem auch russische Oligarchen und deren Superyachten, wie die „Dilbar“ des Milliardärs Alisher Usmanow, betroffen Foto: Focke Strangmann/AFP

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Die EU-Staaten haben am Donnerstag ihr mittlerweile achtes Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg gebracht. Es folgt auf die in der vergangenen Woche von der Führung in Moskau inszenierte Annexion ukrainischen Staatsgebietes, einen Akt, mit dem Putin seine Haltung weiter untermauert, dass er nicht bereit ist, den Konflikt beizulegen. Ein schwerer Schlag für all jene, die auf eine Verhandlungslösung gehofft hatten. Denn die Kremlführung hat damit klargemacht, dass sie unwiderrufbare Fakten schaffen und keine Spielräume für wie auch immer geartete Lösungen offen lassen will.

Die Sanktionen hingegen stoßen weiterhin auf Kritik. Mal wird angeführt, sie würden ohnehin nicht greifen, da sie den Kreml nicht von seinem Feldzug in der Ukraine abbrächten. Dann wird behauptet, sie würden den Ländern, die sie verhängten, mehr schaden als Russland. Weshalb die Forderung nachgeschoben wird, die Sanktionen wieder aufzuheben. So wie es jüngst als einer der prominentesten unter ihnen der ungarische Regierungschef Viktor Orban tat, auch wenn er ebenfalls die letzten Maßnahmen unterstützt. Auffällig, aber nicht verwunderlich, ist, dass hauptsächlich Parteien aus dem rechtsnationalistischen bis rechtsextremen Spektrum, also Gesinnungsgenossen des Kremlherrschers, die Sanktionen gegen Russland zumindest infrage stellen oder ihre Aufhebung verlangen. In der Praxis würde das bedeuten, Putins Kriegswirtschaft wieder zu unterstützen, der ja noch vergangene Woche erklärt hat, dass er gegen den Westen, also uns, Krieg führt.

Zu glauben, mit der Aufhebung der Sanktionen würden sich automatisch die wirtschaftlichen und energiepolitischen Schwierigkeiten auflösen, mit denen nicht nur die europäischen Staaten derzeit konfrontiert sind, ist im besten Fall naiv. Diese Darstellung wird auch den Menschen hierzulande vorgegaukelt, indem behauptet wird, die Bürger müssten wegen der von der luxemburgischen Regierung unterstützten Sanktionen leiden. Die Dinge sind weitaus komplexer. Denn neben dem Krieg gegen die Ukraine, der zu einer für Millionen von Menschen dramatischen Erhöhung der Lebensmittelpreise wegen blockierter Getreideexporte aus der Ukraine führte, hat Putin einen Energiekrieg angezettelt. Dabei waren die Energiepreise bereits geraume Zeit vor Beginn des russischen Feldzugs aus dem Ruder gelaufen. Hier wurde demnach offensichtlich nur noch ein Phänomen verstärkt, das bereits vorher eingesetzt hatte. Mit dem Unterschied, dass neben den enormen Preisen nun auch noch eine Verknappung droht, zumindest was die Gaslieferungen anbelangt.

Doch Putin dreht nicht mehr bloß wegen der Sanktionen den Gashahn zu. Viel schlimmer für ihn ist längst die kriegsdominierende militärische Unterstützung für Kiew aus dem Westen. Die Sanktionen hätte der Kremlherr noch hingenommen, hätten seine Truppen es geschafft, wenigstens in den ersten Kriegsmonaten die Ukraine niederzuringen. Putin hätte sich konzilianter geben können, denn sein (vorläufiges) Ziel hätte er erreicht.

Die Menschen in der Ukraine jedoch haben standgehalten, erst aus eigener Kraft, dann mit massiver militärischer Unterstützung aus dem Westen. Und das so weit, dass die Ukraine nicht nur eine Wende auf dem Schlachtfeld herbeiführen konnte, sondern der Krieg wegen der notwendig gewordenen Mobilmachung unmittelbar in den russischen Wohnzimmern angekommen ist. Das ist für die Kremlführung weitaus gefährlicher, da es die Menschen im Land konkreter und grundlegender betrifft als die Sanktionen, die zwar mittel- bis langfristig die russische Wirtschaft zersetzen, bislang aber hauptsächlich die politische und wirtschaftliche Führungselite beschäftigten. Dennoch bleiben die Sanktionen gegen Moskau, ebenso wie die militärische Hilfe für die Ukraine, richtig und wichtig. Sie sind zusammengenommen der weitestgehende Ausdruck der Gegnerschaft zu diesem Krieg, ohne selbst Kriegspartei zu werden.

dvoosen
12. Oktober 2022 - 16.08

@ w.d. Ach, Nordamerikas unmenschliche Brutalität - die von vielen Seiten kritisiert wurde - rechtfertigt Russlands unmenschliche Brutalität? Und zu meinem dritten Satz: Russland will doch nicht verhandeln. Bei Verhandlungen werden Kompromisse geschlossen, aber - haben Sie etwa schon von irgendwelchen russischen Kompromissvorschlägen gelesen oder gehört? Deshalb: Putin nennt es Verhandlung, aber er will nur eine offizielle Unterschrift, dass die mit Waffengewalt eroberten Gebiete zu Russland gehören werden. Das nennt man nicht „Verhandlung, das nennt man „Erpressung“. Hören Sie also bitte auf, auf Putins Sprüche reinzufallen. Auf Russlands Forderungen einzugehen, würde Europa ins Raubrittertum zurückkatapultieren.

w.d.
12. Oktober 2022 - 13.52

@DanV ...Die USA sind mit unbegreiflichem Hass und unmenschlicher Brutalität 2003 in den Irak eingefallen. 500 000 zivile Opfer; wurden denen auch Waffen, und noch mehr Waffen zur Selbstverteidigung geliefert? Und, der 3 Absatz von Ihnen ist am 12.10.22 überholt, denn Putin möchte verhandeln, Selensky hat dies per Dekret verboten. Das sind dann unsere Werte...Danke!

DanV
11. Oktober 2022 - 13.14

@ Beobachter Wer Waffen an einen mit Waffengewalt angegriffenen Staat liefert, hilft diesem Staat in seiner Selbstverteidigung. Die Russen sind mit unbegreiflichem Hass und unmenschlicher Brutalität in die Ukraine eingefallen. Sollten die Ukrainer sich niedermetzeln lassen? Und bitte kommen Sie jetzt nicht mit dem Verhandlungsargument. Putin will offensichtlich nicht verhandeln, er will alles ausmerzen, was nicht nach seiner Pfeife tanzt. Eigentlich sind wir ja alle Pazifisten, auch die Ukrainer. Aber was macht man, wenn Bomben auf einen niederregnen? Verkriecht man sich? Oder versucht man, diesen Bombenregen zu be- und verhindern?

Beobachter
9. Oktober 2022 - 12.40

Wer Waffen liefert macht sich zur Kriegspartei. Alles andere ist Selbstbetrug.